Zwillinge lernen Türkisch in einer Woche – hier ihre Methode

Kann man Türkisch in nur sieben Tagen lernen? Es klingt unmöglich, aber Babbels Super-Sprachen-Zwillinge haben es sich trotzdem vorgenommen.

Matthews Talent für Sprachen habe ich das erste mal während einer Diskussion in der Babbel-Küche bei einem Kaffee in den Morgenstunden erlebt. Während die Kolleginnen und Kollegen ein und aus gingen, begrüßte Matthew sie alle in ihrer Muttersprache. Das ist natürlich erst einmal nichts Ungewöhnliches bei Babbel – wir sind schließlich eine Firma, bei der sich alles um das Sprachenlernen dreht. Aber als Matthew die achte Person in der fünften Sprache begrüßte, wurde ich doch neugierig, was es damit auf sich hat.

„Wie viele Sprachen sprichst du eigentlich?“

Er konnte es mir nicht ganz genau sagen. Irgendwas zwischen 7 und 20. Das war schon beeindruckend genug, aber als ich herausfand, dass er auch noch einen mehrsprachigen Zwillingsbruder hat, war ich baff. Ich war zwar von ihrem Talent überzeugt – schließlich waren sie schon die Stars in einem Monolog und einigen Interviews im Babbel Magazin – aber ich wollte trotzdem wissen, wann ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten auf Grenzen stoßen. Also fragte ich mich: „Was würde passieren, wenn wir den Zwillingen eine Woche geben, um eine neue Sprache zu erlernen?“ Als ich Matthew und Michael den Vorschlag machte, konnte ich ihnen zuerst nur ein müdes Schmunzeln entlocken. „Nein, nein, ich meine das ernst!“ Sie warteten die Reaktion des jeweils anderen ab – so, wie sie es oft tun, um sicher zu gehen, dass sie derselben Meinung sind. In ihren Augen war nun ein Funke Begeisterung zu sehen. Und welche Sprache sollten sie genau lernen?

Türkisch, natürlich. Es ist die zweithäufigste Sprache in Berlin; sehr, sehr kompliziert und außerdem weit entfernt von allen anderen Sprachen, die Matthew und Michael jemals gelernt haben. Sie würden sich eine Woche lang den ganzen Tag damit beschäftigen, so viel Türkisch wie möglich zu lernen, und wir würden den Prozess dokumentieren. Perfekt. Sie stimmten sofort zu.

Willkommen, meine Damen und Herren, zu Türkisch in 7 Tagen.

Tag 1

 

„Unmöglich! Ist euch klar, wie schwer Türkisch ist? Das ist nicht, wie Italienisch oder Spanisch zu lernen. Ich meine, es ist echt schwer!“ – so Kutay, ein Kollege und gebürtiger Türke, am Morgen des ersten Tages, als er die Wohnung von Matthew und Michael betrat. Die Brüder entgegneten Kutays Skepsis mit leuchtenden Augen und noch mehr Begeisterung für das Projekt. Ganz nach Plan hatten sie morgens um Acht mit dem Lernen angefangen – zwei Bücher hatten sie innerhalb der ersten 90 Minuten bereits verschlungen.

Kutay war fassungslos, als er hörte, wie die beiden sich angeregt unterhielten. Seine Skepsis war verflogen und er war jetzt überzeugt davon, dass die Zwillinge die Sprache vor Ende der Woche beherrschen würden. Währenddessen spielten sich Matthew und Michael mit immer mehr neuen Sätzen und grammatischen Konstruktionen gegenseitig aus und suchten in Kutays Reaktionen nach Bestätigung. Die drei knabberten türkische Chips und aßen türkische Süßigkeiten, während sie die Slogans und Nährwertangaben auf den Verpackungen diskutierten. Nach einer Stunde war es Zeit, die Zwillinge wieder sich selbst zu überlassen. Wir überreichten ihnen eine kleine Handheld-Kamera, um ihr Videotagebuch aufzunehmen und ihre Aussprache zu trainieren, und verabschiedeten uns damit für den ersten Tag.

 

Tag 2

 

Jeden Dienstag und Freitag gibt es am Maybachufer in Berlin Kreuzkölln einen türkischen Markt. Mit seinen weißen Planen, die chaotisch über Marktstände drapiert sind, erstreckt sich der Markt entlang des Neuköllner Landwehrkanals. Die Zwillinge hatten gerade mal 26 Stunden Türkisch gelernt, als das Kamerateam und ich uns auf einer der Kanalbrücken zu ihnen gesellten. Ihre erste Bewährungsprobe in der echten Welt stand buchstäblich vor der Tür. Sie hatten zur Vorbereitung Obst- und Gemüsevokabeln gepaukt – davon waren vor allem armut („Birnen“) und elma („Äpfel“) hängen geblieben. Wie Michael feststellte, hat armut dank seines Homophons im Deutschen sowohl Wiedererkennungswert, als auch einen witzigen Beigeschmack – schließlich geht man nicht jeden Tag Armut kaufen. Elma dagegen gleicht in seinem Klang dem spanischen alma, das „Seele“ bedeutet.

Michael war zuerst an der Reihe und tauschte erfolgreich Geld gegen armut. Er grinste über das ganze Gesicht, als er sich zu uns umdrehte; sein erster Schritt zum Erfolg war getan. Nun war Matthew dran. Er schlenderte zum Stand und teilte dem Händler seine Absicht mit. Dieser war erst etwas überrascht – normalweise kommen die Leute auf den Markt, um einzukaufen und nicht, um zu plaudern. Dann schien er doch positiv angetan. Matthew hatte in der Zwischenzeit entweder das Wort für Äpfel vergessen, oder es sich anders überlegt – jedenfalls nahm er statt Äpfeln zwei Kilogramm portakal („Orangen“) mit.

Damit verabschiedeten wir uns von den Zwillingen, während sie in Richtung U-Bahn einem weiteren Nachmittag intensivem Lernens entgegen liefen.

 

Tag 3

 

Den dritten Tag widmeten Matthew und Michael ausschließlich dem Lernen. Wir betraten deshalb nur kurz ihre Wohnung, die sich seit Montag sehr verändert hatte: Die Wände waren mit Zetteln tapeziert und überall lagen Bücher verstreut. Die Zwillinge waren immer noch in bester Stimmung und bereiteten sich darauf vor, am nächsten Tag ihre erste türkische Unterhaltung mit einem Muttersprachler zu führen.

 

Tag 4

 

Alician kommt aus Istanbul und studiert gerade Informatik in Berlin. Zudem arbeitet er als Übersetzer und Lektor. Wir trafen uns mit ihm am Roten Rathaus und schlenderten dann zu Michael und Matthews Wohnung. Alician stand dem Unterfangen der Zwillinge genau so skeptisch gegenüber wie zuvor Kutay. Wie ein Kryptograf, der einen scheinbar nicht entschlüsselbaren Code geschrieben hat, schwärmte er von den unzähligen Schwierigkeiten, mit denen Türkischlerner konfrontiert werden. Er sah der „gestelzten Unterhaltung mit zwei blutigen Anfängern“ nicht gerade begeistert entgegen.

Das Filmteam von Stern TV packte gerade ein, als wir ankamen. Sie waren genauso fasziniert vom Vorhaben der Zwillinge wie wir. Nachdem Matthew und Michael den ganzen Morgen auf Deutsch, ihrer dritten Fremdsprache, ausgefragt wurden, erwarteten wir natürlich, sie erschöpft vorzufinden. Falsch gedacht: Stattdessen stürzten sich die Zwillinge nun auf Alican, wie sie es am ersten Tag schon bei Kutay getan hatten, und stellten ihm eine Frage nach der anderen: „Warum ist das so und so, und sagt man das wirklich so oder ist dieses Buch veraltet?“ Wir bauten leise eine Kamera im Esszimmer auf und ermunterten sie, ihre Unterhaltung fortzuführen. Nach dem Gespräch zeigte sich Alican deutlich beeindruckt: „Es ist echt verblüffend, dass ihr nach 4 Tagen schon so gut sprechen könnt. Ihr könnt sogar Sätze verbinden. Ich bin wirklich überrascht, wie schnell ihr lernt.“

 

Tag 5

 

Nicht weit von unserem Büro ist ein beliebtes türkisches Restaurant, wo Kellner und Kellnerinnen umgeben von aufgeregten Stimmen und klimpernden Teegläsern um die Tische wirbeln, Bestellungen aufnehmen und Essen austragen. Als wir uns setzten, kam die Besitzerin eilig zu uns, um Matthew und Michael persönlich zu begrüßen. Während der nächsten Stunden unterhielten sich die Zwillinge mit Kutay, entzifferten das Menü und versuchten anhand der Namen auf der Speisekarte, die Herkunft der Gerichte zu erraten. Am Ende des Restaurantbesuchs lehnte sich Kutay in seinem Stuhl zurück: „Also, ich wohne jetzt schon eine Weile in Berlin und habe immer noch Schwierigkeiten mit meinem Deutsch. Ihr beide habt quasi mein Level innerhalb von viereinhalb Tagen erreicht. Was ist euer Geheimnis?“

 

Tag 6

 

Die Woche war wie im Flug vergangen, alle Klebezettel hatten erfolgreich an der Wand gehalten und erinnerten nun als kleine bunte Denkmäler an eine Woche fleißigen Lernens. Nur noch 24 Stunden bis zur Bewährungsprobe der Zwillinge. Zum ersten mal schienen beide ein wenig unter dem Erwartungsdruck zu leiden. Sie waren besorgt, dass sie sich zu sehr darauf konzentriert hatten, Nomen zu lernen und dadurch die Modalverben (dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen) und Konditionalsätze vernachlässigt hatten – jetzt wissen wir also auch, was Sprachgenies schlaflose Nächte bereitet! Das Interessante an Modalverben im Türkischen ist, dass es sie eigentlich gar nicht gibt. Modalität wird stattdessen über Suffixe, also Nachsilben, ausgedrückt. Das Prinzip klingt nicht besonders schwer, aber während des Sprechens das richtige Suffix zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle des Verbes anzuknüpfen, ist noch einmal eine ganz andere Geschichte. Aufgrund der bevorstehenden Herausforderung waren die Zwillinge dazu übergegangen, Türkisch miteinander zu sprechen. Damit erschufen sie eine Welt, die wir – mit unseren im Vergleich bescheidenen Sprachkenntnissen – nicht durchschauen konnten. Es war trotzdem eine Freude, zuzusehen – und Zusehen war auch alles, was wir tun konnten.

 

Tag 7

 

Eine Woche ist nicht besonders lang, um eine Sprache zu lernen, aber genau das hatten sich Matthew und Michael nun einmal vorgenommen. Ich hatte die Zwillinge für ihre letzte Herausforderung in meine Wohnung eingeladen: Der Endgegner der Super Polyglot Brothers hatte weder einen Schildkrötenpanzer mit Stacheln auf dem Rücken, noch einen Umhang und Schwert (wie man das eben so von Endgegnern kennt, zumindest in Videospielen), sondern kam in Form des freundlich lächelnden Kutay – dieses Mal aber mit der Anweisung, auschließlich Türkisch zu sprechen. Ich hatte natürlich keine Ahnung, worüber sich die drei unterhielten. Und auch wie flüssig die Brüder sprachen, konnte ich nur von ihrer Geschwindigkeit ableiten. Sie machten ab und zu eine Pause, um konfuse Sätze neu zu strukturieren, und gewannen und verloren immer wieder an Dynamik, während sie zwischen Ambition und dem Versuch grammatischer Korrektheit hin und her sprangen.

Nach 40 Minuten wurde das Gespräch von einem Klopfen unterbrochen. Oz trat in den Raum. Oz – der aus der Smaragdenstadt? Naja, fast: Oz ist ein Entertainer aus Istanbul, der mit Turkish for Hipsters Berlinern die türkische Popkultur näher bringt – inklusive bizarrer Musik, Filmen aus den 60gern und 70gern, und türkischem Essen, das über den Dönertellerrand hinaus schaut. Genauso wie der große Zauberer war dieser Oz eine eindrucksvolle Gestalt: Einen großen Kopf hatte er zwar nicht, dafür aber viele, sich mysteriös wechselnde Hüte. Die Brüder rutschen unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Worauf hatten sie sich da nur eingelassen?

In der folgenden Stunde – halb Party, halb Quizzshow – tauchten wir in die türkische Filmbranche und Musikszene ein, identifizierten türkische Brotsorten und fanden heraus, wie man einen Qualitätsdöner von einem „Nöner“ unterscheidet. Oz gab sogar einen kurzen Vortrag in Linguistik und illustrierte, wie deutsch-türkische Jugendliche mit Grammatik und Vokabular beider Sprachen spielen und so eine Kreolsprache kreieren. Dann verschwand er genauso schnell, wie er erschienen war.

Nach den Anstrengungen der vergangenen Woche machte ich den Brüdern einen Tee und wir ließen die vergangene Woche Revue passieren – auf Englisch. Waren sie zufrieden mit ihrem Fortschritt? Was war das Highlight ihrer Woche? Was war der Tiefpunkt? Hatten sie einen Appetit für das Türkische entwickelt und würden sie es in Zukunft weiter lernen? Man weiß nie. Vielleicht wird ein zweiter Teil der Herausforderung in Istanbul folgen… es besteht Hoffnung!

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Ed M. Wood

Ed M. Wood kommt ursprünglich aus Wells, der kleinsten Stadt Englands, und lebt mittlerweile in Berlin. Er hat Psychologie an der Universität von Southampton studiert, bevor er als Lehrer und Übersetzer in Spanien, England und Deutschland arbeitete. Danach absolvierte er einen MA in Politikwissenschaft in Bath, Berlin und Madrid. Sprachen, Kulturen und Reisen gehören zu seinen Hauptinteressen und es waren diese drei Dinge, die ihn schließlich zum Babbel-Turm geführt haben, wo er bis heute residiert.

Ed M. Wood kommt ursprünglich aus Wells, der kleinsten Stadt Englands, und lebt mittlerweile in Berlin. Er hat Psychologie an der Universität von Southampton studiert, bevor er als Lehrer und Übersetzer in Spanien, England und Deutschland arbeitete. Danach absolvierte er einen MA in Politikwissenschaft in Bath, Berlin und Madrid. Sprachen, Kulturen und Reisen gehören zu seinen Hauptinteressen und es waren diese drei Dinge, die ihn schließlich zum Babbel-Turm geführt haben, wo er bis heute residiert.