Beim Thema britisches Englisch fallen den meisten wahrscheinlich die Queen oder Harry Potter ein. Tatsächlich spricht die Mehrheit der Briten aber – Überraschung! – nicht wie die Queen. Ihr Akzent, Received Pronunciation, ist komplett erfunden und seine ominösen Anfänge sind eine andere Geschichte. Viel mehr Briten sprechen Scouse, Cockney, Geordie oder sogar Wenglish – es gibt eine unglaubliche Vielfalt britischer Mundarten. Jeder Akzent reflektiert die Geschichte der Gegend, aus der er stammt, und ist fest mit Regionalstolz verbunden. Deinem Schulenglisch ein bisschen regionale Farbe zu verleihen ist eine schöne Art, auf Reisen nicht ganz so sehr als Tourist herüberzukommen und deine englischen Freunde zu beeindrucken! Warum solltest du good sagen, wenn du dich stattdessen an gert lush (West Country) oder canny (Geordie) bedienen kannst? Wir wollen dir in diesem Artikel sieben englische Akzente etwas näherbringen. Und da wir alle britischen Familien mögen – royal families genauso wie fiktionale und Sprachfamilien – stellen wir uns die auf dieser kleinen Insel beheimateten Akzente als Mitglieder einer großen Familie vor …
Schottisch und Walisisch – eine keltische Ehe
Sprich schottisches Englisch, wenn du klingen willst wie: Sean Connery
Sprich walisisches Englisch, wenn du klingen willst wie: Tom Jones
Schottisches und walisisches Englisch wurden von den keltischen Sprachen Walisisch, Gälisch und Schottisch beeinflusst. Viele phonologische und lexikale Eigenschaften der keltischen Sprachen bleiben im walisischen und schottischen Akzent erhalten, zum Beispiel das leichte Trillern des [r]-Lautes – eine Eigenschaft, die das britische Standardenglisch nicht aufweist.
Lexikalisch gesehen haben Walisisch und Schottisch jedoch einige Unterschiede. Es sieht also so aus, als ob Schottisch und Walisisch vor einiger Zeit einmal eine glückliche keltische Ehe führten, sich dann aber voneinander entfremdet haben – vielleicht aufgrund der Geografie und dem konstanten Einfluss von umliegenden Akzenten.
West Country Accent
Sprich West-Country-Englisch, wenn du klingen willst wie: Ein Pirat! Der Schauspieler Robert Newton, der in Piratenfilmen wie Die Schatzinsel (1950) Berühmtheit erlangte, übertrieb seinen einheimischen Akzent in seinen Rollen etwas und rief damit den stereotypen Piratenakzent ins Leben.
Als West Country bezeichnet man eine große Region im Südwesten Englands, die an Wales grenzt. Aufgrund geografischer Nähe und einem sozialen Austausch zwischen Wales und West Country haben sich die Akzente gegenseitig stark beeinflusst. Das ist zum Beispiel an der Sprachmelodie erkennbar: Im walisischen Englisch werden alle Silben des Wortes gleich betont, und das trifft auch auf West-Country-Englisch zu, wenn auch in einem geringeren Ausmaß. Wenn wir bei unserer Familienmetapher bleiben, hat Walisisch also noch einmal geheiratet, und zwar West Country. Und: Überraschung! Sie haben ein Kind zusammen: Scouse!
Scouse
Sprich Scouse, wenn du klingen willst wie: Die Beatles
Das Kind von West Country und Walisisch ist der Akzent aus Liverpool, einer berühmten Industriehafenstadt in Nordwestengland. Wales liegt relativ nahe an Liverpool, aber beim Blick auf die Landkarte stellt sich schnell die Frage, wie der im Süden verbreitete West-Country-Akzent den nördlichen Scouse-Akzent beeinflussen konnte. Nun: Im 19. Jahrhundert gingen die unterschiedlichsten europäischen Seemänner in Liverpool aus und ein – und zu dieser Zeit formte sich der Scouse-Akzent. Viele dieser Seemänner waren aus der West-Country-Region, das eine starke Tradition des Segelns und der Fischerei hat. Stell dir den West-Country-Akzent also als Scouses exotischen Seemannsvater vor – oft für lange Zeit weg, aber wenn er wieder im Heimathafen eingelaufen ist und Mama Walisisch begrüßt hat, erzählt er dem kleinen Scouse Seemannsgarn von Abenteuern und fremden Welten.
Yorkshire Akzent
Sprich den Yorkshire-Akzent, wenn du klingen willst wie: Sean Bean und Patrick Steward
Wir wissen also schon, dass Walisisch nach ihrer Scheidung noch einmal geheiratet hat. Aber was ist mit Schottisch? Nun, Schottisch hat auch noch mal sein Glück gefunden: mit Yorkshire! Obwohl ein ganzes Stückchen zwischen Yorkshire und Schottland liegt, gibt es wegen des sprachlichen Kontakts zwischen Schottisch und Standardenglisch in den Lowlands nahe der schottisch-englischen Grenze einige lautliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden. So findet sich in beiden Akzenten ein [a]-Laut, der deutlich kürzer als in Südengland ausgesprochen wird.
Geordie-Akzent
Sprich Geordie, wenn du klingen willst wie: Brian Johnson (von ACDC, vorher passenderweise Gründungsmitglied der Band Geordie)
In unserer königlichen Familie der Akzente haben Schottisch und Yorkshire ebenfalls ein Kind: Geordie! Geordie wird in Newcastle im Nordosten Englands gesprochen, also genau zwischen den Gegenden, wo der Yorkshire-Akzent und der schottische Akzent zu finden sind. Geordie ist schon etwas älter und hat damit noch viel von seinen Großeltern mitbekommen, die ihn deutlich beeinflusst haben: Die Angeln – die frühen Siedler der dänischen Halbinsel, die für das Angel in Angelsächsisch verantwortlich sind. Dank der Angeln können viele Geordie-Wörter mit modernen dänischen Wörtern in Verbindung gebracht werden: So heißt eine „Scheune“ auf Standardenglisch barn und auf Geordie und Dänisch bairn.
Übrigens ist der Begriff Geordie trotz altehrwürdiger Vorfahren relativ modern. Kohleabbau war die Hauptindustrie im Nordosten, und die Bergarbeiter aus Newcastle waren für ihren besonderen Akzent bekannt. Da George bei Weitem der beliebteste männliche Vorname in diesem Gebiet war, wurde Geordie nach den Männern, die es sprachen, benannt.
Cockney
Sprich Cockney, wenn du klingen willst wie: Michael Cain und Jason Statham
Um es noch mal zusammenzufassen: Walisisch und Schottisch waren verheiratet und haben sich dann getrennt. Walisisch heiratete West Country und sie hatten ein Kind, Scouse. Schottisch fand sein neues Glück mit Yorkshire und auch sie hatten ein Kind, Geordie. Kommen wir nun zum Onkel der Akzentfamilie: Cockney. Cockney arbeitet als reisender Vertreter, kommt jedes Jahr an Weihnachten zu Besuch, ist den Rest des Jahres nicht erreichbar und ist eigentlich gar kein biologischer Onkel. Er war irgendwie immer so da und darum nennen ihn die Kinder „Onkel“.
Die vielleicht markanteste Eigenschaft des Cockney-Dialekts, Cockney Rhyming Slang, ist eher eine Art zu reden als ein Dialekt oder Akzent. Ursprünglich wurde er als Geheimsprache und zur Verwirrung entwickelt: Das Wort, das ausgedrückt werden soll, wird durch einen mehrteiligen Ausdruck ersetzt, der sich auf das ursprüngliche Wort reimt. In vielen Fällen wird sogar nur der erste Teil des Reimbegriffs verwendet (der eigentliche Reim wird also fallen gelassen), wodurch Uneingeweihte den Sinn kaum noch erraten können. Das klingt kompliziert, wird aber mit einem Beispiel schnell klarer. Wenn dir ein Cockney sagt: „Use yer loaf!“, dann heißt das: „Benutz deinen Kopf!“ – denn head („Kopf“) reimt sich auf loaf of bread („ein Laib Brot“). Statt Use yer head reimt man Use yer loaf of bread. Von Use yer loaf of bread wird der eigentliche Reim fallen gelassen und übrig bleibt: „Use yer loaf!“ Zugegeben, man muss schon ein wenig den Kopf (oder Brotlaib) benutzen, um hinter diesen Slang zu steigen.
Obwohl er sich etwas losgelöst von den anderen Akzenten entwickelt hat, ist Cockney synonym mit den Menschen aus East London geworden und ein besonderes Symbol ihrer Zusammengehörigkeit. Er wird folglich gern als ehrenhafter Onkel der Akzentfamilie aufgenommen!
Also denk dran: Das Englisch der Queen ist nur einer der wunderbar vielfältigen Akzente, die auf den britischen Inseln zu finden sind! Lern doch mal ein paar Wörter aus den verschiedenen Dialekten – vielleicht kannst du bei deinem nächsten Besuch in England jemanden davon überzeugen, dass du aus Schottland kommst!