Fränkisch – der vielfältigste deutsche Dialekt? Finde es heraus!

Wo wird überall Fränkisch gesprochen und warum ist diese Mundart einer der vielfältigsten in Deutschland? Es gibt einige Begriffe und historische Ereignisse zu erklären …
Fränkisch

Dass sich die Franken nicht gerne mit den Bayern unter einen Hut stecken lassen, ist bekannt. Klar ist demzufolge auch: Fränkisch und Bairisch sind nicht dasselbe! Da hört es aber nicht auf. Denn das Fränkische gibt es gar nicht – hier werfen wir einen Blick auf die vielfältigen fränkischen Sprachen und Mundarten.

Ganz schön kompliziert

Wer sich mit Sprachen und Dialekten beschäftigt, weiß, dass sie manchmal nicht so einfach einzuordnen sind. Erstens ist es oft keine sprachwissenschaftliche, sondern eine politische Entscheidung, was als eigenständige Sprache und was als Dialekt klassifiziert wird. Außerdem machen Dialekte nicht an Grenzen – sowohl innen- als auch außenpolitischen – halt. Dem entgegengesetzt gibt es innerhalb eines vermeintlich einheitlichen Sprachgebiets häufig eine Vielfalt an Mundarten, die von außen kaum wahrnehmbar ist. Und zusätzlich dazu verschwindet in vielen Gegenden der Dialekt und macht einer Standardsprache Platz. Hinzu kommt, dass bestimmte Begriffe in der Umgangssprache und in der Sprachwissenschaft anders verwendet werden. Als Beispiel könnte der Begriff Hochdeutsch genannt werden, der umgangssprachlich die Standardsprache und im sprachwissenschaftlichen Kontext oberdeutsche Dialekte meint. Manchmal sind Begriffe auch mehrfach belegt, so wie beispielsweise beim Sächsischen, welches sowohl das Niedersächsische im alten Siedlungsgebiet der Sachsen in Norddeutschland als auch das Obersächsische im heutigen Sachsen bezeichnet.

All diese Probleme spielen zusammen, wenn wir Fränkisch betrachten. Intuitiv wollen wir es natürlich nach Franken stecken, das Stück Land in der Ecke Bayerns. Fränkisch klingt für Außenstehende ähnlich wie Bairisch: Gegrüßt wird mit Grüß Gott, der Dialekt hat ein gerolltes [r] – das war’s … oder?

Mit einer Einleitung wie dieser wird gewitzten Lesenden natürlich klar sein, dass der Begriff Fränkisch in Wirklichkeit viel komplizierter ist. Schauen wir also einmal genauer hin.

Sind es fränkische Dialekte oder fränkische Sprachen?

Als fränkische Sprachen bezeichnet man einerseits die westgermanischen Sprachen und Dialekte, die von dem Volksstamm der Franken um das dritte Jahrhundert herum gesprochen wurden. Fränkisch bezeichnet allgemein auch die Sprachen und Dialekte, die sich aus den im Norden und Osten des späteren Fränkischen Reichs (fünftes bis neuntes Jahrhundert) gesprochenen fränkischen Mundarten entwickelt haben.

Da wären zum Beispiel die rheinfränkischen und moselfränkischen Dialekte, die im Elsass und in Lothringen gesprochen werden und zu denen auch Luxemburgisch gehört. Auch Niederländisch und Afrikaans, die Amtssprache von Südafrika, sind niederfränkische Sprachen. Fränkische Sprachen sind also weiter verteilt, als man anfangs glauben mag – und mit den hier genannten Sprachen haben wir nur an der Oberfläche gekratzt.

Die Vielfältigkeit der fränkischen Mundarten kommt unter anderem dadurch zustande, dass sich die Sprache verbreitete, bevor sich im deutschen Sprachgebiet ein Lautwandel vollzog. Seit dem sechsten Jahrhundert war nämlich die von Süden her vordringende hochdeutsche (oder auch zweite) Lautverschiebung im Gange. Diese regelmäßige und mehrphasige Art des Sprachwandels zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Aussprache von Lauten mit der Zeit ändert.

  • Durch die Lautverschiebung wurde [p] zu [pf] oder [f]. Beispielsweise wurde das Wort [appel] zu [Apfel], [schip] wurde als [Schiff] ausgesprochen.
  • Der Konsonant [t] wandelte sich zu [s] oder [ts]. Sprechende im Norden sagen bis heute weiterhin [dat], [wat] und [Water] wie vor der Lautverschiebung, während es bei südlicheren Sprechenden [was], [das] und [Wasser] heißt.
  • Der [k]-Laut wurde zum Reibelaut [ch], sodass [ik] zu [ich] und [maken] zu [machen] wurde.

Wie aus den Beispielen erkennbar ist, blieben nördliche Mundarten (Niederdeutsch) von der zweiten Lautverschiebung weitestgehend unberührt, während die südlichen Dialekte (Mittel- und Oberdeutsch) in verschiedenem Ausmaß betroffen waren. Es gibt also fränkische Mundarten in niederdeutschen, mitteldeutschen und oberdeutschen Varianten, da diese Gliederung nach rein lauttechnischen Gesichtspunkten erfolgt. Die Varianten stimmen in anderen Gesichtspunkten, zum Beispiel dem Wortschatz, aber trotzdem noch soweit überein, dass sie als verwandte, fränkische Dialekte angesehen werden.

Fränkisch

Was wird denn nun im heutigen Franken gesprochen? (Spoiler: Es ist vor allem Ostfränkisch)

Dazu kommen die Mundarten im heutigen Franken, also die hoch- beziehungsweise oberfränkischen (nordoberdeutschen) Dialekte. Sie bestehen aus ostfränkischen (umgangssprachlich meist nur als Fränkisch bezeichnet) und süd(rhein)fränkischen Dialekten. Sie werden nicht nur in Franken, sondern auch in angrenzenden Gebieten gesprochen. Die oberfränkischen Mundarten weisen starke alemannische und bairische Einflüsse auf und haben mit diesen teilweise mehr Gemeinsamkeiten als mit den ursprünglichen fränkischen Mundarten.

Das Ostfränkische ist die Summe der Mundarten, die umgangssprachlich schlicht als Fränkisch bezeichnet werden. Es gibt jedoch keinen einheitlichen (ost-)fränkischen Dialekt. Zum Beispiel nennt man ein „Mädchen“ in Nürnberg Madla, in Fürth Madli und in Alfeld bei Hersbruck Meudla – das alles passiert im Umkreis von rund 30 Kilometern.

Wie klingt Ostfränkisch?

Das sind die lautlichen Merkmale des Ostfränkischen, umgangssprachlich verstanden als fränkischer Dialekt:

Das Konsonantensystem des Ostfränkischen ähnelt dem des Standarddeutschen. Einige Besonderheiten gibt es trotzdem.

  • Eines der auffälligsten Merkmale ist das gerollte, „amerikanisch“ klingende [r]. Dieses ist ein markantes Merkmal, das Sprechende des Ostfränkischen oft auch im Standarddeutschen verwenden und so ihre fränkischen Wurzeln zu erkennen geben. Teilweise wird aber auch das „normale“ deutsche (gegurgelte) [r] verwendet. Im Silbenauslaut nach Vokalen wird das [r] oft zu ​einem [a]​ vokalisiert, wie es zum Beispiel auch im Berliner Metrolekt passiert. Bier wird also in etwa [Bia] ausgesprochen. Manchmal wird das [r] im Ostfränkischen gar nicht ausgesprochen.
  • Ähnlich wie im sächsischen Dialekt werden bestimmte Konsonanten weicher ausgesprochen: [t] wird zu [d], [k] zu [g] und [p] zu [b].
  • In vielen Dialekten werden [g] und [b] zwischen Vokalen zu Reibelauten. Zum Beispiel wird „Vogel“ als [Vochel] und „Gabel“ als [Gawel] ausgesprochen. Für [g] passiert das auch im Auslaut, sodass „Berg“ als [Berch] ausgesprochen wird.
  • Der Konsonant [ch] verschwindet teilweise am Wortende, so wird zum Beispiel „endlich“ zu [endli] und das Personalpronomen „ich“ zu [i].

Es gibt kaum ein Merkmal, bei dem ostfränkische Dialekte sich so stark unterscheiden wie in ihrem Vokalsystem. Darum werden wir es hier nicht näher betrachten.

Die Grammatik des Fränkischen

Das Ostfränkische teilt einige Merkmale mit den anderen oberdeutschen Dialekten:

  • Beim Perfekt von stehen, sitzen und liegen wird als Hilfsverb sein (statt haben) verwendet. Es heißt also: Ich bin gestanden, Ich bin gesessen und Ich bin gelegen.
  • Der Genitiv ist verschwunden. Stattdessen wird – wie im Rest von Deutschland auch – der Dativ verwendet.
  • Das Wort wo wird als Relativpronomen gebraucht und kann mit der, die und das ergänzt werden: Die Frau, (die) wo ich kenn […]
  • Die Vorsilbe ge- beim Partizip Perfekt wird zu g- verkürzt. Zum Beispiel wird gesagt zu gsagt. Vor bestimmten, sogenannten plosiven Lauten (also Konsonanten, bei denen ein kurzer Luftstrom explosiv den Laut erzeugt) wird die Vorsilbe komplett reduziert. Zum Beispiel wird gekommen zu kommen.
  • Nomen werden in den ostfränkischen Mundarten nicht mit -chen verkleinert, sondern mit -lein oder ähnlichen Varianten.

Einige grammatische Eigenheiten beschränken sich auf das Ostfränkische:

  • Der fränkische Infinitiv (die ungebeugte Verbform) endet in Unterfranken und im Hohenlohischen überwiegend auf -e (hoffe, mache), in Ober- und Mittelfranken auf -n (hoff’n, mach’n). Einige Dialekte des Ostfränkischen (Schweinfurt, Würzburg) geben feststehende Infinitivendungen komplett auf: schlafen wird zu schlaf, kritisieren wird zu kritisier.
  • Der Trend zur Reduzierung geht bei den Beugungsendungen weiter: gegessen wird zu gegess oder gessn. In einigen Fällen hat das Partizip Perfekt eine komplett andere Form als im Standarddeutschen: Statt gewusst heißt es gwisst, statt gedacht denkt.
  • Der Dativ ersetzt in den ostfränkische Dialekten nicht nur den Genitiv, er springt auch oft für den Akkusativ ein: Zum Beispiel wird ohne mich zu ohne mir, für dich zu für dir.

Und dann wäre da noch Französisch … ist das auch Fränkisch?

Nun, da wir geklärt hätten, wo Fränkisch gesprochen wird, was man in Franken spricht und wie das klingt, bleibt nur noch eine Frage zu klären: Sind Fränkisch und Französisch verwandt? Die Antwort ist: Nur entfernt, Französisch ist kein fränkischer Dialekt. Die Ähnlichkeit der Namen ist dadurch zu erklären, dass der westfränkische Teil des Frankenvolks (der sich im heutigen Frankreich und Wallonien niederließ) am Namen frencisk (fränkisch) festhielt, obwohl sie die galloromanische Sprache übernommen hatten – und den galloromanischen Sprachen widmen wir uns jetzt lieber nicht, damit würden wir nämlich noch ein ganz anderes Fass aufmachen …

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Katrin Sperling

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.