Sprachen sind nicht nur ein Mittel der Kommunikation, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Identität eines Volkes, einer Gemeinschaft und eines Individuums. Wie sehr Sprache und Identität zusammenhängen und welche Wirkkraft Sprachen beigemessen wird, wird deutlich, wenn wir einen Blick auf die Weltgeschichte werfen und uns anschauen, wann und wieso gewisse Sprachen verboten oder unterdrückt wurden.
Die Gründe dafür waren und sind oft politischer oder ideologischer Natur und haben oftmals schwerwiegende Folgen. Das Thema ist sehr komplex. Wir nähern uns mit vier Beispielen aus der ganzen Welt:
Sprachverbote weltweit: ein Blick auf die Geschichte und die Gegenwart
Verbotene Sprachen in den Vereinigten Staaten
Man denkt es vielleicht nicht, aber auch in den Vereinigten Staaten gab es Zeiten, in denen es verboten war, bestimmte Sprachen zu sprechen. Während des Ersten Weltkriegs war es beispielsweise in einigen Staaten illegal, Deutsch zu sprechen.
Deutsche machten zwischen 1840 und 1880 die größte Einwanderergruppe aus. Sie entwickelten sich über die Jahre zu einem integrierten und geschätzten Teil der amerikanischen Gesellschaft. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs änderte sich das jedoch schlagartig. Während dieser Zeit wurde ihnen oft vorgeworfen, sie würden zu sehr mit dem kaiserlichen Deutschland sympathisieren. Dem Rechtshistoriker Paul Finkelman zufolge herrschte damals die Auffassung, dass Deutsch zu sprechen gleichbedeutend damit sei, wie Deutsche zu denken, was wiederum als Bedrohung gesehen wurde. Die deutsch-amerikanische Presse wurde zensiert und Bibliotheken nahmen deutsche Bücher aus den Regalen. Die Deutsch-Amerikaner:innen standen unter großem Druck, zu beweisen, dass sie keine Spionierenden waren und mussten ihren „Patriotismus“ verdeutlichen.
Das hatte zur Folge, dass Deutsch von der am zweithäufigsten gesprochenen Sprache in Amerika zu einer Minderheitensprache wurde, auch noch lange nach Kriegsende. An vielen Schulen wurde Deutsch aus dem Lehrplan gestrichen, sodass der Anteil der Highschool-Schüler:innen, die Deutsch lernten, von 25 % (1915) bis zum Ende des Ersten Weltkriegs auf weniger als 1 % sank. Die Deutsch-Amerikaner:innen selbst wurden von der größten nicht-englischsprachigen Minderheit in den USA zu einer der am stärksten zur Assimilierung gedrängten Gruppen.
Heute hat die deutsche Sprache zwar nicht den gleichen Einfluss wie das Spanische oder Chinesische, dennoch gibt es immer noch eine bedeutende Anzahl von Menschen, die Deutsch sprechen oder eine Verbindung zur deutschen Kultur haben. Besonders in den Regionen, in denen Deutsch historisch eine bedeutende Rolle spielte (z.B. Pennsylvania und Texas) werden deutsche Dialekte und Traditionen weiterhin gepflegt und es gibt mehr deutsche Schulen als in anderen Landesteilen.
Quechua
Sprachverbote gab und gibt es weltweit – auch in der Geschichte Lateinamerikas finden sich Beispiele. Während der Kolonialzeit verboten die Spanier:innen die am weitesten verbreitete indigene Sprache Lateinamerikas: Quechua – auch bekannt als Inkasprache. Sie war die Sprache des mächtigen Inkareichs, das große Teile des heutigen Perus, aber auch Bolivien, Ecuador, Chile, Argentinien und Kolumbien umfasste.
Das Verbot der Sprache durch die Erobernden hatte verschiedene Gründe. Die Spanier:innen betrachteten die indigene Kultur und Sprache als Hindernisse für ihre eigene Vorherrschaft und die Durchsetzung des katholischen Glaubens. In der Verbreitung des Spanischen sollte ihre eigene Macht gefestigt werden.
Trotz der Unterdrückung und des Verbots gelang es der Sprache, in den indigenen Gemeinschaften zu überleben. Quechua wurde oft im Geheimen weitergegeben und innerhalb der Familien und Gemeinschaften gesprochen. Es war ein Akt des Widerstands gegen die koloniale Herrschaft und eine Möglichkeit, die eigene kulturelle Identität zu bewahren.
Mit der Unabhängigkeit der südamerikanischen Länder Anfang des 19. Jahrhunderts begann sich ein neues Bewusstsein für die Wiederbelebung der indigenen Sprachen zu entwickeln. Quechua wurde als offizielle Sprache anerkannt und in einigen Ländern wie Peru und Bolivien in die Bildungssysteme integriert. In Bolivien ist die Sprache heute beispielsweise als Amtssprache anerkannt.
Katalanisch
Ein weiteres Beispiel verbotener Sprachen ist Katalanisch, das im 8. und 9. Jahrhundert aus dem Vulgärlatein der Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien entstand. Heute wird es in Katalonien, auf den Balearen, Aragonien, Andorra, Südfrankreich und von einigen wenigen Menschen auf Sardinien gesprochen. Doch das Katalanische und seine Sprecher:innen haben auch andere Zeiten erlebt. Während der Franco-Diktatur sollten die baskischen und katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen unterbunden werden. Francos Vision eines einheitlichen Nationalismus sollte gefördert und so der zentralistische spanische Staat gestärkt werden. Um das zu erreichen, verbot er alle Sprachen außer dem Kastilischen – so auch Katalanisch von 1939 bis 1975. Die Verwendung war weder in der Schule, in Zeitungen, im Radio oder in anderen Lebensbereichen erlaubt. Ortsnamen, aber auch manche Personennamen wurden geändert. Katalanisch zu sprechen wurde mit Geldbußen, Inhaftierung und sogar Folter bestraft. Trotz der Unterdrückung hielten viele Menschen an ihrer kulturellen Identität fest und sprachen die Sprache im Geheimen. Nach Francos Tod legte 1978 eine neue Verfassung die Voraussetzung für die Wiedereinführung der Sprache im öffentlichen Leben. Katalanisch wurde ein Jahr später als eigenständige Sprache anerkannt und in Katalonien als regionale Landes- und Amtssprache etabliert. Im Laufe der Jahre wurden weitere Maßnahmen getroffen, um die Sprache zu fördern: In Schulen und Universitäten wird der Unterricht auf Katalanisch gehalten, Straßenschilder sind wieder auf Katalanisch und auch in den Medien ist die Sprache präsent.
Uigurisch
Ein aktuelleres Beispiel ist die Unterdrückung der uigurischen Sprache. Welche von den Uiguren, einer turksprachigen Volksgruppe in Zentralasien, gesprochen wird. Ein Großteil der ethnischen Minderheit lebt in der Region Xinjiang in China.
Die chinesische Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die uigurische Sprache einzuschränken. Eine dieser Maßnahmen im Bildungssystem besteht darin, Mandarin als Unterrichtssprache einzusetzen. Uigurischsprachige Schulen wurden geschlossen oder gezwungen, den Unterricht auf Mandarin umzustellen. Zahlreiche uigurische Bücher wurden verboten oder zensiert. Zudem hat die chinesische Regierung eine umfassende Überwachungs- und Kontrollinfrastruktur in Xinjiang aufgebaut, um die Aktivitäten der Uiguren zu überwachen. Dies schließt auch die Überwachung der Kommunikation und Internetnutzung ein, wodurch die Verwendung der uigurischen Sprache in digitalen Medien stark eingeschränkt wird.
Diese Unterdrückungsmaßnahmen haben zu erheblichen Auswirkungen auf die uigurische Sprache und Kultur geführt. Viele Uigur:innen, insbesondere die jüngere Generation, haben Schwierigkeiten, ihre eigene Sprache zu erlernen oder zu verwenden.
Die Unterdrückung der uigurischen Sprache wird international als eine ernsthafte Verletzung der Menschenrechte und der kulturellen Rechte der Uigur:innen angesehen. Es gibt zunehmend Bemühungen von Menschenrechtsorganisationen und der internationalen Gemeinschaft, auf diese Situation aufmerksam zu machen und die Rechte der Uigur:innen, einschließlich ihrer Sprache, zu schützen.
Welche Folgen haben Sprachverbote und was ist der Mehrwert von Sprachenvielfalt?
Die genannten Beispiele sind nur einige von vielen. Sie zeigen, wie Sprache als politisches Instrument eingesetzt wurde und bis heute noch wird. Die Folgen von Sprachverboten sind oft gravierend. Sie können dazu führen, dass die Sprecher:innen ihre Identität und Kultur verlieren. Die Verbote behindern zudem oftmals die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, da die Personen nicht in der Lage sind, effektiv zu kommunizieren und am öffentlichen Leben, im Bildungswesen und in der Arbeitswelt teilzunehmen.
Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit sind von entscheidender Bedeutung für den Erhalt der kulturellen Vielfalt. Sie tragen zur sozialen Integration und zum interkulturellen Dialog bei. Wenn wir die Sprachen anderer Menschen wertschätzen, respektieren und womöglich sogar lernen, öffnen wir die Tür zu einem tieferen Verständnis und gegenseitigem Respekt. So können Barrieren abgebaut werden und ein Miteinander verschiedener Gemeinschaften und Kulturen entstehen.