Französische Wörter im Deutschen und in Berlin – eine Übersicht

Obwohl man es nicht glauben mag, hat das weiche Französische den ruppigen Berliner Dialekt an vielen Stellen beeinflusst. Wie, das sehen wir uns hier an.
Französische Wörter im Deutschen

Welche Sprache hat den größten Sex-Appeal? 14.000 Teilnehmer einer Umfrage von Babbel waren sich einig und das Ergebnis überrascht kaum: Französisch, natürlich! Denn die französische Sprache säuselt nur so vor sich hin, hüllt dich mit ihrem sanften Redefluss ein und streichelt das Ohr. Gut also für uns, dass es jede Menge französische Wörter im Deutschen gibt. Und welcher Dialekt wurde besonders beeinflusst? Na ganz klar: Der Berliner Dialekt! Ähm… wirklich? Ja, wirklich! Obwohl die schroffe Mundart einem vielleicht nicht zuerst einfällt, wenn es um die französische Sprache geht, sind eine beachtliche Anzahl Berliner Wörter französischen Ursprungs. Und wie und welche? Kiek’n wa ma.

Französische Wörter im deutschen Adel

Dass sich der Adel im 17. und 18. Jahrhundert (deutschlandweit) am Französischen Hof orientierte, ist kein Geheimnis. Am Berliner Hof war das nicht anders und Französisch war vom Großen Kurfürsten (1620 – 1688) bis zu Friedrich Wilhelm III (1770 – 1840) führend. Zum Beispiel sprachen der erste preußische König Friedrich I (1657 – 1713) und seine Frau Sophie Charlotte ausschließlich Französisch miteinander. Auch der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I (1688 – 1740) und sein Sohn Friedrich der Große (1712 – 1786) beherrschten die deutsche Schriftsprache, bzw. deren Grammatik und Rechtschreibung kaum. Als Sprache der Bildung und des hohen Standes drang Französisch zu dieser Zeit kaum in die unteren Schichten vor. Französische Wörter im Deutschen aus dieser Zeit sind zum Beispiel Batallion, Etikette, Perücke, Mätresse und Negligé – nicht gerade Begriffe, die die typische Berliner Bevölkerung täglich nutzte. In Berlin wurde aber trotzdem jede Menge Französisch gesprochen – wie das geht? Mit einem Dokument, das viel ins Rollen brachte…

Die Hugenottengemeinde in Berlin

Aufgrund des Toleranzedikts des Großen Kurfürsten aus dem Jahre 1685 siedelten sich nämlich in Berlin und Umgebung viele Hugenotten an, um der Verfolgung im katholischen Frankreich zu entgehen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war die Gemeinde der Franzosen in Berlin auf etwa 5000 Mitglieder angewachsen. Das klingt erst mal nicht besonders beeindruckend, machte aber zu dieser Zeit immerhin etwa 20 % der Stadtbevölkerung aus! Noch bis Ende des 18. Jahrhunderts war etwa jeder 10. Berliner Franzose. Die Exilprotestanten bildeten jedoch zunächst eine relativ geschlossene Kolonie und der Austausch mit der deutschen Bevölkerung war nicht besonders rege: Nicht nur sprachen die Berliner wenig Französisch, sondern auch die sprachliche Anpassung der Hugenotten verlief langwierig. So wurden die Berliner Kirchenbücher der Hugenottengemeinden bis 1898 auf Französisch geführt! Natürlich wissen wir alle, dass Bürokratie manchmal (ähem) etwas langsam ist, darum kann vorher zumindest von einer Zweisprachigkeit der Hugenotten ausgegangen werden. Französisch wurde trotzdem weiterhin fleißig parliert.

Der Adel, Buletten und Griebenschmalz

Mit der Französischen Revolution im Jahr 1789 kam ein neuer Immigrantenstrom nach Berlin: Dieses Mal handelte es sich um den französischen Adel und die gehobenen Schichten. Weil Geld meistens doch Geld heiratet, fand nun deutlich mehr Durchmischung der Franzosen mit der (reichen) einheimischen Bevölkerung statt und es entwickelten sich Handels- und Gesellschaftsbeziehungen – zum Beispiel war die Mutter der Gebrüder Humboldt, die als Berliner Urgesteine nicht wegzudenken sind, Hugenottin. Auch der Schriftsteller Theodor Fontane entstammte einer Hugenottenfamilie. Französische Wörter im Deutschen aus dieser Zeit sind Amüsement, Cousine und Kuvert. Zudem fanden nun auch erstmals Berlin-spezifische Vokabeln ihren Weg in die Wörterbücher: Die Bulette (von Französisch la boulette – „Kügelchen“) brutzelte fleißig im Griebenschmalz (entstammt den französischen griblettes – „kleine Fleischschnitten“) vor sich her und am nächsten Tag wurde das von Hugenotten erdachte Ragoufeng serviert – die „falsche“ Aussprache des nasalen [en]-Lauts als ein [eng] ist übrigens nicht ganz die „Schuld“ der Berliner – denn die Hugenotten kamen vor allem aus Südfrankreich, wo das [en] auch nicht durch die Nase ausgesprochen wurde. Mit Buletten und Ragoufeng hört es aber mit dem Französischen im Berliner Dialekt noch nicht auf – ganz im Gegenteil!

Französische Wörter im Berliner Sprachgebrauch

Denn das Ereignis, durch welches die Fäden der französischen Sprache untrennbar mit dem Berliner Dialekt verwoben wurden, sollte noch kommen: die Napoleonische Besetzung Berlins nach der preußischen Niederlage während des Vierten Koalitionskrieges im Jahr 1806. In diesem und dem darauffolgenden Jahr, sowie in den Jahren 1812/13 besetzten Soldaten aus Napoleons Grande Armée die Stadt und wurden teilweise bei der heimischen Bevölkerung untergebracht. Das konnte auch von der sonst so dickköpfigen Berliner Bevölkerung nicht ignoriert werden – zum ersten Mal gab es französische Wörter im Deutschen nicht nur in den gehobenen Schichten, die Französischunterricht genossen, absorbiert, sondern munter von der heimischen Bevölkerung aufgeschnappt, interpretiert, umgedeutet, eingedeutscht und kreativ verarbeitet.

Da der Sprachaustausch zum größten Teil mündlich stattfand, sehen sich die französischen Ursprungswörter und die eingedeutschten Berliner Wörter auf den ersten Blick nicht besonders ähnlich – so, wie es eben zu erwarten ist, wenn eine Bevölkerung, die keine Bildung in einer Fremdsprache hat, Wörter aufschnappt und diese nach ihren eigenen orthografischen Regeln niederschreibt. Gesprochen ist das französische Ursprungswort meist noch zu erkennen: proper kommt von propre („sauber“); gewieft hat seinen Ursprung in vif („lebendig“); plärren hat die gleiche Bedeutung wie sein französisches Ursprungswort pleurer („weinen“); totschick wurde von tout chic („sehr schick“) umgedeutet; ratzekahl kommt von radical und das etepetete sein kommt vom französischen être peut-être („im Zweifel sein“).

Diesen Berliner Wörtern siehst du ihren französischen Ursprung nicht mehr an

Manche Wörter wurden aber so sehr umgeformt, dass ihr französischer Ursprung kaum noch erkennbar ist. Der Begriff Schaköng, wie in Jeder nach seinem/n Schaköng wurde zum Beispiel aus der französischen Wendung Chacun à son goût. („Jeder nach seinem Geschmack“) aufgeschnappt – die Berliner Redewendung heißt damit quasi „Jeder nach seinem jeder“. Das Krakeelen kommt dagegen vom französischen querelle („Streit“).

Wilde Erklärungstheorien

Diese kreative Sprachverarbeitung verführte später (Hobby-)linguisten zu wilden Spekulationen über Wörter, die einen scheinbar französischen Ursprung haben. Für Fisimatenten („Dummheiten“) gibt es gleich drei Theorien:

  1. J’ai visité ma tante. – „Ich habe meine Tante besucht.“ (Die faule Ausrede eines Soldaten, der zu spät zu seinem Quartier zurückkehrte und daraufhin von der Wache angehalten wurde. Fisimatenten werden in diesem Sinne als „faule Geschichten“ verstanden.)
  2. visites des martin – „Morgenbesuche“ (Diese Besuche waren bei Amtsantritt und Verabschiedung beim Vorgesetzten zu machen und galten als komplett überflüssig. Fisimatenten wären in diesem Sinne also „unnützes, blödes Zeug“.)
  3. Visitez ma tente! – „Besuchen Sie mein Zelt!“ (Mit diesem Satz luden französische Soldaten willige deutsche Mädchen in ihre Zelte ein… die Mütter warnten ihre Töchter also vor dem Ausgehen: „Mach ma keene Fisimatenten!“)

Leider sind alle dieser drei bunten Erklärungen wahrscheinlich falsch, da das Wort schon vor der französischen Besatzung im Deutschen belegt ist – sein Ursprung könnte verschiedenen Forschermeinungen zufolge im Lateinischen, Frühneuhochdeutschen oder Italienischen liegen und bleibt damit weiterhin ungeklärt. Aber auch ohne die guten alten Fisimatenten hat die französische Sprache das Deutsche, und besonders den Berliner Dialekt, deutlich bereichert. Welches übernommene Wort gefällt dir am besten?

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Katrin Sperling

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.