Das griechische Alphabet im modernen Alltag – Eine Illustration von Charlotte Ager.
Altgriechisch erscheint den meisten von uns heute nicht mehr besonders relevant – das haben tote Sprachen nun mal so an sich. Wenn wir uns schon dem Lernen von toten Sprachen widmen, dann steht Latein meist an erster Stelle, denn immerhin haben sich aus ihm weitverbreitete, lebendige romanische Sprachen wie das Italienische, Spanische, Portugiesische oder Französische entwickelt.
Griechisch gehört dagegen zu den indoeuropäischen Sprachen, stellt jedoch innerhalb dieser Sprachfamilie einen eigenen Zweig dar, was auch Neugriechisch nicht unbedingt zu einem Lernfavoriten macht. Trotzdem hat die griechische Sprache nicht nur dann einen Einfluss auf unser Leben, wenn es in den Urlaub gehen soll.
Gräzismen – Deutsche Wörter mit griechischem Ursprung
Denn die deutsche Sprache weist überraschend viele Gräzismen auf, also Wörter, die aus dem Griechischen entlehnt wurden. Die Entlehnung fand meist aus dem Altgriechischen statt – keine Überraschung, denn das ist die Sprache, die berühmte Philosophen wie Aristoteles, Sokrates oder Platon sprachen oder zumindest noch schrieben. Weitere Gräzismen kamen über einen lateinischen Umweg in die deutsche Sprache, wobei die Schreibweise oft latinisiert wurde. Es gibt aber auch bildungssprachliche Neologismen, die auf der Grundlage griechischer Wörter oder Wortbausteine überhaupt erst im Deutschen gebildet wurden.
Wir schauen uns deutsche Wörter griechischen Ursprungs an, die mit unserem Lieblingsthema – Sprache – zu tun haben.
Α, α wie Akronym
Ein Akronym ist ein Sonderfall der Abkürzung, bei dem Wörter oder Wortgruppen auf ihre Anfangsbestandteile gekürzt werden. Das Wort stammt vom altgriechischen Wort ἄκρος (ákros) – „Spitze, Rand“ in Verbindung mit ὄνυμα (ónyma – „Name“).
Β, β wie Barbar
Dieses Wort für einen unkultivierten, groben Menschen war im antiken Griechenland eine Bezeichnung für alle diejenigen, die nicht oder schlecht Griechisch sprachen. Ein βάρβαρος (bárbaros) ist ein „bar-bar-Sager“, „Stammler“ oder „Stotterer“.
Δ, δ wie Dialekt
Das Wort Dialekt gelangte im 16. Jahrhundert über das Lateinische in die deutsche Sprache. Das lateinische Wort dialectos geht seinerseits auf das griechische Wort διάλεκτος (diálektos), also „Unterredung“, „Redeweise“, „Mundart“ zurück.
Ε, ε wie Etymologie
Das Wort Etymologie leitet sich von den altgriechischen Bestandteilen ἔτυμος (étymos – „wahr“, „echt“, „wirklich“) und λόγος (lógos – „Wort“) her. Es bedeutet also so viel wie „Erklärung der einem Wort innewohnenden Wahrheit“. Und du kennst spätestens jetzt die Etymologie von Etymologie!
Γ, γ wie Grammatik
Auch die Grammatik, die [τέχνη] γραμματική ([technē] grammatikē – „Kunst des Schreibens“ hat mal klein angefangen: Das griechische Wort Γράμμα (gramma) bedeutet „Geschriebenes“ oder noch kleiner „Buchstabe“.
H, η wie Hieroglyphe
Im 18. Jahrhundert wurde das Wort Hieroglyphe vom französischen hiéroglyphe entlehnt, das wiederum auf das griechische ἱερογλυφικὰ γράμματα (hieroglyphikà grámmata – „heilige Schriftzeichen“) zurückgeht.
Κ, κ wie Kalligrafie
Das Wort Kalligrafie setzt sich zusammen aus καλός (kalós – „schön“) und dem Suffix -γραφή (-graphē) oder -γραφία (-graphía), das von dem griechischen Verb γράφειν (gráphein – „schreiben“, „zeichnen“) stammt.
Λ, λ wie Logopädie
Dieser Begriff setzt sich aus den griechischen Begriffen λόγος (lógos – „Wort“) und παιδεύειν (paideuein – „erziehen“) zusammen. Er kommt also dem übertragenen Begriff Spracherziehung sehr nahe.
Μ, μ wie Metapher
Das Stilmittel der Metapher bedeutet wörtlich „Übertragung“ und geht auf das griechische μεταφορά (metaphorá) zurück.
Ο, ο wie Orthografie
Die Orthografie stammt vom altgriechischen ὀρθός (orthós), was „aufrecht“ oder „richtig“ bedeutet. Das Suffix -graphie geht, wie bereits erwähnt, auf das Verb γράφειν (gráphein – „schreiben“, „zeichnen“) zurück.
Π, π wie Palindrom
Ein Palindrom ist eine Zeichenkette (das kann ein Wort oder sogar ein ganzer Satz sein), die vorwärts wie rückwärts gelesen identisch ist. Ein berühmtes Beispiel ist der Reliefpfeiler. Der Begriff kommt vom altgriechischen Παλίνδρομος (palíndromos), zu Deutsch „rückwärts laufend“.
Ρ, ρ wie Rhetorik
Bei allen griechischen Denkern ist es nicht verwunderlich, dass wir von ihnen nicht nur viele Prinzipien der Rhetorik, sondern auch das Wort selbst übernommen haben. Es stammt vom altgriechischen ῥητορική [τέχνη] (rhētorikḗ [téchnē]) – „Redekunst“.
Σ, σ wie Synonym
Das Wort Synonym wurde Ende des 15. Jahrhunderts vom lateinischen synōnymum entlehnt, das auf das altgriechische συνώνυμος (synōnymos – „gleichnamig“) zurückgeht. συνώνυμος selbst besteht aus συν (syn – „zusammen“) und ὄνυμα (ónyma – „Name“).
Τ, τ wie Telefon
Der Begriff Telefon wurde von dem deutschen Erfinder Philipp Reis geprägt. Es stammt vom altgriechischen τῆλε (tēle – „fern“) und φωνή (phōnē – „Laut“, „Ton“, „Stimme“, „Sprache“). Das Telefon hat es nicht nur in diese Liste geschafft, weil man sich damit unterhalten kann, sondern auch, weil du auf deinem (Mobilfunk-)Telefon super Sprachen lernen kannst!
Ein kurzer Nachtrag zum Thema Sprachpurismus
Manche Übersetzungen in dieser Liste waren für dich vielleicht keine großen Offenbarungen, weil wir deutsche Wörter haben, die den Übersetzungen entweder sehr nahe kommen oder mit ihnen identisch sind.
Die deutschen Varianten sind häufig das Ergebnis des deutschen Sprachpurismus. Unter diesem Begriff versteht man Bestrebungen, die deutsche Sprache von Fremd- und Lehnwörtern zu befreien, indem man sie durch passend erscheinende deutsche Wörter ersetzt oder neue deutsche Wörter bildet. Die erste deutsche Sprachgesellschaft, die Fremdwörtern entgegenwirken wollte, war die Fruchtbringende Gesellschaft, die 1617 gegründet wurde. Allein von einem ihrer Mitglieder, dem Schriftsteller Philipp von Zesen, stammen deutsche Übertragungen wie Bücherei (für Bibliothek oder Liberey), Mundart (für Dialekt) und Rechtschreibung (für Orthographie).
Bemühungen um Sprachpurismus gibt es heute immer noch, meist richten sie sich jedoch gegen den Einfluss des Englischen. Aufmerksamen Lesern wird aufgefallen sein, warum es ein wenig unsinnig ist, statt dem „fremdsprachigen“ Wort Handy das „deutsche“ Mobilfunktelefon zu benutzen …