Schwäbischer Dialekt gehört zu den knapp 20 verschiedenen deutschen Dialekten, also lokalen Sprachen, die sich je nach Region anders anhören, schreiben und teils sehr große Unterschiede zum Standarddeutsch aufweisen. Gerade deshalb sind sogenannte Mundarten wie Schwäbisch, Bairisch, Fränkisch, Hessisch oder Sächsisch ein nicht zu unterschätzendes Kulturgut, das die Identität eines Ortes erst ausmacht.
Tatsächlich scheiden sich aber gerade beim schwäbischen Dialekt die Geister: Die einen feiern seinen Einfallsreichtum und den beinahe schon niedlichen Klang – die anderen sind allein schon vom Image der Schwäb:innen abgeschreckt. Wir erzählen dir in diesem Artikel alles, was du über die Einwohnenden wissen musst und wie du den schwäbischen Dialekt richtig verstehen kannst.
Typisch schwäbisch!
Wohl keine Lebensweisheit beschreibt die Einstellung der Schwäbinnen und Schwaben wie diese: Schaffe, schaffe Häusle baue. Und ned nach de Mädle schaue. Ins Standarddeutsche übersetzt bedeutet das, dass man nichts anderes im Kopf haben sollte außer arbeiten (schaffen) und schon gar keine Mädchen (Mädle). Wenn also die Deutschen sowieso schon weltweit bekannt sind für ihre Arbeitsethik, ihren Fleiß und ihre Sparsamkeit, dann setzen die Schwäbinnen und Schwaben noch einmal einen drauf.
Und auch wenn die Deutschen oftmals als spießig bezeichnet werden, ist der Schwabe oder die Schwäbin das beste Paradebeispiel dafür: Ein klassisches Ritual, das immer wieder für Erstaunen und Belustigung unter Nicht-Schwäb:innen sorgt, ist die sogenannte Kehrwoche, eine typisch schwäbische Tradition. In einem Wohnhaus ist jede Nachbarin und jeder Nachbar im wöchentlichen Wechsel für das Putzen des Treppenhauses zuständig. Um anzuzeigen, wer als Nächstes dran ist, wandert ein Holzschild mit der Aufschrift „Kehrwoche“ von einer Etage zur anderen. Aber damit nicht genug: Insgeheim wird natürlich genauestens überwacht und kontrolliert, ob die Nachbarin oder der Nachbar auch wirklich seine Aufgabe erfüllt und das Treppenhaus geputzt hat. Und selbst wenn die oder der andere wirklich einen guten Job gemacht hat, heißt es: Nix gschwätzt isch gnuag globt. Was so viel bedeutet wie: „Das größte Lob ist es, wenn nichts gesagt wird.“
Ja, die Schwäbinnen und Schwaben sind nicht gerade für ihre übersprudelnde Herzlichkeit bekannt. Dafür sind sie aber umso direkter in ihrem Umgang und haben das Herz am rechten Fleck. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Was von manchen Mitmenschen sehr geschätzt wird, von wieder anderen eher weniger.
Von kulinarischen Spezialitäten bis Schwabenhass
Was die Schwäbinnen und Schwaben aber wirklich gut können, ist kochen: Von Maultaschen (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen) bis Kässpätzle (Eiernudeln mit Käse) kommen hier viele der bekanntesten Speisen der traditionell deutschen Küche her, die im Allgemeinen sehr deftig ist. Für Neigschmeckte, schwäbisch für Zugezogene, immer wieder verblüffend: Man trifft sich gerne im Besen. Hiermit ist aber nicht etwa das Putzgerät gemeint – sondern einfach eine Kneipe, in der man sich zum Viertele schlotza (Wein trinken) und Vesper trifft: das typisch deutsche kalte Abendessen, bestehend aus ein paar Brotscheiben oder Brezeln mit Butter, Aufstrich, Wurst- oder Käseaufschnitt.
Gleichzeitig gelten die Schwäb:innen als äußerst erfinderisch, was sich bis heute an der hohen Anzahl an weltweit renommierten Firmen zeigt: Bekannt für ihre Autoindustrie mit Daimler und Porsche und Industriegrößen wie Bosch gilt Baden-Württemberg seit der Industrialisierung als erfolgreicher Wirtschaftsstandort. Der Fokus liegt dabei auf Elektrotechnik und Maschinenbau. Somit sind die Schwäb:innen in Deutschland als besonders wohlhabend bekannt – zum Unmut vieler anderer Bundesbürgerinnen und -bürger. Der Begriff „Schwabenhass“ hat gar einen eigenen Eintrag bei Wikipedia: Wenn Schwäb:innen nämlich woanders in Deutschland hinziehen, dann sind sie aufgrund ihrer bessergestellten Lebensumstände oftmals für die Gentrifizierung von Nachbarschaften mitverantwortlich. Das prägnanteste Beispiel dafür ist der Berliner Prenzlauer Berg, wo man besonders viel Schwäbisch auf den Straßen hört. Die sogenannten Yuppies, die Altbauwohnungen sanieren lassen, den ganzen Tag Latte macchiato trinken und nur noch Bio einkaufen, sind immer wieder Gegenstand von Film und Fernsehen. Aber leider werden so immer mehr Einheimische verdrängt, die sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten können.
Natürlich sind das alles Vorurteile. Und natürlich gilt das nicht für alle Schwäbinnen und Schwaben. Aber hinter jedem Klischee steckt bekanntlich auch immer ein Funken Wahrheit. Die Schwäb:innen können aber zum Glück auch über sich selbst lachen. So ist ein bekannter Slogan des Landesmarketings Baden-Württembergs: Mir könnet älles. Außer Hochdeutsch. Was so viel heißt wie: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“
Was ist schwäbischer Dialekt und wo wird er gesprochen?
Schwäbisch ist der alltägliche Dialekt, der in Schwaben gesprochen wird. Mit Schwaben ist aber nicht nur das Bundesland Baden-Württemberg im Süden Deutschlands gemeint, sondern auch angrenzende Regionen wie der Südwesten Bayerns und sogar ein Teil Tirols in Österreich. Damit ist Schwaben kein politisches Gebiet, sondern ein sprachlicher Raum im Südwesten Deutschlands. Von den Einheimischen wird es Schwabenland oder liebevoll Ländle genannt: Es zieht sich vom Bodensee an der Schweizer Grenze über die Schwäbische Alb, dem Mittelgebirge unweit des Schwarzwaldes bis hin zu den größten Städten wie Stuttgart.
Schwäbisch zählt demnach zum Oberdeutschen und hierzu zur kleinen Gruppe der alemannischen Dialekte. Neben dem Schwäbischen gibt es noch das Schweizerdeutsch und das Elsässisch, das im Osten Frankreichs gesprochen wird. Sie alle eint am prägendsten der Übergang von Monophthongen zu Diphthongen, von Einzel- zu Doppellauten. Wobei man Schwäbisch nicht spricht, sondern schwätzt. Tatsächlich kommen viele der bekanntesten deutschen Schriftsteller:innen und Dichter:innen ursprünglich aus dem Schwabenland: von Friedrich Schiller über Hermann Hesse bis Bertolt Brecht.
Wie klingt schwäbischer Dialekt?
Für Menschen, die zum ersten Mal nach Schwaben kommen, hat der schwäbische Dialekt einen eher weichen Klang. Im Allgemeinen werden aber sowohl Artikel als auch Vokale einfach verschluckt, was das Sprachverständnis nicht gerade erleichtert. Nicht verwunderlich ist es deshalb, dass selbst gebürtige Schwäbinnen und Schwaben aus Städten wie Stuttgart ihre Freund:innen und Verwandten auf dem Dorf kaum verstehen können. Neben dem Gemurmel gibt es auch völlig unterschiedliche Vokabeln (siehe unten: Grombira).
Einer der Gründe dafür ist die außerordentliche Diphthongierung im Schwäbischen, das Bilden von Doppellauten. Insgesamt 15 verschiedene Diphthonge kennt der schwäbische Dialekt: Vokale wie [iː] oder [uː] werden zu [iə] und [uə]. Da heißt es dann nicht mehr nur „Licht“, sondern Liecht. Oder guad statt „gut“.
Ein paar Besonderheiten des Schwäbischen:
- Zischlaute: Wohl einer der prägnantesten Klänge im Schwäbischen ist die Erweichung der Plosive. Immer wieder wird „sch“ anstatt „s“ verwendet. So zum Beispiel vor einem „t“ wie bei du bisch statt „du bist“.
- Verkürzung der Vorsilbe ge- beim Partizip Perfekt zu g- . Anstatt „gegangen“ heißt es dann gange, „geredet“ wird zu gredet.
- Aus „wir“ wird mir: Eine der auffälligsten Veränderungen des Schwäbischen im Vergleich zum Standarddeutsch ist die Verwendung von mir als wir. Normalerweise wird es als Reflexivpronomen verwendet, wenn sich etwas auf einen selbst bezieht. Im Schwäbischen nutzt man in diesem Fall ebenfalls „mir“.
- Verniedlichungen mit -le am Ende eines Wortes: Beliebte Beispiele sind hierfür Ländle, Häusle, Mädle. Aber nicht nur bei Substantiven wird -le angehängt, sondern auch bei Ausrufen wie Sodele statt „So!“ und Jetztetle statt „Jetzt!“
- Gell ist ein kleines, feines Wörtchen, das stets am Ende eines schwäbischen Satzes steht und wie eine Frage betont wird. Verkürzt hört man auch oft gä. Es wird im Sinne von „Stimmt’s?“ verwendet, meistens wird aber keine richtige Antwort erwartet. So oder so ist es immer ein sicheres Erkennungszeichen dafür, dass jemand aus dem Süden Deutschlands kommt.
Bekannte Wörter des Schwäbischen:
Muggaseggele
Ein Wort, das immer wieder für Entzückung sorgt: Muggaseggele – was im Standarddeutschen so viel bedeutet wie „der Sack der Mücke“, in diesem Sinne das Geschlechtsorgan einer Fliege. Gemeint ist damit die kleinstmögliche Maßeinheit, die es gibt. Im Alltag sagt man deshalb a Muggaseggele Salz, wenn man einfach nur „eine Prise Salz“ meint.
Schwäbischer Dialekt: Herrgottsbscheißerle
Es ist eines dieser typisch schwäbischen Wörter, die weit über das Ländle hinaus bekannt sind: Traditionell durfte es im katholisch geprägten Land freitags kein Fleisch geben, sondern nur Fisch. Um den Herrgott, schwäbisch für den Allmächtigen, aber auszutricksen, zu bescheißen, hat man die Fleischfüllung einfach in Teig gewickelt und entstanden war der Spitzname für Maultaschen.
Grombira
Was könnten wohl Grombira sein? Nach was für einem deutschen Wort klingt es? Leider ist das hier überhaupt keine Hilfe: Grombira heißt tatsächlich auf schwäbisch Kartoffeln. Nicht nur wegen der anderen Aussprache kann es für Außenstehende deshalb schwierig sein, Schwäbisch zu verstehen. In Stuttgart beispielsweise heißen sie einfach Kardoffle.
Spätzle
Die Schwaben schwören auf die Zubereitung ihrer Spätzle (Eiernudeln): Ob zu einem deftigen Braten oder als Kässpätzle, Hauptsache ist, dass sie handgemacht sind. Jeder schwäbische Haushalt hat dafür ein extra geformtes Holzbrett und einen sogenannten Spätzlesschaber zu Hause, ein Schaber aus Edelstahl, mit dem man vom Nudelteig nach und nach kleine Streifen abschneidet und ins Kochwasser schiebt.
Schwäbischer Dialekt: Heilig’s Blechle
Einerseits ein Ausruf der Bewunderung – andererseits die Bezeichnung für ein Auto. Der Schwabe und sein Auto, das ist eine Geschichte für sich. Mit Blechle ist die Karosserie des Wagens gemeint, heilig drückt die Wertschätzung aus.
Du siehst also, die Schwäbinnen und Schwaben sind nicht nur sehr fleißig, sparsam und gründlich, sondern auch kreativ und erfinderisch – nicht nur bei Wortbildungen. Wie immer liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen, wenn es um das Image des Schwäbischen geht. Oder wie die Schwäbinnen und Schwaben sagen würden: S’ gibt sodde ond soddiche, was der standarddeutschen Redewendung entspricht: „Es gibt solche und solche“ – Menschen sind unterschiedlich.
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