Welcher Dialekt wird in Potsdam gesprochen – ist es der Berliner Dialekt?

Die Landeshauptstadt Brandenburgs liegt im Berliner Ballungsraum – heißt das, dass die meisten Potsdamer Berlinisch sprechen?
Potsdam Dialekt

Die sprachliche Beziehung zwischen Potsdam und Berlin ist illustriert von Sheree Domingo

Als gebürtige Potsdamerin darf ich sagen, dass viele Potsdamer nicht gerne im Berliner Schatten stehen. Schließlich ist Potsdam die Landeshauptstadt Brandenburgs und als ehemalige Residenz der preußischen Könige ein wunderschönes Touristenziel. Die Hauptstadt Brandenburgs wurde stolze 251 Jahre vor Berlin das erste mal urkundlich erwähnt: In einer Schenkungsurkunde am 3. Juli 993 vermachte Kaiser Otto III, Regent über das Heilige Römische Reich, das Gebiet um Potsdam dem Stift Quedlinburg. Potsdam wird hier Poztupimi genannt. Ein weiteres historisches Denkmal ist das Studio Babelsberg in der gleichnamigen Potsdamer Nachbarschaft. Babelsberg ist das älteste Großatelier-Filmstudio der Welt sowie das größte Filmstudio Europas. Hier werden seit 1912 weltbekannte Filme wie Metropolis, Das Bourne Ultimatum, Inglourious Basterds, Cloud Atlas und Grand Budapest Hotel produziert.

Es lässt sich aber auch nicht leugnen, dass Potsdam mit etwa 175.000 Einwohnern, verglichen mit dem Berliner Ballungsraum von etwa 4,5 Millionen Einwohnern, etwas karg abschneidet. Berlinisch (unter Nicht-Sprachwissenschaftlern eher als Berlinerisch bekannt) hat einen großen Einfluss auf die Sprache der Potsdamer – oder ist es anders herum?

Die Stadt und ihr Dialekt: Berlinern die Potsdamer oder Brandenburgern die Berliner?

Mit dem Berliner Dialekt ist es nicht ganz so einfach. Erstens ist er sprachwissenschaftlich nämlich gar kein Dialekt, sondern ein sogenannter Metrolekt, also eine Stadtsprache, die in einem großstädtischen Zentrum aus einer Mischung unterschiedlicher Mundarten entstanden ist. In dieser Mischung ist auch der Dialekt der Mark Brandenburg – und damit Potsdam – vertreten. Es gibt also ein Henne-Ei-Problem bezüglich des Berliner und Potsdamer Dialekts. Zudem wandelt sich der Berliner Metrolekt – wie alle lebendigen Sprachvarianten – beständig und erlangt durch verschiedene Wellen an Zugezogenen immer wieder neue Färbungen. Aber auch in einer Momentaufnahme sprachen und sprechen natürlich nicht alle Berliner gleich. Bei den höheren Klassen gab es schon früh einen Druck zur Verwendung des Hochdeutschen, wenn überhaupt Deutsch und nicht Französisch gesprochen wurde. Die Sprache der höheren Klassen griff auch auf die Umgangssprache der Bediensteten, Arbeiter und Mägde über.

Außerdem hat sich die Stadt Berlin seit 1920 verändert: Die äußeren Ortsteile der heutigen Metropole waren über Jahrhunderte Teil von Brandenburg ohne intensiven Kontakt zum Berlinischen. Hinzu kommt, dass Berlin über lange Zeit in Ost- und Westdeutschland geteilt war. Während im Westen Standarddeutsch bevorzugt wurde, wurde im Osten das Berlinische in allen Klassen als Sprache des Volks akzeptiert und sogar von Politikern gezielt eingesetzt. In der heutigen Zeit gibt es wieder einen Trend zum Standarddeutschen.

Trotz dieser geopolitischen und sozialen Wandlungen lässt sich schon seit dem 19. Jahrhundert die immer größer werdende Bedeutung Berlins und ihres Metrolekts darin beobachten, wie die Sprache der Metropole in das Berliner Umland ausstrahlte – erst als Verkehrssprache neben den angestammten Dialekten, dann als einzige Umgangssprache. Dieser Dialektwechsel dauert bislang an. Die Frage, ob die Potsdamer nun Berlinern oder die Berliner Brandenburgern, können wir also mit einem ganz klaren „Naja, irgendwie beides“ beantworten.

Berlinisch oder nicht – wie wird in Potsdam denn nun gesprochen?

Die Potsdamer Aussprache

Bezüglich der Aussprache orientieren sich viele Potsdamer stark am Standarddeutschen – hin und wieder lassen sich aber Aussprachemuster und dialektale Wörter heraushören, die sonst aus Berlin bekannt sind. Wie viele und wie oft sie verwendet werden, hängt nicht nur vom Sprecher, sondern auch von der Situation ab. Mir wurde zum Beispiel bereits „vorgeworfen“, dass ich nicht aus Potsdam bin, weil ich mich recht nah am Standarddeutschen orientiere. Besonders beim Witzeln kommt aber auch bei mir ein Dialekt durch, der sehr stark nach Berlin und Potsdam klingt.

Das Potsdamer Vokabular

Wie bei der Aussprache gibt es für Berliner beim Potsdamer Vokabular kaum Überraschungen. Wir essen genauso Buletten (Frikadellen, Fleischbällchen), Schrippen (Brötchen), Stullen (belegte Brotscheiben) und holen uns beim „Dönermann“ Broiler (Brathähnchen) wie es die (Ost-)Berliner tun. Und wie wäre es zum Nachtisch mit Pfannkuchen (in Fett gebackener Hefeteig mit süßer Füllung, anderswo als Berliner oder Krapfen bekannt)? Besser nicht, denn zum Mittag gab es schon Eierkuchen (die Eispeise aus Milch, Eiern und Zucker, die anderswo Pfannkuchen, Plinsen oder Palatschinken genannt wird). Die Verwendung von Vokabular, das für Berlin typisch ist, ist nicht kulinarisch beschränkt.

Sprachliche Besonderheiten der Potsdamer

  • In Potsdam wird die Uhrzeit mit viertel, halb und dreiviertel jeweils auf die zugehende Stunde angegeben. 9:15 Uhr ist also viertel zehn, 9:30 Uhr ist halb zehn, 9:45 Uhr ist dreiviertel zehn.
  • Die Potsdamer „Höflichkeit“ ist mit der Berliner Schnauze zu vergleichen: schroff und teilweise brutal ehrlich. Aber keine Angst, nette Potsdamer gibt es. Und einen Besuch ist die Stadt auf jeden Fall wert!
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