Kann man überhaupt im Alter eine Sprache lernen? – Natürlich!

Unsere Sprachexpertin Fidi erklärt, wie man effektiv eine Sprache lernen kann – selbst, wenn man schon ein paar Jahre lang nicht mehr in der Schule war.
welche sprache im alter lernen

Das Sprachenlernen ist – entgegen aller Volksweisheiten – keine Frage des Alters! Jeder kann im Alter eine Sprache lernen. Studien belegen, dass ältere Lernende in vielen Bereichen gegenüber den jüngeren sogar im Vorteil sind. Denn Erwachsene haben ein größeres Repertoire an Sprach- und Weltwissen, auf das sie beim Lernen zurückgreifen können und das sie zu effizienteren Lernenden macht.

Hierfür ist es hilfreich, sich über sein Wissen und seine Fähigkeiten bewusst zu werden, um sie gezielt beim Sprachenlernen einzusetzen.

Welche Sprache solltest du lernen?

Wenn du im Alter eine neue Sprache lernst, hängt dein Lernfortschritt auch von der Sprachwahl ab. Ist deine Lernsprache mit deiner Muttersprache verwandt (wie das Deutsche mit dem Englischen), findest du mehr Parallelen in Bezug auf Wortschatz und Satzstruktur, sodass du bestimmte Elemente nicht von Grund auf neu zu lernen brauchst. Sprachen, die stärker von der eigenen Muttersprache abweichen, beispielsweise eine Sprache mit einem anderen Alphabet (wie Russisch) oder einer anderen Grammatik (wie Türkisch), können anfänglich größere Hürden bereiten und den Lernfortschritt zunächst etwas verlangsamen. Doch hast du diese Startschwierigkeiten erst einmal gemeistert, fallen Freude und Erfolg umso größer aus und es geht schneller voran! Unterschiede zur Muttersprache machen eine neue Sprache und ihre Kultur erst so richtig besonders und interessant. Und das wiederum wirkt sich motivierend auf das Lernen aus. Lass dich also nicht davon abschrecken und nutze gerade die Unterschiede, um dir die Besonderheiten einer Sprache besser zu merken.

Welcher Lerntyp bist du?

Auch wenn dein letzter Sprachunterricht möglicherweise schon etwas länger zurückliegt, weißt du am besten, wie du lernst. Kannst du dich beispielsweise besser morgens oder abends konzentrieren und fokussiert arbeiten? Bist du eher der visuelle Typ, der den neu erlernten Wortschatz gern mit Bildern verbindet? Vielleicht reicht es dir nicht aus, Wörter nur zu hören oder geschrieben zu sehen, sondern du behältst sie am besten, wenn du sie in dein Vokabelheft notierst? So trivial diese Punkte auf den ersten Blick auch wirken mögen, solltest du dir noch einmal bewusst machen, welche Lernstrategien sich bei dir bewährt haben und diese gezielt in deinen Lernprozess integrieren, wenn du im Alter eine Sprache lernst. Wenn du es selber nicht so genau weißt, dann versuch so viele Sinne wie möglich beim Lernen einzusetzen (sehen, hören, schreiben und so weiter). Auf diese Weise lässt sich das Gelernte besser verknüpfen und behalten.

Nutze deine kognitiven Ressourcen

Anders als bei jungen Lernenden fällt es dir aufgrund deiner ausgereiften kognitiven Fähigkeiten leichter, Erklärungen und Regeln zu verstehen und sie anzuwenden. Bist du dir dessen bewusst, arbeitest du automatisch aufgaben- und lösungsorientierter.

Wenn du im Alter eine Sprache lernst, begreifst du die neuen Regelsysteme von Sprachen schneller und kannst sie mit denen deiner Muttersprache oder anderen dir bekannten Fremdsprachen vergleichen, sie transferieren und daraus lernen.

Denn du knüpfst beim Lernen daran an, was du schon weißt und kennst. Und das neu erlernte Wissen verankert sich mit dem bereits vorhandenen Wissen, was das Lernen effizienter macht und dich zu einem schnelleren Lernerfolg führt.

Nutze dein Sprach- und Weltwissen

Nicht nur in Bezug auf die Regelsysteme einer Sprache hilft dir dein angesammeltes Wissen, sondern auch bei der Anwendung von Sprache selbst. Du weißt dank deiner Lebenserfahrung, welche (sprachlichen) Inhalte dich in bestimmten Situationen erwarten, du kennst also den Kontext. Wenn du im Supermarkt an der Kasse stehst, weißt du, welche Fragen dich erwarten (ob du eine Tragetasche brauchst, Aufforderung zum Zahlen etc.) und wie du selber sprachlich handeln musst, um ein Ziel zu erreichen. Dieser Bereich wird in der Sprachwissenschaft Pragmatik genannt. Dein Welt- und Sprachwissen hilft dir also auch, wenn du dich noch am Anfang deines Lernprozesses befindest, in vielen sprachlichen Situationen zurechtzukommen. Für eine erfolgreiche Kommunikation bedarf es mehr als nur Wortschatz und Grammatik.

Setze dir realistische Lernziele

Wenn du dich für das Erlernen einer Sprache entschieden hast, setze dir kleine erreichbare Lernziele. Mach dir zunächst bewusst, was du mit der Sprache erreichen möchtest: Vielleicht möchtest du im nächsten Urlaub deinen ca­fé au lait auf Französisch bestellen oder deine Lieblingsserie im Original ansehen? So kannst du selektiv vorgehen – also das lernen, was dich deinem Ziel näher bringt.

Wenn du im Alter eine Sprache lernst, sei dir bewusst, dass bestimmte Bereiche auch in jungen Jahren nur schwer zu erlernen sind – beispielsweise eine akzentfreie Aussprache.

Nach der Theorie der kritischen Phase zum Spracherwerb (erstmals eingeführt von Penfield und Roberts in 1959) gibt es ein biologisches Zeitfenster, das optimal ist, um ein muttersprachliches Niveau zu erreichen, nämlich bis zum sechsten oder neunten Lebensjahr. Danach wird es immer unwahrscheinlicher, wie ein Muttersprachler zu klingen. Das ist jedoch beim Sprachenlernen nicht hinderlich für eine erfolgreiche Verständigung und ein fremdsprachlicher Akzent wird von den meisten Muttersprachlern sogar als positiv oder sympathisch bewertet. Aber legst du es dennoch darauf an, ist auch das mit gezielter Übung nicht unmöglich und Ausnahmen bestätigen die Regel!

Wie hältst du deine Motivation aufrecht?

Deine Motivation zum Sprachenlernen ist ein zentraler Faktor, der den Lernerfolg bestimmt. Warum lernst du diese Sprache? Aus persönlichen oder familiären Gründen? Für den Beruf? Aufgrund deiner Leidenschaft für ein Land und seine Kultur? Oder um geistig fit zu bleiben? Welcher Grund auch immer dahinter steckt, mach ihn dir bewusst.

Es ist nicht einfach, die Motivation über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, denn es gibt immer wieder schwierige Phasen. Umso wichtiger ist es, dass du die Sprache in deinen Alltag integrierst und mit Aktivitäten verbindest, die dir Spaß machen, wie lesen oder Filme gucken, kochen, reisen, Sport, Musik oder soziale Treffen.

Auch kannst du abwechslungsreiche Methoden und Medien ausprobieren wie Lernvideos, Podcasts, Sprachlern-Apps oder Sprachcafés. Im Internet gibt es sehr viele Angebote und es muss nicht immer der traditionelle Sprachunterricht in der Klasse sein. Die Hauptsache ist, dass du nicht zu viel machst. Lieber weniger, dafür aber jeden Tag!

Sprachenlernen hält fit

Sprachenlernen verlangsamt die Gedächtnisabnahme und die Abnahme der kognitiven Leistungen. Noch ein Grund mehr, um gerade jetzt eine Sprache zu lernen. Lernen hält geistig fit! Neurologische und biologische Veränderungen sind also kein Grund, sich demotivieren zu lassen. Es geht vielleicht nicht mehr alles so schnell wie früher, doch einfach ist Sprachenlernen nie und erfordert immer Fleiß – auch für junge Lernende. Gerade beim Sprachenlernen ist es deshalb wichtig, in kleineren Häppchen zu lernen und mehrere Pausen, aber vor allem auch häufige Wiederholungen einzubauen. Nur so verfestigt sich das Gelernte besser im Langzeitgedächtnis. Mach dir keinen Druck und räume dir mehr Zeit zum Lesen, Schreiben und Verstehen ein, zerlege größere Aufgaben in mehrere Teilaufgaben, höre Hörtexte in einem dir angepassten Tempo und einer dir angepassten Lautstärke. Vergrößere die Schrift auf deinen digitalen Geräten, reguliere die Helligkeit und den Kontrast. Nutze verstärkt Bilder und andere Lerntechniken, die dich beim Lernen unterstützen. Mnemotechniken sind eine sehr effektive Methode, um Gelerntes besser und schneller zu behalten. Doch ins Langzeitgedächtnis kommen sie nur durch regelmäßige Wiederholungen.

Fehlermachen ist erlaubt

Je älter man wird, desto selbstkritischer wird man. Auch die Fehlertoleranz sinkt manchmal oder man hat vielleicht Hemmungen, das Erlernte anzuwenden oder sich zu blamieren. Doch Fehler zu machen ist ein essenzieller Bestandteil des Lernprozesses.

Je nach Typ und Veranlagung – extrovertiert und experimentierfreudig oder introvertiert und perfektionistisch – solltest du dir die Zeit nehmen und den Raum wählen, in dem du dich wohlfühlst zu sprechen, Fragen zu stellen, Fehler zu machen und auf diese Weise zu lernen. 

Das kann in einer Gruppe oder lieber alleine mit einer App, mit Muttersprachlern oder anderen Lernenden sein.

Das Alter ist also kein Grund, eine Sprache nicht zu lernen. So auch nicht die Wahl der Lernsprache. Wichtig für einen langfristigen Lernerfolg ist es, die Motivation zum Erlernen einer Sprache aufrechtzuerhalten, indem man sich realistische und erreichbare Lernziele setzt, kleine Lernerfolge feiert, keine Hemmungen hat, Fehler zu machen, und sein Wissen, seine Stärken und Vorlieben bewusst und strukturiert einsetzt. Dann spielt auch das Alter keine Rolle.

Wir wünschen dir viel Spaß beim Sprachenlernen!
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