Egal wo, Englisch hört man fast überall auf der Welt. Das heißt aber nicht, dass die Sprache auch überall gleich klingt. Die vielen unterschiedlichen Regionen weltweit, in denen Englisch gesprochen wird, haben unzählige verschiedene englische Dialekte und Akzente hervorgebracht. Aber auch gerade im Ursprungsland der Sprache koexistieren viele Dialekte komprimiert auf kleinstem Raum. Du musst also nicht bis nach Australien reisen, um die große Varietät der englischen Sprache kennenzulernen – dafür eignet sich ein Besuch in England bereits bestens. Wir machen es dir aber noch einfacher: Für deine Expedition in die englischen Mundarten musst du nicht einmal das Haus verlassen. Lass dich einfach auf die Couch fallen. Wir geben dir fünf Empfehlungen für einen bunten Serienmarathon der englischen Dialekte: von The Crown bis Peaky Blinders.
Beim Lernen einer neuen Sprache kann es gerade am Anfang schwer fallen, sich verschiedene Aussprachen von Wörtern anzueignen – auch im Englischen. Im Gespräch mit Muttersprachlern*innen ist es dann beispielsweise oft der verräterische „th”-Laut, der es einem nicht leicht macht, die deutschen Wurzeln vor dem Gegenüber zu verheimlichen. Wer eine Sprache neu lernt, übernimmt nämlich häufig die Intonation und Lautbildung der eigenen Muttersprache. Menschen mit einer anderen Erstsprache klingen also eher weniger Britisch, und besonders wir Deutschen haben eher eine härtere Aussprache.
Ready, steady, go!
Das Englisch, was uns im Sprachunterricht gelehrt wird, ist außerdem eher an der amerikanischen als an der britischen Variante angelehnt. Diese gelehrte Form des Englischen wird auch als internationales Englisch bezeichnet. Unterschiede zwischen den Formen können zum Beispiel verschiedene Wörter für ein und dieselbe Sache sein: Fritten heißen in Amerika french fries, während Menschen in England sie chips nennen. Aber eben auch die Aussprache kann sich unterscheiden oder die Schreibweise einzelner Wörter variieren: grey ist das britische Wort für „grau“, gray wiederum das amerikanische.
„Okay”, magst du vielleicht jetzt sagen. Zwischen dem Vereinigten Königreich und Übersee liegen durchaus ein paar Tausend Kilometer. Nachvollziehbar, dass sich die Sprache unterschiedlich entwickelt hat. Allerdings sind Dialekte und Variationen in der Sprache nicht zwingend geografisch so weit voneinander entfernt: Es gibt dutzende, sehr eigenartige Dialekte allein in England. Dabei charakterisieren besonders bestimmte Betonungen einzelner Wörter oder Wortbestandteile die Spracheigenschaften der verschiedenen Grafschaften.
Bevor wir nun endlich auf den virtuellen Play-Button drücken können, klären wir noch einmal kurz den Unterschied zwischen einem Akzent und einem Dialekt (auch Mundart genannt): Letzterer ist die Variation einer Hauptsprache (wie es beispielsweise Bairisch in Deutschland ist). Bei dieser Form kannst du Unterschiede in Grammatik, Aussprache und auch im Vokabular ausmachen. Ein Akzent wiederum bezieht sich primär auf die Aussprache einer Sprache. Wenn Deutsche also mit dem „th”-Laut zu kämpfen haben, könnte das gesprochene Resultat auch als deutscher Akzent verstanden werden.
Doch genug der Theorie – begeben wir uns in die Welt der englischen Dialekte in folgenden Serien.
1. The Crown: Monarchy and Chill
Was könnte England wohl besser symbolisieren als die Queen? Das war offensichtlich eine rhetorische Frage. Geschichten rund um die Königsfamilie sind in England omnipräsent. Das Königliche wird dabei aber nicht nur durch die streng befolgte Etikette erst richtig royal, auch die eigene, formelle Version des Britischen trägt dazu bei. Kein Wunder also, wenn diese Erzählungen auch in Serien aufgegriffen werden – zum Beispiel in der Serie The Crown, die seit 2016 auf Netflix zu sehen ist. Hier kannst du das Leben der jungen Queen Elisabeth II aus der ersten Reihe verfolgen und den fiktiven Unterhaltungen in den königlichen Gefilden lauschen.
Der Dialekt, der der Aussprache der Queen oder den vieler anderer Royals am nächsten kommt, wird Received Pronunciation (R.P.) genannt. Es ist schwer, diesen einer einzelnen Region zuzuordnen. Er wird oft auch einfach von der sogenannten Oberschicht bewusst adaptiert. Das hat dem Dialekt auch zu dem eher abwertend verwendeten Beinamen posh („feudal“, „nobel“) verholfen.
In The Crown fällt aber auch auf, dass die Queen eine sehr eigene Aussprache von thank you („Danke”) hat. Es hört sich eher an wie „thenk yu“. Die Macher der Show sagen dazu, dass Claire Foy als Darstellerin der jungen Queen Elisabeth II erst einmal üben musste, die Lippen, gemäß dem Vorbild, beim Reden möglichst wenig zu bewegen. Well. Das war aber noch nicht alles. In diesem englischen Akzent werden manche Vokale außerdem besonders stark betont. Dazu zählt zum Beispiel das „a”, was wie „ah“ ausgesprochen wird. Dazu passt das Beispiel father („Vater“). Auch das „o“ wird verändert und klingt eher nach „ohw“ – wie in snow („Schnee“).
Wenn man den Akzent doch versucht bestimmten Regionen zuzuweisen, findest du ihn vor allem im Süden Englands. Dazu zählen Grafschaften wie Berkshire, Buckinghamshire, Hertfordshire, Kent, Surrey oder Sussex.
2. Little Britain: Kleine Leute, große Komik
Außerhalb des Buckingham Palace werden andere Geschichten geschrieben. Geschichten, die auch mit ganz anderen Dialekten daherkommen. Ein Meisterwerk der britischen Komödie ist hier Little Britain, das in vielen Sketchen den englischen „kleinen Mann“ karikiert. Aber natürlich auch die „kleine Frau“: Mit der Figur Vicky Pollard findet ein ganz anderer Akzent Einzug in die Sketch-Reihe. Wer wie Vicky „Chav“ spricht, wird in der Regel der Jugend der sogenannten Unterschicht zugeordnet.
Damit einher gehen Vorurteile über einen prolligen Kleidungsstil, geringen Bildungsgrad, ein asoziales Verhalten und stetiger Aggressivität. Dementsprechend kritisch sollte der Akzent im eigenen Sprachgebrauch hinterfragt werden, auch weil „Chav“ oft abwertend als Beleidigung verwendet wird.
Wie aber hört sich „Chav“ an? Wer mit diesem Akzent spricht, betont besonders die Vokale beim Reden. Dazu verstummt des Öfteren das „t“ am Ende eines Wortes. Bath („Bad“) wird als „baff“ ausgesprochen oder ganz eigene Wörter ersetzen wiederum andere: Wicked ersetzt good („gut”) und minging ist ein Synonym für ugly („hässlich“).
Die in den Sketchen verwendeten Mundarten setzen der jeweiligen Charakterzeichnung der Figuren öfter das gewisse i-Tüpfelchen auf. Wenn wir uns zwei weitere Figuren der Sketch-Serie anschauen, Lou Todd und Andy Pipkin, lernen wir mit ihnen noch einmal zwei andere Dialekte kennen:
Lou spricht mit dem englischen Dialekt namens Cockney. Geografisch lässt sich dieser am ehesten auf den Londoner Osten eingrenzen, wird aber häufig auch einfach als Akzent der gesamten Hauptstadt klassifiziert. Wie bei vielen englischen Akzenten ist das „r” am Ende eines Wortes stumm. Das englische Wort brother („Bruder”) wird hier als „brothah“ und das Wort car („Auto”) wird zu „cah“.
Achtung! Deutsche Muttersprachler*innen könnten eine zweite Eigenart dieses Akzents lieben: Der „th”-Laut wird mit dem Cockney-Akzent oft zu einem „f” beziehugsweise „v.” Das Wort think („denken“) wird also eher wie „fink“ ausgesprochen.
Lous Wegbegleiter Andy wiederum spricht mit dem Scouse-Akzent. Gesprochen wird dieser etwas weiter im Norden des Landes: in Liverpool. Das Gebiet lässt sich auch auf Merseyside in der Region North West England eingrenzen. Bei diesem Akzent werden beispielsweise Wörter, die mit „t“ beginnen mit einer Eigenart ausgesprochen. Das „t“ wird eher zu einem „ts“: tree („Baum“) wird wie „tsree“ ausgesprochen und town („Stadt“) wie „tsown“. Dazu gibt es noch ganz eigene Wörter, die im Dialekt Verwendung finden: Ein bevvie ist ein (alkoholisches) Getränk.
3. Misfits: Mach dein Sprachverstehen zu deiner ganz persönlichen Superkraft
Wenn du vielleicht schon einmal über eine Episode der Serie Misfits gestolpert bist, kennst du vielleicht das Problem: Neben unterschiedlichen britischen Akzenten der Filmcharaktere ist es besonders schwer, den Dialekt des fiktiven Charakters Kelly Bailey auf Anhieb zu verstehen. In der Serie entdecken mehrere Jugendliche, dass sie übernatürliche Kräfte besitzen. Es dauert nicht lange, bis sich Dramen zwischen Gut und Böse abspielen. Zwischendrin: Kelly.
Die Schauspielerin Lauren Socha kommt aus der englischen Stadt Derby in den East Midlands und diesen Dialekt verwendet sie auch beim Spielen des Charakters. Im Derbyshire-Akzent wird zum Beispiel Ay up als Begrüßung verwendet, clobber ist ein Synonym für clothes („Kleidung“) und dirty („dreckig”) wird wie „dotty“ ausgesprochen. Befragt man das Serien-Publikum, so sagen einige allerdings auch, dass ebenso Charakteristika des überregionalen und etwas umstrittenen „Chav“-Akzents zu erkennen sind.
4. Skins: Noch einmal jung sein – Aufwachsen in Südengland
Neben den Dialekten, die über breite Regionen zu finden sind, gibt es auch welche, die vor allem in einer einzigen Stadt gesprochen werden. Der Akzent aus Bristol gehört dazu. In der Kultserie Skins, die genau dort spielt, kannst du ihn dir ganz genau anhören.
Die sieben Staffeln setzen jeweils einen neuen Charakter einer Gruppe von Teenagern in den Fokus – verbunden mit teils kontroversen Themen als Mischung aus Drama und Komödie. Der Bristol-Akzent zählt zu der Gruppe an Dialekten, die in West Country gesprochen wird. Diese Gruppe schließt auch Grafschaften wie Gloucestershire, Dorset, Somerset, Devon und Cornwall mit ein. Hier klingt der Buchstabe „r“ beim Sprechen sehr weich und wird dabei häufig gerollt – fast ein bisschen wie im Spanischen. Ansonsten ähnelt die Aussprache aber eher der amerikanischen. Das lassen sich die Menschen aus Bristol aber wohl nicht so gerne sagen.
5. Peaky Blinders: Und plötzlich reden alle über Birmingham …
Die Stadt, deren Hochkonjunktur mit der industriellen Revolution offenkundig schon etwas zurückliegt, war in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten. Zumindest geriet sie selten in den Fokus von Film und Fernsehen – und das obwohl es die zweitgrößte Stadt Englands ist. Das hat sich mittlerweile etwas geändert: Birmingham ist wortwörtlich in aller Munde. Mit der steigenden Beliebtheit der Dramaserie Peaky Blinders wächst auch wieder das Interesse an der Industriestadt und dem markanten Dialekt der Region. Dieser Dialekt wird „Brummie“ (oder auch „Brummagem“ und „Bromwichham“) genannt und gehört zur Region West Midlands.
Die Briten empfinden diese Art zu sprechen übrigens als sehr unattraktiv. Dieser raue Dialekt passt aber genau zum groben Leben der 1920er. Zu dieser Zeit spielt die Geschichte und das größtenteils in Birmingham. In diesem Setting spricht die Gangsterbande rund um die Hauptfigur Thomas „Tommy“ Shelby beispielsweise den Vokal „i“ eher wie „oy“ aus. I like it („ich mag es”) wird also zu „oy loyk it“. Aber auch das „t“ am Ende eines Wortes fällt oft weg: What („was”) wird so zu „wha“. Außerdem wird „o“ zu „ouw“. Hello („hallo“) wird so „helouw“ ausgesprochen. Außerdem wird hier und da mal ein „r“ gerollt.
Nachdem du alle Episoden abgehakt und entsprechend verinnerlicht hast, könnte dir bei einem Besuch der Stadt außerdem auffallen, dass es sogar noch Unterschiede im Dialekt innerhalb Birminghams gibt. Vielleicht wird dir aber auch nur etwas mulmig, wenn dir jemand mit Schiebermütze (einer peaked cap) in einer der dortigen Ziegelstein-Gassen entgegenkommt.
Auf die Playlist, fertig, los
Wie diese Auswahl an Serien hier zeigt, bedarf es schon etwas Fleiß die unterschiedlichen Dialekte und Akzente zuordnen zu können. Wiederum noch etwas mehr davon, sie auch selbst zu sprechen. Mit jeder geschauten Episode sollte es dir aber etwas leichter fallen. Also: Binge Watching und Tee trinken?