So denken wir Deutschen wirklich über unseren Akzent

Eine der größten Hürden beim Sprachenlernen ist die Angst, mit Akzent zu sprechen. Wir haben eine Umfrage mit 1000 deutschen Teilnehmern in Auftrag gegeben, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.

Wir alle arbeiten beim Sprachenlernen auf diesen einen Moment hin. Wir pauken Vokabeln, wiederholen Verbtabellen und prägen uns das Geschlecht unzähliger Nomen ein. Und dann ist er gekommen, der Moment, an dem wir unser erstes Gespräch in einer neuen Sprache führen. Eigentlich sollte das ein Meilenstein sein, auf den wir gespannt hinfiebern und auf den wir stolz zurückblicken können. Viel zu oft ist er aber mit negativen Gefühlen verbunden. Bekommen wir über die Lippen, was wir sagen möchten? Und werden wir dabei verstanden? Wie klingen wir in der neuen Sprache? Anstatt es einfach auszuprobieren, schämen sich manche sogar so sehr, dass sie das Sprachenlernen lieber ganz sein lassen. Ist es vielleicht ein starker Akzent, der uns zurückhält? Steht er uns so sehr beim Sprechen im Weg, dass wir das Sprachenlernen gar nicht erst anfangen? Es ist nicht ganz so einfach: Unsere Forschung hat ergeben, dass unser Akzent uns an sich nicht daran hindert, uns zu verständigen, es ist vielmehr generell die Angst davor, mit Akzent zu sprechen, die uns zurückhält.

1000 Deutsche haben wir gefragt …

Da wir es uns bei Babbel zur Aufgabe gemacht haben, Lernende so schnell wie möglich auf ihr erstes Gespräch in einer neuen Sprache vorzubereiten, haben wir dieses Phänomen genauer untersucht. Dazu haben wir beim Marktforschungsunternehmen Ipsos eine Umfrage in Auftrag gegeben. Ipsos befragte im November 2019 online Personen in acht Ländern (in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Polen, Spanien und den USA). Die Zahl der deutschen Befragten betrug 1000 und über ihre Antworten werden wir im Folgenden Sprechen. Bevor wir die Ergebnisse genauer unter die Lupe nehmen, hier noch ein paar Eckdaten zu den Teilnehmern: 

  • 45 % der deutschen Befragten waren Männer, 55 % Frauen.
  • Die Zielgruppe bestand aus Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren, die zumindest moderates Interesse am Sprachenlernen haben. 36 % der Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung 18 bis 34 Jahre alt, 47 % waren 35 bis 54 Jahre alt und 16 % waren 55 bis 65 Jahre alt.
  • 90 % der Befragten gaben Deutsch als Erstsprache an. 
  • 76 % lebten zum Zeitpunkt der Befragung in urbanen Gebieten, 15 % in sub-urbanen, 9 % in ländlichen Gebieten.
  • Kaum überraschend war Englisch die am häufigsten gesprochene Fremdsprache (89%) unter den deutschen Befragten.

Die negativen Gefühle überwiegen

47 % der Befragten haben negative Gefühle, wenn sie eine Sprache mit Akzent sprechen. Ein Drittel (33 %) hat sogar Angst davor und 35 % der Deutschen wollen ihren Akzent loswerden, wenn sie eine andere Sprache sprechen.

Im Gegensatz dazu sind nur 14 % der Teilnehmer selbstsicher, wenn sie eine neue Sprache sprechen, und nur schlappe 13 % der deutschen Befragten sind stolz auf ihren Akzent.

Sprachen im Beruf

Der Mangel an Selbstsicherheit der Deutschen könnte sich auch negativ auf ihre Karriere auswirken – immerhin stimmten 81 % der Befragten zu, dass zusätzliche Sprachen, selbst mit einem starken Akzent gesprochen, einen Karrierevorteil bieten. Dabei kommt es nicht unbedingt darauf an, ob diese Sprache weit verbreitet ist und somit scheinbar einen direkteren finanziellen Nutzen bringt – weniger häufig gesprochene Sprachen können einen Nischenvorteil verschaffen.

Die Deutschen denken, dass Reiseerlebnisse durch Sprachkenntnisse bereichert werden

Ein überraschendes Ergebnis für uns war, dass in Zeiten der Globalisierung 16 % der Befragten angaben, nie in Länder zu reisen, in denen kein Deutsch gesprochen wird. Schade eigentlich, da es gerade in Europa so einfach ist, verschiedene Länder zu bereisen und neue Kulturen kennenzulernen. Wie einfach und schnell ist es heutzutage, in ein Flugzeug zu steigen und Barcelona an einem Tag zu erkunden, einen Wochenendausflug nach London zu unternehmen oder sich in das wunderschöne Krakau zu verlieben?

Mit 91 % positiven Antworten scheinen sich die reisefreudigen Befragten einig zu sein, dass Sprachkenntnisse in der lokalen Sprache – selbst mit Akzent – das Reiseerlebnis verbessern und dass die Einheimischen es wertschätzen, wenn Reisende versuchen, die Sprache zu sprechen. Schon ein paar Sätze in der Lokalsprache können dir also ganz besondere Momente auf Reisen bescheren.

Wie kannst du die Angst vor dem Sprechen mit Akzent ablegen? 

Obwohl 47 % der Befragten angaben, negative Gefühle zu erleben, wenn sie eine neue Sprache mit Akzent sprechen, sagten 85 % auch, dass ein Akzent ein essenzieller Teil der Persönlichkeit sei und dass er ein echtes Markenzeichen sein könne. 78 % stimmten sogar zu, dass ein Akzent etwas sei, auf das man stolz sein könne. 

Du musst nicht gut in Mathe sein oder dich mit statistischen Auswertungen auskennen um zu sehen, dass diese Aussagen im Gegensatz zueinander stehen. Was ist da los mit uns Deutschen? 

Das Problem scheint weniger der Akzent an sich zu sein – wir sehen ihn sogar als Teil der Persönlichkeit, als Markenzeichen an, und nicht als etwas, wofür sich andere schämen müssten. Was uns selbst und unseren eigenen Akzent betrifft, sind wir jedoch übermäßig selbstkritisch:  47 % von uns steht der deutsche Perfektionismus im Weg. Vielleicht ist es an der Zeit, die Sache anders anzugehen …

Ändere deine Sichtweise 

Per Definition ist ein Akzent die Übertragung von Aussprachegewohnheiten in der Erstsprache oder der vorrangig gebrauchten Sprache auf eine später erlernte Sprache. Anders gesagt: Einen Akzent kannst du nur in einer Sprache haben, mit der du dich bewusst beschäftigt hast und in die du aktiv Arbeit investiert hast. Ist das nicht etwas, worauf du stolz sein solltest – ob nun mit oder ohne Akzent? Lass es uns also zur Gewohnheit machen, eine selbstbewusstere Haltung an den Tag zu legen. Das könnte sich zum Beispiel wie folgt anhören:

Verwandle negative Gedanken dieser Art …  … in positive Gedanken dieser Art!
„Ich schäme mich für meinen Akzent.“ „Ich bin stolz darauf, dass ich eine Sprache lerne, die nicht meine Muttersprache ist.“
„Ich kann das nicht.“ „Ich kann das noch nicht. Jetzt weiß ich, wo meine Wissenslücken sind, und ich kann sie füllen.“
„Dieser Muttersprachler oder diese Muttersprachlerin ist bestimmt genervt, weil ich langsam, grammatikalisch inkorrekt oder mit Akzent spreche!“ „Diese Person freut sich bestimmt, dass ich versuche, ihre Muttersprache zu lernen und ihrer Kultur Respekt zeige – ich freue mich ja auch, wenn andere Deutsch lernen.“
„Wie peinlich, ich habe einen Fehler gemacht.“ „Aus Fehlern lernt es sich bekanntlich gut! Das nächste Mal weiß ich es jetzt besser. Diesen witzigen Fehler kann ich außerdem super als Eisbrecher und Anekdote verwenden.“
„Ich habe dieses Wort so falsch ausgesprochen, dass mich die andere Person nicht versteht.“ „Keine Panik! Das kann ich auch irgendwie anders sagen. Wenn ich am Ende verstanden werde, ist es nicht schlimm, dass es manchmal ein bisschen länger dauert.“

Augen zu und durch!

Mit dieser selbstbewussten Einstellung kannst du nun unbefangen und motiviert das Lernen einer neuen Sprache anpassen. Schließlich stimmten 91 % der Befragten zu, dass ein Akzent nicht als Ausrede dienen sollte, um gar nicht erst neue Sprachen zu lernen. 77 % sagten außerdem, dass das Selbstvertrauen beim Sprechen einer neuen Sprache (unabhängig vom Akzent) vor allem deshalb fehlt, weil sie die Sprache einfach zu wenig sprechen. Es geht also darum, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Je mehr du sprichst, desto besser wirst du. Ergreife jede Gelegenheit, um deine neue Sprache zu üben und sie dir schließlich ob nun mit starkem, schwachen oder ganz ohne Akzent zu eigen zu machen!

Mit Babbel kannst du so viele Fehler machen, wie nötig, damit du deine Wunschsprache lernen kannst!
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Katrin Sperling

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.