Um die Ursprünge der Quechua-Sprache zu verstehen, müssen wir in die Vergangenheit reisen, in ein Gebiet in Peru und Ecuador, das heute als Chinchay bekannt ist.
Die Bewohner:innen dieser Gegend, die Chancas, waren ein Küstenvolk, das stark im Handel involviert war. Ihre wirtschaftlichen Interessen erlaubten es ihnen, mit anderen Völkern im Norden zu interagieren, die ebenfalls ihre Sprache, das Quechua, als Kommunikationsmittel zum Kauf und Verkauf von Produkten nutzten.
Der Name Quechua, der von einigen Wissenschaftler:innen als „gemäßigtes Tal“ übersetzt wird, bezieht sich auf die Ethnie, die im Hochbecken des Río Pampas in Apurimac lebte und als die ursprünglichen Sprecher:innen dieser Sprache und als Schlüssel für ihre Verbreitung gilt.
Die Geschichte der Quechua-Sprache
Die Inkas, die ursprünglich vom Titicacasee stammten, zogen nach Cuzco und sprachen ihre eigene Sprache, Pukina. Als die Menschen aus Titicaca im Tal von Cuzco ankamen, unterzogen sie ihre Sprache einigen Veränderungen. Zunächst mussten sie Aimara lernen, die damals vorherrschende Sprache. Nach dem Krieg mit den Chancas, die Quechua nach Cuzco brachten, mussten die Inkas allmählich Quechua lernen. Der endgültige Schritt zur Quechua-Sprache wurde mit den letzten Inkas Huayna Capac und Atahualpa vollzogen.
Als die Inka ihr Reich ausdehnten, wurde Quechua bereits im gesamten Gebiet Perus gesprochen, doch sie sorgten dafür, dass es sich auch im Südosten verbreitete.
Im Jahr 1575 erklärte Toledo Quechua, Aimara und Pukina zu den offiziellen Sprachen Perus und zu den wichtigsten Sprachen für die Evangelisierung. Als diese Erklärung abgegeben wurde, sprachen die Pukina-Sprecher:innen bereits immer mehr Quechua oder Aymara, weshalb Quechua und Aymara blieben, während Pukina nur noch in einigen wenigen religiösen Katechismen existiert.
Die Quechua-Sprache und ihre Grammatik
Um Quechua zu verstehen, musst du zwei Aspekte im Auge behalten: die Form, die Wörter annehmen, und wie sie in einem Satz angeordnet werden. Es handelt sich um eine agglutinierende und suffigierende Sprache, was bedeutet, dass es eine Reihe von Suffixen gibt, die an ein Wort angehängt werden, um es zu verlängern und zu einem vollständigen Wort zu machen, wie zum Beispiel:
- wasi — Haus
- wasiy — mein Haus
- wasiyki — dein Haus
- wasin — sein/ihr Haus
- wasinchik — unser Haus
- wasicha — kleines Haus
- wasichaykichik — ihr kleines Haus
- wasichaykichikkuna — ihre kleinen Häuser
Was die Syntax betrifft, so folgt die Sprache in der Regel der Reihenfolge Subjekt-Objekt-Verb, obwohl es auch hier Ausnahmen gibt.
Hier ein Beispiel:
Michi huk’uchata hap’in. — Die Katze jagt die Mäuse (Michi: Katze; huk’ucha: Mäuse; hap’i: jagen).
Jedes Wort hat seinen eigenen Fall und seine eigene Deklination.
Weitere Beispiele:
- qari — Mann
- qarim kani — Ich bin ein Mann
- warmi — Frau
- Huk warmim kani. — Ich bin eine Frau.
- qari warma — Junge
- Huk qari warmam kani. — Ich bin ein Junge.
Bei Adjektiven ist es genau umgekehrt. Sie stehen immer vor dem Substantiv:
- yuraq hatun wasi — großes weißes Haus
Quechua-Wörter
Viele dieser Wörter werden auch im Spanischen verwendet:
- achachay — sich kalt fühlen
- ayayay — Schmerz
- cautchouc — Kautschuk (caucho auf Spanisch)
- chakra — Farm, Feld (chacra auf Spanisch)
- chuqllu — Mais
- chullu — Hut
- chupi — Suppe
- kancha — Spielfeld oder -platz (cancha auf Spanisch)
- karka — Schmutz
- karpa — Zelt (carpa auf Spanisch)
- kinuwa — Quinoa
- khena — Flöte
- k’umpa — Hammer
- kuntur — Kondor
- Lama — Lama
- mati — Mate (eine Teesorte)
- michi — Katze
- nanay — Schlaflied (nana auf Spanisch)
- ñatu — jemand mit einer kleinen Nase (ñata auf Spanisch)
- palta — Avocado
- pampa — Ebene
- papa — Kartoffel
- pita — Faden
- Puma — Puma
- punchu — Poncho
- puna — Berggras
- putu — Krug
- sapallu — Kürbis (zapallo auf Spanisch)
- táchu — Eimer
- taita — Vater
- wanu — Guano
- wáwa — kleines Kind
- wik’uña — Vicuña (ein Tier)
- wincha — Maßband
- yapa — etwas Extra (ñapa auf Spanisch)
Spanische Wörter, die in Quechua übernommen wurden
Quechua-Sprecher:innen mussten Wörter aus der Sprache der Kolonialist:innen verwenden, um über Objekte oder Handlungen zu sprechen, die sie in ihrer eigenen Sprache nicht beschreiben oder benennen konnten. Zum Beispiel:
- avión — aviun („Flugzeug“)
- burro — burru („Esel“)
- caballo — cauállo („Pferd“)
- carro — carru („Auto“)
- cuchillo — cuchillu („Messer“)
- feria — firia („Fest“)
- higo — iwus („Feige“)
- iglesia — iglesia („Kirche“)
- misa — missa („Messe“)
- plátano — latanus („Kochbanane“)
- plaza — plaza („Stadtplatz“)
- vaca — waca („Kuh“)
Weitere spannende Fakten über die Quechua-Sprache
- Im Quechua existieren nur die Vokale a, i und u.
- In der Quechua-Sprache werden Suffixe an Wörter angehängt, um Freundlichkeit und Emotionen auszudrücken.
- Die meisten Wörter werden auf der vorletzten Silbe betont, und die Tilde wird in mehr als nur ein paar spezifischen Wörtern verwendet.
- Im Quechua gibt es keine Genusmarkierungen. Stattdessen benutzen sie modifizierende Wörter.
- Im Quechua gibt es keine Diphthonge.
- Der Buchstabe h wird wie im Deutschen ausgesprochen: hatun (groß)
- Der Buchstabe q wird wie ein doppeltes h ausgesprochen: qaway (hhaway, schauen)
Wie du siehst, ist Quechua eine uralte Sprache voller Geschichte, Kultur und Tradition. Wie andere Sprachen, zum Beispiel Nahuatl, zählt Quechua auch heute nicht zu den toten Sprachen, sondern ist noch sehr lebendig.
Tauche weiter in die faszinierende Welt der Sprachen ein und erfahre auch, in welchem Land die meisten Sprachen gesprochen werden.
Dieser Artikel ist ursprünglich in der spanischen Ausgabe des Babbel Magazins erschienen.