Auf den ersten Blick scheint die Aussprache des Spanischen nicht besonders schwer: Fast alles spricht man so, wie man es schreibt. Das gerollte „R“ und das gelispelte „Z“ sind scheinbar die einzigen Herausforderungen für Spanischlernende – oder?
Schön wär’s! Spanisch hält ein paar kleine Aussprachefallen bereit, die dich schnell als deutschsprachige Person outen – obwohl du doch das „R“ so leidenschaftlich gerollt und „Z“ so gefühlvoll gelispelt hast. Um deinen acento alemán loszuwerden, ist es wichtig, dir die Unterschiede bewusst zu machen. Dabei schauen wir uns auch die spanischen Vokale und den spanischen Akzent genauer an. Wir zeigen dir sechs typische Aussprachefehler, die Deutsche im Spanischen (unbewusst) machen, sowie nützliche Expert:innentipps, um akzentfrei Spanisch zu sprechen.
1. Das spanische „R“ aussprechen und die explosive Aussprache bei den Plosiven
Während das gerollte „R“ für deutsche Ohren offensichtlich anders klingt, gibt es im Spanischen auch Laute, die sich nur minimal vom Deutschen unterscheiden. Ein Beispiel dafür sind die Plosive [p], [t] und [k]. Im Deutschen wird bei Plosiven mehr Spannung aufgebaut als im Spanischen, was zu einer stärkeren Explosion führt. Man sagt dazu auch: Die Plosive im Deutschen sind behaucht (aspiriert). Im Spanischen werden [p], [t] und [k] hingegen nicht aspiriert und klingen weicher, fast wie [b], [d] und [g]. Deutschsprachige Lernende sprechen die spanischen Plosive deshalb oft zu explosiv aus.
Unser Aussprache-Tipp: Versuche, [p], [t], [k] eher wie ein hartes [b], [d] oder [g] auszusprechen.
Probier es aus: Paco empaca copas en tantos paquetes. („Paco packt Gläser in so viele Pakete.“)
👉 Auch interessant: Welche Sprachen werden in Spanien noch gesprochen?
2. Deutsch-spanische Unterschiede bei Wortendungen
Ein weiterer beliebter Aussprachefehler und ein klarer Unterschied zwischen Deutsch und Spanisch: Deutsche Muttersprachler:innen lassen meist nicht nur Plosive hart klingen, sondern auch den Auslaut, also das Ende von Wörtern wie bei „rund“ [runt] oder „mag“ [mak]. Diese sogenannte Auslautverhärtung haben wir so verinnerlicht, dass wir sie auch beim Sprechen anderer Sprachen nicht so leicht ablegen können. So wird aus ciudad de Madrid („Stadt Madrid“) schnell [ciudat de Madrit]. Spanischsprechende machen genau das Gegenteil: Sie sprechen das „D“ am Auslaut so weich aus, dass es beinahe wie das „th“ im englischen bath klingt oder sogar kaum hörbar als [ciudá] ausgehaucht wird.
Unser Aussprache-Tipp: Sprich das „D“ am Wortende so aus, dass du deine Zunge nicht von hinten an die Zähne drückst, sondern auf die Zahnkante legst. Heraus kommt ein ganz weiches [d]. Die Alternative: Lass „D“ am Wortende einfach ganz weg. [ciudá] klingt viel weniger deutsch als [ciudat].
Probier es aus: ¡Pintad la pared con gratitud! („Streicht die Wand mit Dankbarkeit!“)
3. Die vernachlässigten spanischen Vokale
Bei der Behandlung der Vokale ist Spanisch viel gerechter als Deutsch. Wieso? Im Deutschen können Vokale in unbetonten Silben froh sein, wenn sie noch als lustloser Schwa-Laut wie „e“ in „sagte“ ausgespuckt und nicht sogar ganz weggelassen werden wie das „e“ in „Hasen“. Im Spanischen klingen die fünf Vokallaute – [a], [e], [i], [o], [u] – in jeder Silbe gleich, egal ob betont oder unbetont. Kein Vokal wird weggelassen oder weniger deutlich ausgesprochen. Das „e“ in hacen („sie machen“) wird ebenso offen ausgesprochen wie das „e“ in eco („Echo“), und nicht etwa [hacn].
Unser Aussprache-Tipp: Achte darauf, alle Vokale immer gleich deutlich und offen auszusprechen: [a] wie in „Mann“, [e] wie in „hell“, [i] wie in „Igel“, [o] wie in „hoffen“, [u] wie in „Uhu“.
Probier es aus: ¡Mantente al día y hazte una idea como lo hacen ellos! („Bleib auf dem Laufenden und mach dir ein Bild davon, wie sie es machen.“)
4. Immer in Verbindung bleiben: Besonderheiten bei Endungen auf Konsonanten und Vokalen im Spanischen
Einige Besonderheiten der spanischen Aussprache treten nicht in einzelnen Wörtern, sondern im Redefluss hervor. Folgt auf ein Wort, das auf einen Konsonanten endet (zum Beispiel casas), eines, das mit einem Vokal beginnt (zum Beispiel amarillas), so wird der Konsonant des ersten Wortes mit dem darauffolgenden Wort „verbunden“. Der Ausdruck casas amarillas („gelbe Häuser“) wird zu [casa samarillas]. Endet das vorherige Wort wie bei casa amarilla auch auf einen Vokal, werden die beiden Vokale einfach zusammengezogen: [casamarilla]. Das führt dazu, dass Wörter viel flüssiger miteinander gesprochen werden als im Deutschen.
Unser Aussprache-Tipp: Sag abwechselnd [casas amarillas] und [casa samarillas] und achte auf den Unterschied.
Probier es aus: Las ardillas amables aman árboles. („Die netten Eichhörnchen lieben Bäume.“)
5. Weitere Ausspracheunterschiede zwischen Spanisch und Deutsch
Deutsch ist eine knackige Sprache: Vor Silben, die auf einen Vokal beginnen, fügen wir einen sogenannten „Glottisschlag“ ein. Das ist ein unhörbarer Knacklaut, bei dem wir unsere Stimmbänder für einen Augenblick zusammendrücken, ehe wir mit dem Vokal loslegen (zum Beispiel vor dem „a“ in „beantworten“ oder am Anfang von „Apfel“). Vielleicht ist dir das bisher noch nie aufgefallen, aber beim Spanischsprechen steht uns dieser unbewusste Prozess im Weg. Der Knacklaut verhindert nämlich die für das Spanische so typische fließende Aussprache, bei der die Grenzen zwischen den Wörtern oft verschwimmen.
Unser Aussprache-Tipp: Wenn du Wörter, die mit einem Vokal beginnen, mit dem vorhergehenden Wort zusammenziehst (zum Beispiel [lo sosos] statt [los osos] „die Bären“), kommst du gar nicht erst in Versuchung, irgendwo einen Knacklaut einzufügen.
Probier es aus: Eres alumno, ¡deberías estudiar! („Du bist Schüler, du solltest lernen!“)
5. Español ist nicht Espaniol: Der Buchstabe eñe
Der wohl spanischste Buchstabe ñ (eñe) verleitet nicht nur deutsche Lernende zu einer falschen Aussprache. Aber wie wird das ñ ausgesprochen? Hier ist Detail und Know-how gefragt, denn unsere Lernsprache español spricht sich weder [espaniol] noch [espanjol] aus. Der Laut, der im phonetischen Alphabet mit dem Symbol [ɲ] wiedergegeben wird, ähnelt am ehesten dem „gn“ in Fremdwörtern wie Vignette oder Lasagne.
Unser Aussprache-Tipp: Presse den mittleren Teil deiner Zunge gegen den oberen, harten Teil deines Gaumens. Ganz wichtig: Die Luft entweicht dabei durch die Nase, nicht durch den Mund.
Probier es aus: Cada mañana, la araña come piña. („Jeden Morgen isst die Spinne Ananas.“)
6. Spanisch-Deutsche Unterschiede: Die Diphthong-Falle
Einer der beliebtesten Aussprachefehler ist das harmlos erscheinende aeropuerto, „Flughafen“. Immer wieder ertappen wir uns dabei, wie wir statt [a-eropuerto] so etwas wie [äropuerto] sagen. Ähnliche Schwierigkeiten sind bei Wörtern wie Europa (sprich: [e-uropa]), deuda [de-udas] („Schuld“) oder aula [aula] („Klassenzimmer“) vorprogrammiert. Das liegt zum einen daran, dass sie für das Deutsche untypische Diphthonge (Doppellaute aus Vokalen) beinhalten. Zum anderen sind die Buchstabenkombinationen „eu“, „au“ und „ei“ im Deutschen mit leicht abweichenden Lauten verbunden. Die Versuchung ist deshalb groß, [oiropa] oder [aola] zu sagen.
Unser Aussprache-Tipp: Knöpfe dir Wörter mit Diphthongen gezielt vor und übe die Aussprache zunächst langsam.
Probier es aus: El juez europeo está en el aeropuerto. („Der europäische Richter ist am Flughafen.“)
Wenn du diese Feinheiten der spanischen Aussprache beherrschst und somit bekannte Aussprachefehler umgehst, bist du schon ein ganzes Stück akzentfreier. Mit viel Übung und einigen weiteren Tricks kann dir bald niemand mehr einen acento alemán nachweisen. Wetten?