Keltische Sprachen: Ein Familienporträt

Heute hört man die keltischen Sprachen fast nur noch auf den britischen Inseln. Aber es gab Zeiten, da wurden sie überall in Europa gesprochen …

Die Familie der indoeuropäischen (oder indogermanischen) Sprachen ist riesig. Hunderte der weltweit gesprochenen Sprachen haben eine gemeinsame Wurzel: das Proto-Indoeuropäisch. Zu dieser Familie gehören einige der Sprachen mit den meisten Sprechenden weltweit, wie Französisch, Spanisch, Englisch und Hindi. Eine der vielen Unterfamilien der indoeuropäischen Sprachfamilie ist die Familie der keltischen Sprachen. Im Vergleich zu einigen anderen Unterfamilien wie Romanisch, Germanisch und Slawisch ist diese Familie ziemlich klein. Aber sie hat eine jahrtausendealte kulturelle Bedeutung und ist ein wichtiger Teil der sprachlichen Vielfalt auf den britischen Inseln. Lass uns keltische Sprachen kennenlernen!

Was sind die keltischen Sprachen?

Zu den keltischen Sprachen gehören alle Sprachen, die vom Proto-Keltisch, auch Urkeltisch genannt, abstammen. Es gibt zwar keine schriftlichen Zeugnisse des Proto-Keltischen, aber Sprachforschende konnten die Sprache rekonstruieren, indem sie die keltischen Sprachen, die es heute noch gibt, miteinander verglichen haben. Das Proto-Keltisch hat sich etwa um 1300 v. Chr. aus dem Proto-Indoeuropäisch entwickelt. Und während sich die heute noch lebenden keltischen Sprachen allesamt auf den britischen Inseln versammeln, kam Proto-Keltisch aus Mitteleuropa – genauer aus dem Gebiet der „Hallstatt-Kultur“. In diesem Gebiet, das heute an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich liegt, lebten in der Bronzezeit unterschiedliche Kulturen.

Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete sich das Proto-Keltisch über ganz Europa und schaffte irgendwann auch den Sprung nach Irland. Aus dieser Zeit, noch vor 400 v. Chr., stammen die ersten Zeugnisse der irischen Schrift.

Insgesamt gab es durch alle Jahrtausende hindurch etwa 16 verschiedene keltische Sprachen, von denen heute noch sechs gesprochen werden: Irisch, Manx, schottisches Gälisch, Bretonisch, Kornisch und Walisisch.

Viele der komplett ausgestorbenen und „toten“ keltischen Sprachen, also diejenigen, die heute nur noch von Menschen, die diese nicht als Erstsprache haben, gesprochen werden, haben sich auf dem europäischen Kontinent entwickelt. Dazu gehören Keltiberisch (iberische Halbinsel), Galatisch (Galatien in der heutigen Türkei), Gallisch (in vielen Teilen Mitteleuropas, darunter Gebiete im heutigen Frankreich, Deutschland, in den Niederlanden, der Schweiz und Italien) und Lepontisch (Norditalien und Schweiz). Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb diese Sprachen verschwunden sind – die römische Eroberung des Kontinents dürfte aber einer der wichtigsten sein.

Wie viele Menschen sprechen keltische Sprachen?

Die genaue Zahl der Keltischsprechenden lässt sich nur schwer ermitteln. Zwar werden vier der sechs Sprachen von einer ganzen Reihe von Menschen gesprochen, aber es gibt oft eine ziemlich große Ungleichheit zwischen der Zahl der Personen, die diese als Erstsprache sprechen und jene, die diese als Zweit- oder Fremdsprache sprechen. Irisch beispielsweise ist die größte lebende keltische Sprache und wird von mehr als einer Million Menschen gesprochen. Aber davon haben nur etwa zehn Prozent Irisch als Erstsprache. Viele keltische Sprachen wurden vom Englischen nahezu komplett verdrängt und kämpfen heute um ihr Überleben. Manx und Kornisch sind praktisch „tote“ Sprachen, weil niemand diese mehr als Erstsprache spricht. Aber beide werden in Gemeinschaften gesprochen, die versuchen, die beiden Sprachen wiederaufleben zu lassen.

Wie auch immer: Es gibt fast zwei Millionen Menschen, die keltische Sprachen sprechen – als Erst- oder als Fremdsprache. Hier ein Überblick über alle sechs Sprachen. Die Zahlen stammen von Ethnologue.

  1. Irisch: 1.170.000
  2. Walisisch: 562.000
  3. Bretonisch: 206.000 
  4. Schottisches Gälisch: 57.400
  5. Manx: 1.660
  6. Kornisch: 600

Wie ähnlich sind sich keltische Sprachen?

Die meisten keltischen Sprachen sind nicht untereinander verständlich. Wer also eine der Sprachen beherrscht, versteht nicht gleich automatisch auch die anderen. Trotzdem gibt es bemerkenswerte Ähnlichkeiten und manche der Sprachen stehen sich näher als andere.

Stell dir die Entwicklung der keltischen Sprachen aus dem Urkeltischen wie einen Baum vor: Dabei gab es ganz bestimmte Momente, in denen sich die Äste verzweigt haben. Die klarste Trennung gibt es zwischen dem Festlandkeltischen und dem Inselkeltischen. Wie der Name schon sagt, sind die festlandkeltischen Sprachen diejenigen, die sich auf dem europäischen Kontinent entwickelt haben. Die inselkeltischen Sprachen dagegen haben sich auf den britischen Inseln entwickelt. Interessanter Fakt am Rande: Es gibt eine inselkeltische Sprache, die sich außerhalb der britischen Inseln entwickelt hat: das Bretonische, das in der französischen Bretagne gesprochen wird. Weil es aber nicht vom Festland, sondern von Großbritannien nach Frankreich gekommen ist, wird es zu den Inselsprachen gezählt.

Wenn wir dem inselkeltischen Sprachast auf unserem Baum weiter folgen, gibt es noch eine Verzweigung zwischen den goidelischen und den brythonischen oder britannischen Sprachen. Zu den goidelischen Sprachen gehören Irisch, Manx und das schottische Gälisch, die allesamt vom urtümlichen Irisch abstammen. Der genaue Zeitpunkt, an dem sich die Sprachen verzweigt haben, liegt wahrscheinlich in der Phase des Mittelirisch, das zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert n. Chr. gesprochen wurde. Diese drei Sprachen haben zwar viele Ähnlichkeiten, aber auch eine Reihe von Unterschieden, weshalb sie untereinander nicht zu verstehen sind. Trotzdem stehen sie sich näher als den brythonischen Sprachen, zu denen Bretonisch, Kornisch, Walisisch, Kumbrisch, Ivernisch und Piktisch gehören. Die letzten drei davon werden heute nicht mehr gesprochen. Die brythonischen Sprachen stammen von einer gemeinsamen Sprache namens Britannisch ab.

An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen sein, dass die Trennung zwischen Inselkeltisch und Festlandkeltisch nur eine Theorie ist. Manche Forschende haben eine andere Theorie, die zwischen q-keltischen und p-keltischen Sprachen unterscheidet. Der Hauptunterschied dieser Theorie ist, dass sie die goidelischen und brythonischen Sprachen nicht zusammenfasst. Die Sprachen hätten sich also schon sehr viel früher voneinander abgespaltet.

Auch wenn die keltischen Sprachen nicht untereinander zu verstehen sind, gibt es ein paar ganz klare gemeinsame Wurzeln. Das sehen wir, wenn wir uns ein paar einfache Begriffe in den sechs Sprachen anschauen:

DeutschEnglischIrischSchottisches GälischManxKornischBretonischWalisisch
böseevildrochdrochdroghdrogdroukdrwg
saubercleanglanglanglenglanglanglân
glücklichhappysonasonasonneylowenlaouenllawen
jungyoungógògaegyowynkyouankifanc

Während evil und clean in allen Sprachen ziemlich ähnlich sind, unterscheiden sich die Begriffe für happy und young zwischen den goidelischen und brythonischen Sprachen extrem. Diese kleine Auswahl an Begriffen beweist zwar nichts, aber das gleichbleibende Muster und die schriftlichen Zeugnisse legen nahe, dass diese Sprachgruppierungen historisch genau sind.

Die Geschichte der keltischen Sprachen ist eine Geschichte des Überlebens. Die meisten von ihnen sind mittlerweile ausgestorben und die noch verbliebenen mussten hart um ihr Überleben kämpfen. Selbst in den sechs keltischen Nationen Irland, Schottland, Britannien, Isle of Man, Wales und Cornwall stellen die keltischen Sprachen eine Minderheit dar. Weil sie aber ein ganz wichtiger Bestandteil der nationalen Identität sind, werden sie mit Sicherheit in der ein oder anderen Form auch die nächsten Jahrhunderte überleben.

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