Wer sich für das Erlernen einer neuen Sprache interessiert, reist normalerweise auch gern. Nur so können wir wirklich in eine andere Kultur eintauchen, Einheimische kennenlernen und Neues erleben. Doch in den letzten Jahren ist ein Begriff in der Reisebranche immer populärer geworden: Overtourism – der Massentourismus als Kehrseite des Reisens.
Während einst das Entdecken ferner Länder die wichtigste Einnahmequelle für Einheimische war, wird mittlerweile die Lebensqualität vor Ort durch die Masse an Touristen extrem eingeschränkt. Nicht nur das: Auch die Umwelt trägt enorme Schäden vom Sturm der Massen davon. Wir zeigen dir, wie du trotzdem noch guten Gewissens die Welt erkunden kannst – respektvoll und verantwortungsbewusst.
Overtourism – was bedeutet der Begriff?
Mit Overtourism, auch Übertourismus genannt, wird das Phänomen beschrieben, bei dem beliebte Reiseziele unter dem Massenansturm von Touristen zusammenbrechen. Das passiert, wenn die Zahl der Touristen die Kapazitäten vor Ort übersteigt – und die negativen Aspekte des Tourismus überwiegen. Wenn das Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage nicht mehr stimmt, ersticken manche Orte am Massentourismus. Auslöser für eine gesteigerte Nachfrage nach bestimmten Reisezielen sind gut gemeintes Marketing, sowie die weltweit steigende Anzahl an Reisenden. Zusammen mit der immer besseren Mobilität dank Billigfluglinien in den letzten Jahren ergibt sich eine brisante Situation.
Auch eine Lage am Meer ermöglicht einen Massenansturm, wenn riesige Kreuzfahrtschiffe mit mehreren tausend Touristen auf einmal die Städte überrennen – von Barcelona über Venedig bis zur Halong-Bucht in Vietnam. Einen weiteren großen Einfluss auf die oftmals plötzliche Beliebtheit von Reisezielen haben Film und Fernsehen: Das beste Beispiel dafür ist Dubrovnik in Kroatien, Drehort der Mega-Serie Game of Thrones. Seit der Ausstrahlung ächzt das Hafenstädtchen unter den vielen Besuchern – und wäre wohl ansonsten vom Massenansturm verschont geblieben.
Das Problem des Overtourism wird sich in Zukunft noch verschärfen: Laut Welttourismusorganisation werden die Touristenzahlen weiter steigen – um weitere 50 % in den nächsten 15 Jahren. Allein seit 1950 ist die Zahl der Reisenden bereits um das Vierzigfache gestiegen.
Was genau ist das Problem?
Der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger hat bereits 1979 den berühmten Satz gesagt: „Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet.” Heutzutage leben beispielsweise noch 5000 Venezianer in der historischen Altstadt – im Gegensatz zu 60.000 Touristen pro Tag. Die Mieten in überlaufenen Städten weltweit steigen, Wohnraum wird durch Ferienwohnungen und neue Hotels immer knapper, die Gassen immer enger und voller. Das schränkt die Lebensqualität der Einheimischen deutlich ein. Auch auf die Umwelt und die Tiere hat Overtourism schädliche Auswirkungen: Wege werden niedergetrampelt, Strände und Meere vermüllt, Ökosysteme zerstört.
Reiseziele, die besonders vom Massenansturm betroffen sind, versuchen mittlerweile, sich dagegen zu wehren: Auf Mallorca gehen die Bewohner auf die Straßen und demonstrieren gegen die Massenströme. Venedig verlangt nun eine Eintrittsgebühr von drei Euro pro Tag und baut Drehkreuze. Amsterdam verbietet Gruppenführungen durch sein bekanntes Rotlichtviertel.
Aber nicht nur Städte sind vom Overtourism betroffen: Die historische Inkastadt Machu Picchu in den Anden von Peru wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als ein Zeitlimit einzurichten. So können einzelne Sehenswürdigkeiten des UNESCO-Weltkulturerbes nur noch wenige Stunden pro Tag besucht werden. Diese Maßnahme schützt die historische Steinstruktur vor dem Verfall.
Der Strand Maya Bay vor der thailändischen Insel Ko Phi Phi wurde für Besucher gleich ganz geschlossen. Der Ort erlangte Weltberühmtheit, nachdem er im Hollywoodfilm The Beach als Aussteigerparadies dargestellt wurde. Nun ist das Besuchen des Strandes bis 2021 für Touristen verboten, damit sich die Natur und Tierwelt vor Ort erholen kann.
Was können Reisende gegen den Massentourismus tun?
Alle von uns haben in der Hand, wohin die nächste Reise geht. Das Gegenteil vom Massentourismus ist sanfter Tourismus: Im Sinne des nachhaltigen Reisens wird Rücksicht auf das Reiseziel genommen, es wird sich respektvoll und verantwortungsbewusst verhalten, damit der Ort so bleibt, wie alle ihn selbst vorfinden möchten.
Umso mehr kannst du darauf achten, im nächsten Urlaub auf besonders überlaufene Reiseziele zu verzichten – und stattdessen auf weniger bekannte Orte auszuweichen. Wer will sich schon mit den Menschenmassen durch die Straßen quetschen? Wie wäre es also mit Slowenien anstatt Italien? Mit Usbekistan anstatt Kroatien? Es gibt so viele schöne Orte auf der Welt, die es zu entdecken gilt! Ab jetzt heißt es also: lieber noch einmal drüber nachdenken, ob es nicht eine schöne Alternative gibt. Wenn es trotzdem einer der beliebten Reiseorte sein muss, kannst du in der Nebensaison reisen.
So umgehst du, dass du zum Problem beiträgst und kannst die Orte trotzdem besichtigen. Wie wäre es mit Venedig im Januar oder Amsterdam im Februar? Überhaupt haben die Städte der Welt außerhalb des Stadtzentrums noch so viel mehr zu bieten – wer sich auf eigene Erkundungstour begibt, umgeht die Menschenmassen und entdeckt gleichzeitig das echte Leben vor Ort.
Auch unberührte Orte haben ihren ganz besonderen Reiz. Aber Vorsicht: Gerade in Zeiten von Instagram und Co. kann so ein bisher unentdecktes Reiseziel schnell selbst einen Massenansturm erleben. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Trollunga in Norwegen. Seitdem sich Instagrammer auf dem Felsvorsprung fotografieren, stehen die Besucher Schlange für ein Selfie. Es bilden sich Staus und die kleine Gemeinde wird von Touristen überrannt. Damit der Undertourism, das Gegenteil von Overtourism, nicht dasselbe Schicksal erleidet, solltest du also bewusst und vorsichtig damit umgehen. Viele lokale Tourismusämter bitten deshalb inzwischen ihre Besucher, die Geotagging-Funktion bei Fotos auf Social Media gleich ganz auszuschalten.
Wer an Orte fernab des Trubels reist, erlebt sowieso das Glück vieler Reisender: Die Einheimischen freuen sich noch über Besuch, du kommst in Kontakt, erlebst etwas und hast daheim etwas zu erzählen – im kleinen Rahmen natürlich, damit es nicht wieder zum Overtourism führt!