Warum Babbel inklusive Sprache lehrt

Anlässlich des Pride Month berichten die Sprachprofis bei Babbel darüber, wie sie eine diverse Darstellung von Hautfarbe, Gender und sexueller Orientierung in den Sprachkursen gewährleisten können.
Pride Parade with Babbel Logo

Wir von Babbel sind davon überzeugt, dass die Diversität unseres Teams und unserer Community aus Sprachlernenden uns stärker macht. Diese Kernwerte sollen sich auch in den Erfahrungen unserer Lernenden mit der App widerspiegeln. Die Sprachfachleute, die unsere Babbel-Kurse erstellen, haben ausführliche und spezifische Richtlinien entwickelt, um die Diversität der Muttersprachlerinnen und Muttersprachler all unserer Lernsprachen zeigen. Anlässlich des Pride Month habe ich mich mit Lars und Vitor unterhalten. Sie sind Editoren im Didactics-Team von Babbel und Co-Autoren der preisgekrönten Reihe Stranger Talks. Wir haben darüber gesprochen, wie und warum Babbel das Thema LGBTIA+ (also sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell, queer/unentschlossen, asexuell oder vollkommen anders identifizieren) in den Kursen adressiert.

Erstellen inklusiver Sprachlerninhalte

Fangen wir bei den Grundlagen an. Was bedeutet „inklusive Inhalte“ in Bezug auf die sexuelle oder geschlechtliche Identität, insbesondere im Zusammenhang mit Bildungsmedien wie Sprachlern-Apps?

Vitor: Für mich heißt es Objektivität. So etwas wie eine „normale“ oder „Standard“-Person gibt es nicht. Unsere Lernenden sind divers, genauso wie unsere Muttersprachlerinnen und Muttersprachler der Sprachen, die Babbel unterrichtet. Korrekterweise muss diese Diversität auch gezeigt werden. Vom Bildungsstandpunkt aus betrachtet ist es außerdem wichtig, dass Lerninhalte jeglicher Art mit den Erfahrungen der Lernenden selbst zusammenpassen. Ich bin beim Lernen einer Sprache wahrscheinlich erfolgreicher, wenn ich mich selbst in die im Lernmaterial gezeigte Situation hineinversetzen kann, unabhängig von meiner Hautfarbe, meinem Gender oder meiner sexuellen Orientierung.

Lars: Das stimmt. Wir repräsentieren eine große diverse Gruppe von Lernenden aus aller Welt. Sie sollen sich beim Lernen mit Babbel mit den Gesichtern, die sie in der App sehen, identifizieren können. Damit repräsentieren wir auch uns selbst, als Babbel Sprachexpert*innen, und unsere Werte. Schließlich repräsentieren wir in unseren Kursen unterschiedliche Länder, Kulturen und Bräuche, indem wir Sprache so unterrichten, wie sie in echten Situationen verwendet wird. 

schwules Paar mit Kind

Anstatt eine bestimmte Auswahl an Lektionen anzubieten, die LGBT-Themen behandeln, bettet Babbel gleichgeschlechtliche Paare und diverse sexuelle und Gender-Identitäten auf ganz natürliche Weise in all seine Kurse ein. Warum ist das so?

Vitor: Wie gesagt, es geht hierbei um Objektivität. Es ist wahrscheinlicher, dass ich einem lesbischen Paar im Kino begegne als auf der Straße mit der Regenbogenflagge in der Hand. Paare mit einem größeren oder kleineren Altersunterschied haben vermutlich ähnliche Diskussionen darüber, ob zum Abendessen Pizza oder Sushi bestellt werden soll. Ein mehr oder weniger starkes Abweichen von der sogenannten Norm ist die Regel, nicht die Ausnahme. Warum ein Drama daraus machen?

Ist euch eine korrekte und diverse Darstellung eines breiten Spektrums von sexueller Orientierung und Gender auch persönlich wichtig? 

Vitor: Ja, das ist mir sehr wichtig, denn ich glaube, dass alle von einer inklusiveren Welt profitieren. Ich bemühe mich bei der Arbeit stets darum, dass die Kurse, die wir erstellen, mit dieser Philosophie in Einklang stehen. Ich bin davon überzeugt, dass dies auch den Lernenden wichtig ist. Erstens, weil es moralisch korrekt ist, und zweitens, weil eine inklusive Lernerfahrung wie gesagt effektiver ist.  

Lars:  Deine Frage erinnert mich an ein Zitat aus dem bekannten russischen Film Ironie des Schicksals. In einer Szene spricht ein Liebespaar über seine Berufe. Er ist Arzt, sie ist Lehrerin:

Er: Die Fehler von Ärzten kommen den Menschen teuer zu stehen.

Sie:  Ja … Die Fehler von Lehrern sind zwar nicht sofort ersichtlich, doch letztlich sind sie nicht weniger teuer.

Das zeigt, wie wir Babbels Lehrende das ganze Leben der Lernenden beeinflussen können, nicht nur ihre Sprachkenntnisse. Unsere Lernenden vertrauen unserer Expertise, nicht bloß unserem Sinn für Pädagogik. Deshalb ist es uns wichtig, die gesamte Diversität unserer Welt widerzuspiegeln, auch wenn das manchmal eine Herausforderung darstellt.

Mixed race lesbian couple

Und wo wir gerade beim Thema Herausforderungen sind: Was war für dich bei diesem Thema am schwierigsten?

Wenn wir bei Babbel Russisch-Kurse erstellen, stehe ich oft vor einem Dilemma: Soll ich das konservative Russland mit seinen Provinzen zeigen, welches Reisende üblicherweise sehen? Oder soll ich besser ein nach Demokratie strebendes Russland zeigen, mit offener, diverser und inklusiver Gesellschaft? Diese existiert ohne Frage zu einem gewissen Grad, doch sie ist eine Minderheit. Ich versuche, eine Mischung dieser beiden Seiten zu erzeugen. 

Eine weitere Herausforderung stellt die Auswahl von Bildern für unsere Russischkurse dar. Aus rechtlichen Gründen können wir keine privaten Aufnahmen in unseren Inhalten zeigen. Und in Russland existieren über 180 ethnische Gruppen und Nationalitäten. Wie kann ich diese riesige ethnische Diversität mit Stockfotos allein darstellen? 

Die „Ehe“ auf Russisch neu denken

World Cup LGBT

Lars, du hast eine Möglichkeit gefunden, auf Russisch über gleichgeschlechtliche Ehe zu sprechen, was die Grammatik dieser Sprache normalerweise nicht zulässt. Warum und wie hast du das gemacht? 

Lars: Russisch istleider, wenn du mich fragsteine sehr geschlechtsspezifische Sprache. Russischsprechende entscheiden ständig zwischen weiblichen und männlichen Formen, nicht nur bei Substantiven und Adjektiven, sondern auch bei der Verwendung bestimmter Verben. In unseren Kursen lehren wir grammatisch korrektes Russisch, was meiner sozialpolitischen Meinung nach sehr konservativ und nicht genderneutral ist. Wir können die Sprache in unseren Kursen nicht reformieren. Wir haben jedoch eine Möglichkeit entdeckt, zu zeigen, dass Russisch trotz dieser Beschränkungen in der Sprachstruktur flexibel genug ist, um über gleichgeschlechtliche Ehe zu sprechen. Beim World Cup 2018, der in Russland stattfand, launchte Babbel die Kampagne #BabbelForAll.

In der russischen Umgangssprache gibt es zwei unterschiedliche Ausdrücke für „Ich bin verheiratet“. Eine verheiratete Frau würde sagen: Я замужем. Wörtlich übersetzt heißt das: Ich stehe hinter dem Ehemann. Der Ausdruck Я женат (etwa: Ich bin mit einer Frau verheiratet.) kann hingegen nur von Männern verwendet werden. Das heißt, dass schwule und lesbische Paare nicht ausdrücken können, dass sie mit einer Person des gleichen Geschlechts verheiratet sind. 

Ich habe mir deshalb überlegt, die Endung -a anzufügen, was im Russischen die weibliche Form anzeigt, z. B. bei Substantiven, Namen und Nachnamen. Die grammatische Form Я жената existiert nicht in der russischen Sprache, weshalb wir uns diese Form kurzerhand erdacht haben. 

Schwules Paar LGBT

Unter all den Rückmeldungen zu unserer Kampagne habe ich mich besonders über eine hitzige Diskussion zwischen russischen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern auf unserer Facebook-Seite gefreut. Einige wiesen einigermaßen empört darauf hin, dass Babbel einen grammatischen Fehler in seinen Werbeplakaten gemacht habe. Doch andere verstanden die politische Botschaft. Es war wunderbar. Nur durch Anhängen eines Buchstabens in einem bestimmten Kontext lässt sich Bewusstsein wecken.

Auch der Journalist Niko Lang twitterte kürzlich darüber, wie er es fand, in einem unserer Russisch-Kurse das Bild eines schwulen Paares zu sehen. Wie ging es dir, als du seinen Tweet gelesen hast?

Lars: Ich war wirklich bewegt, weil Nico unsere Botschaft genau verstanden hat. Ich kann nun sehen, dass selbst scheinbar kleine Entscheidungen von uns als Kurs-Editierende große Wellen schlagen können.

Wir haben dieses Bild und diesen Satz absichtlich eingefügt. Wir wollten in einer kleinen Übung ein starkes politisches Zeichen setzen. Sich in Russland öffentlich schwul zu zeigen ist rechtlich verboten (es gibt das sogenannte Gesetz gegen “homosexuelle Propaganda). Außerdem sind gleichgeschlechtliche Ehen untersagt.

Wir sind uns der Gefahr des oberflächlichen Pinkwashings bewusst. Um dies zu vermeiden, integrieren wir kurze und aussagekräftige Botschaften. Im Kurs Russisch für den Alltag in der Lektion Erzähl mir von deiner Familie beispielsweise führen wir den Wortschatz ein und zeigen das Bild von zwei Müttern. Man könnte sagen, das ist nicht mutig genug, doch im Hinblick auf die derzeitige politische Situation in Russland ist dies ziemlich provokativ.

Diversität von Hautfarbe, Gender und sexueller Orientierung in den Kursen von Babbel konsequent darstellen

Vitor, du hast die Richtlinien für das Erstellen von inklusiven Inhalten bei Babbel erstellt und entwickelt. Kannst du uns von dem Prozess erzählen?

Vitor: Wir alle neigen dazu, das zu zeigen, was wir selbst am besten kennen, und vergessen dabei andere Teile der Gesellschaft. Das Ziel der Richtlinien ist es, uns unsere eigenen Vorurteile bewusst zu machen und diese zu überwinden. Wie bei allem anderen, was wir tun, müssen auch die Diversitäts-Richtlinien stetig weiterentwickelt werden. Ich bin vor fünf Jahren zu Babbel gekommen, und von Anfang an haben wir über Repräsentativität in unseren Inhalten gesprochen. Seitdem habe ich erlebt, wie hitzige und ungezwungene Diskussionen zu seriösen Präsentationen für das Team wurden, was letztlich zu unseren jetzigen Qualitätsstandards führte. 

Diese Richtlinien umfassen viele Aspekte darüber, wie wir Diversität und Inklusivität konsequent darstellen können, vom Schreiben der Dialoge bis hin zur Bildauswahl bei der Einführung neuer Wörter und Formulierungen. Beispielsweise möchten wir es vermeiden, Frauen bei stereotypen Aktivitäten zu zeigen, etwa bei der Hausarbeit, beim Tratschen, beim Shoppen usw. Frauen sollten auch in höheren beruflichen Positionen oder beim Fußballspielen gezeigt werden.  Ein anderes Beispiel ist die Darstellung gleichgeschlechtlicher Paare: Die Paare können dabei unterschiedliche Hautfarben haben, Eltern sein oder einen großen Altersunterschied aufweisen. Kategorien sind dann nützlich, wenn sie dazu verwendet werden, zu zeigen, dass Menschen letztlich unendlich divers und einzigartig sind.

War es leicht, diese Richtlinien bei Babbel einzuführen? Welchen Rat würdest du Menschen geben, die ähnliche Richtlinien zur Darstellung von Inklusivität im eigenen Unternehmen einführen wollen?

Vitor: Am wichtigsten ist es meiner Ansicht nach, eine Kultur konstruktiver Gespräche und Diskussionen zu schaffen, in der sich jeder sicher fühlt, Fragen zu stellen und eine andere Meinung auszudrücken. Außerdem ist Geduld von entscheidender Bedeutung. Diskussionen brauchen Zeit, und ein Konsens ist nicht einfach zu erreichen. Das ist Teil des Prozesses. Und man muss wissen, wie man mit den eigenen Erwartungen darüber, was wann erreicht werden kann, am besten umgeht. 

Unsere Richtlinien sind mit Sicherheit noch in der Entwicklung und Menschen haben unterschiedliche Meinungen. Und ich finde, das sollte gefeiert werden. 

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