Vor zehn Jahren reiste ich durch Lateinamerika und kam dabei das erste Mal nach Peru, wo ich in Lima eine meiner besten Freundinnen kennenlernte. Unter dem Vorwand, sie zu besuchen, reiste ich noch fünf weitere Male in das faszinierende Andenland. So nutzte ich jeden Aufenthalt, um neue Gerichte zu probieren, peruanische Sätze und Redewendungen zu lernen und das Land in vollen Zügen zu genießen. Ich nehme euch jetzt mit auf eine sprachliche Reise quer durch Peru, indem wir gemeinsam in zehn typischen Redewendungen und Ausdrücke schwelgen.
1. Peruanische Redewendung: cielo color panza de burro – „eselsbauchfarbener Himmel“
Wenn ich alle meine Reisen nach Peru zusammenzähle, war ich insgesamt sicher fünf Monate meines Lebens in Lima, wohin ich immer wieder gerne zurückkehre. Eines der ersten Dinge, die ich über Lima lernte, war: Hier regnet es einfach nie, und wenn doch Wasser vom Himmel fällt, sind es nur ein paar winzige Tröpfchen, für die man nicht einmal einen Regenschirm braucht. Der Himmel über Lima ist fast immer von grauen Wolken bedeckt. Die Limeños nennen ihn deshalb liebevoll cielo color panza de burro, also „eselsbauchfarbener Himmel“. Der Ausdruck stammt übrigens von Héctor Velarde Bergmann, einem peruanischen Architekten und Autor.
2. Peruanischer Ausdruck: me quedé jato – „ich bin eingeschlafen“
Eines Nachmittags tauschten der Bruder meiner Freundin und ich uns über typische Ausdrücke aus unseren Heimatländern aus, sowie andere Sammelfiguren tauschen. Er war Fan der argentinischen Rockband Soda Stereo und kannte viele Ausdrücke aus dem Lunfardo, einer argentinischen Varietät des Spanischen, die viele Einflüsse aus dem Italienischen aufweist. Ich hatte hingegen überhaupt keine Ahnung von Redewendungen und Slangausdrücken aus Peru, deshalb holte ich meinen Notizblock hervor und begann wie bei einem Diktat mitzuschreiben.
Dabei lernte ich unter anderem folgende umgangssprachlichen Ausdrücke:
- chamba (Standard: trabajo, „Arbeit“)
- jato (Standard: casa, „Haus“)
- me quedé jato (Standard: me quedé dormido, „ich bin eingeschlafen“)
- chela (Standard: cerveza, „Bier“)
- estoy misio (Standard: no tengo dinero, „ich bin pleite“)
- mi flaca oder mi enamorada (Standard: mi novia, „meine Freundin“)
- un floro (Standard: una mentira, „eine Lüge“)
An jenem Nachmittag begann ich zu ahnen, dass Spanisch eine Sprache voller unbekannter Ecken und Winkel ist, die ich noch längst nicht in ihrer Vielfalt erforscht habe.
3. Typisch peruanisches Wort: ceviche – lateinamerikanische Speise mit frischem Fisch oder Meeresfrüchten
Ceviche habe ich das erste Mal auf das Drängen eines peruanischen Freundes hin probiert. Wir wählten ein bekanntes Restaurant im Zentrum von Lima, das übrigens seine Ceviche auch aus einem kleinen Wagen neben dem Fußballstadion verkauft. Ich bestellte mir Ceviche mit Fisch, nicht scharf. Das war ein Wendepunkt meiner gastronomischen Erfahrungen. Niemals zuvor hatte ich eine solche Geschmackskombination mit einem einzigen Biss gespürt: die Säure der Zitrone, in die der Fisch eingelegt und gegart wird, die leichte Schärfe der Zwiebel, der großkörnige Mais (choclo) und – meine Lieblingszutat – der süße Geschmack der Süßkartoffel (camote). Wann immer ich kann, esse ich Ceviche, schließe die Augen und finde mich in Gedanken in Peru wieder.
4. Typisch peruanisches Wort: maracujá – tropische Frucht
Die peruanische Küche ist eine meiner liebsten Küchen! Was ich am meisten mag, ist die Verschmelzung verschiedener Geschmacksrichtungen, die du in den einzelnen Gerichten herausschmecken kannst. Es fällt mir extrem schwer, mich für ein Leibgericht zu entscheiden, denn ich liebe folgende:
- papa a la huancaína (Kartoffeln, Eier und Blattsalat mit einer scharfen Soße aus gelbem Chili, Crackern und Milch)
- ají de gallina (pikante Hähnchenbrust)
- pollo a la brasa (Brathähnchen)
- lomo saltado (Pfannengericht mit Rindfleisch, Zwiebeln und Tomate)
- Avocadosalat
Neben all diesen Gerichten, gibt es jedoch diese eine Frucht, die mich ganz verrückt macht und die ich jeden Tag essen könnte: maracujá (auf Deutsch ohne den Akzent als Maracuja bekannt). Sie wächst in so ziemlich jedem tropischen Land, aber in Peru, wo ich diese Frucht entdeckt habe, passt sie zu wirklich jedem Gericht: Sushi mit Maracuja, Maracuja Sour (eine abgewandelte Version von Pisco Sour), Ceviche mit Maracuja oder auch Maracuja-Käsekuchen. Meine bevorzugte Variante ist und bleibt es aber, Maracuja ohne alles in mich hineinzulöffeln.
5. Station der sprachlichen Reise durch Peru: Plaza de Armas, Cuzco – sehenswürdiger Hauptplatz
Als ich das erste Mal in der Mitte der Plaza de Armas von Cuzco stand, blieb mir für einen Augenblick der Atem weg. Und das lag nicht an der Höhe (3399 Meter über dem Meeresspiegel): Ich fühlte, dass ich an einem magischen Ort war. Jeden Tag wiederholte ich das gleiche Ritual: Ich setzte mich auf eine Bank, um das tägliche Leben zu beobachten. Ich sah Gruppen von Jungs, die im Brunnen spielten, Touristen, die in die Kathedrale hinein- und wieder herausströmten, wandernde Händler, die Touristentouren und Zigaretten anboten, Paare Arm in Arm im Sonnenschein, Großväter, die sich ausruhten. Im Hintergrund die Häuser an den Hängen der Berge, die ziegelfarbenen Dächerreihen, tiefhängende Wolken, der blaue Himmel. Hier habe ich gelernt: Wenn ich das Leben in einer peruanischen Stadt oder einem Dorf sehen will, muss ich mich einfach auf die Plaza de Armas setzen.
6. Peruanischer Begriff: Huayna Picchu – Gipfel neben der Inkaruine Machu Picchu, Wahrzeichen Perus
Während des Aufstiegs auf den 2701 Meter hohen Huayna Picchu, den Berg, der normalerweise im Hintergrund von Panoramaaufnahmen der Inkastadt Machu Picchu zu sehen ist, passierte einiges: Zuerst einmal bestieg ich den Berg eine Weile lang, ohne auch nur das Geringste zu sehen, weil es noch sehr früh war und die ganze Landschaft in dichten Nebel gehüllt war. Irgendwann ging mir die Puste aus. Unsere 300-Meter-Etappe dauert ungefähr 45 bis 60 Minuten. Ich hielt an, um mich kurz auszuruhen. In dieser Pause lernte ich drei Mädchen aus Argentinien kennen, die heute meine guten Freundinnen sind – eine von ihnen illustriert sogar meine Bücher. Als ich oben auf dem Gipfel ankam, vertrieb eine Windböe die Nebelschwaden, und so sah ich zum ersten Mal die Ruinen von Machu Picchu von oben.
7. Typisch peruanisches Wort: temblor – „Zittern, Erdbeben“
Ich schlief noch, als ich merkte, wie jemand an meinem Bett rüttelte. Ich öffnete die Augen, ohne zu merken, was eigentlich los war, und sah die Lampe an der Decke wie ein Pendel hin- und herschwingen. Alle Gegenstände vibrierten. Jemand schrie: temblor („Erdbeben“)! Wir liefen schreiend aus dem Haus, während der Boden sich unter unseren Füßen bewegte. Später las ich in der Zeitung, dass es ein Erdbeben der Stärke 5,3 gewesen war und das 33. Erdbeben in diesem Jahr. Da Peru auf dem Pazifischen Feuerring, einem seismisch sehr aktiven Gebiet der Erde, liegt, kommen Erdbeben hier häufig vor.
8. Peruanische Wörter: costa, sierra, selva – „Küste, Gebirge, Wald“
Peru ist, nicht nur hinsichtlich seiner Gastronomie, ein sehr abwechslungsreiches Land, sondern auch bezüglich seiner Geografie und den Landschaften. Jedes Mal, wenn ich nach Peru reise oder mich mit einem Peruaner unterhalte, kommt mindestens einer der folgenden drei Begriffe vor: costa („Küste“), sierra („Gebirge“), selva („Wald“). Ich höre dann Sätze wie:
- Para comer eso tienes que ir a la sierra. – „Um das zu probieren, musst du hoch in das Gebirge.“
- Si te gusta el surf ve a las playas de la costa norte. – „Wenn du gerne surfst, geh am besten an die Strände der nördlichen Küste.“
Fast alle sind sich übrigens darin einig, dass ich unbedingt selva, also den Regenwald, kennenlernen muss. Das steht für mich allerdings noch aus, deshalb hoffe ich, bald wieder nach Peru zu reisen und eine mir noch unbekannte Seite dieses Landes voll Flüssen und üppiger Natur entdecken zu können.
9. Typisch peruanischer Ausdruck: tráfico – „Verkehr“
Ich habe noch nie in meinem Leben so einen Verkehr wie den in Lima erlebt, wo die Autos und combis (Kleinbusse für den öffentlichen Transport) sich geradezu tetrisartig anzuordnen scheinen. Bei meinem ersten Aufenthalt in Lima musste ich im Schnellverfahren das Wichtigste über die Nutzung der combis lernen: der Linienverlauf jeder Linie wird wie bei einem Marktschreier durch lautes Rufen bekanntgegeben, es gibt einen extra Co-Fahrer, der das Geld für die Tickets kassiert, die Cumbia-Musik läuft in voller Lautstärke und es gibt immer noch Platz für einen Fahrgast mehr. Ich lernte auch, dass man beim Taxifahren den Fahrtpreis immer vor der Fahrt aushandelt und dass es ein Erlebnis für sich ist, Verkehrsteilnehmer in Lima zu sein.
10. Typisch peruanisch: ya – vielseitig verwendbarer Ausruf, wortwörtlich „schon“
Jedes Mal, wenn ich mit meiner peruanischen Freundin telefoniere, lerne ich neue Ausdrücke. Dank ihr verstehe ich peruanische Slangwörter:
- chévere („cool, geil“)
- bacán („cool, geil“)
- alucina (in etwa „du spinnst“)
- habla pe („sag mal“)
- mi broder („mein Bruder/Kumpel“, vom englischen brother)
- pucha (Schimpfwort)
- huevona (Schimpfwort)
- asuuu (Ausruf)
Und bei jedem Gespräch entdecke ich eine neue Verwendung des kleinen Wörtchens ya, was im Standardspanischen eigentlich „schon“ heißt. Je nach Intonation und Kontext kann ya in Peru Folgendes bedeuten:
- „ja“ (ya)
- „es reicht“ (¡ya!)
- „beeil dich“ (¿ya?)
- „erzähl weiter“ (ya …)
- „achso“ (ahhh ya)
- „ich glaube dir nicht“ (yaaa pues)
Sicher gibt es noch jede Menge Bedeutungen von ya, die ich noch nicht kenne und noch lernen muss. Davon erzähle ich dir nach meiner nächsten Reise!