Sprache entwickelt sich stetig weiter. Daher ist es manchmal nicht ganz einfach, bestimmte Sprachepochen voneinander abzugrenzen. Auch wenn der Unterschied zwischen Old English („Altenglisch“) und Modern English („modernes Englisch“, auch Neuenglisch genannt) auf der Hand liegt – wer heutiges Englisch spricht, hat kaum eine Chance, Altenglisch zu verstehen, ohne es zu studieren – so haben sich diese Veränderungen über Jahrhunderte vollzogen. Noch schwieriger ist es, Middle English und Modern English voneinander abzugrenzen: Die Unterschiede sind zwar deutlich, doch Grammatik und Wortschatz sind sich viel ähnlicher. Lass uns einen Blick darauf werfen, wann der Übergang von der einen Sprachvariante zur anderen stattfand und wodurch sich beide unterscheiden.
Von Altenglisch über Mittelenglisch zum heutigen Englisch
Altenglisch war eine germanische Sprache, die auf den britischen Inseln gesprochen wurde. In vielen Aspekten ähnelt die altenglische Grammatik eher der deutschen als der modernen englischen. Wie schon gesagt, ist es schwierig, eine scharfe Grenze zwischen Altenglisch und Mittelenglisch zu ziehen. Doch es gibt ein Ereignis, das den Übergang von einer Variante zur anderen gut markiert: die normannische Eroberung im Jahr 1066.
Schon vorher beeinflussten andere Völker die altenglische Sprache. Im ersten Jahrtausend nach Christus brachten die Wikinger das Altnordische auf die britischen Inseln. Auch durch den römischen Einfluss gingen einige lateinische Begriffe in die Sprache ein. Als die Normannen eine frühere Variante des Französischen in das heutige England brachten, kam es zu einem grundlegenden Sprachwandel.
Zum einen veränderte sich die Grammatik, die dem heutigen Englisch sehr viel ähnlicher ist. Außerdem gelangte eine Vielzahl neuer Begriffe in den Wortschatz. Auch wenn die meisten gängigen englischen Wörter direkt vom Altenglischen abstammen, stammen etwa 30 Prozent aus dem Französischen. Diese Veränderungen kamen nicht über Nacht und so wird der Beginn der mittelenglischen Sprachepoche meist eher um die Mitte des 12. Jahrhunderts datiert.
Die Entwicklung von Mittelenglisch zu modernem Englisch, ist viel schwieriger zu beschreiben. Die Sprache war über Jahrhunderte im Fluss, da sich die politischen Machtverhältnisse auf den britischen Inseln immer wieder veränderten. Französische Wörter gelangten weiterhin ins Englische, wenn auch mit der Zeit weniger, da der französische Einfluss abnahm. Und es gab noch weitere Veränderungen, da es einfach im Wesen der Sprache liegt, sich stetig weiterzuentwickeln, vor allem wenn es keine standardisierte Rechtschreibung oder Aussprache gibt.
Der Zeitraum von Mitte bis Ende des 15. Jahrhunderts markiert in der Regel das Ende der mittelenglischen Sprachepoche und die Entstehung der modernen englischen Sprache oder, genauer gesagt, von Frühneuenglisch. Es gab zwar viele Faktoren, doch einer der wichtigsten war die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg und dessen Einführung in England durch William Caxton. Zum ersten Mal konnten Bücher (relativ) schnell produziert werden, was zu einer Standardisierung der Sprache beitrug. Auch das war nicht gerade ein schneller Prozess, doch er ermöglichte, dass sich eine Variante des Englischen viel stärker und weiterverbreiten konnte als je zuvor.
Die größten Unterschiede zwischen „Middle English“ und „Modern English“
Im Gegensatz zu Altenglisch ist Mittelenglisch heutzutage für Englisch sprechende Menschen noch halbwegs verständlich, auch wenn es vielleicht nicht ganz einfach ist. Die ersten acht Zeilen von Geoffrey Chaucers Canterbury Tales, dem wohl berühmtesten Werk in mittelenglischer Sprache, sind ein gutes Beispiel, um das zu verdeutlichen:
Whan that aprill with his shoures soote
The droghte of march hath perced to the roote,
And bathed every veyne in swich licour
Of which vertu engendred is the flour;
Whan zephirus eek with his sweete breeth
Inspired hath in every holt and heeth
Tendre croppes, and the yonge sonne
Hath in the ram his halve cours yronne,
Auch wenn gleich klar ist, dass es sich nicht um modernes Englisch handelt, gibt es viele Wörter, die du vielleicht wiedererkennst und im Wesentlichen auch verstehst, was Chaucer sagen möchte.
Grammatik
Alt- und Mittelenglisch sind in Bezug auf ihre Grammatik unterschiedlich, Mittelenglisch und modernes Englisch sind hingegen fast identisch. Die Wortstellung ist die gleiche, und wenn du jedes einzelne Wort in den Canterbury Tales in seine moderne Entsprechung übersetzen würdest, wäre es so gut wie immer möglich. Es gibt allerdings ein paar interessante Ausnahmen und es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen:
- Pronomen: Im Mittelenglischen wurde in der 2. Person Plural zwischen formellen und informellen Pronomen unterschieden (wie auch heute in vielen anderen Sprachen, wie z. B. Spanisch oder Französisch). Das formelle Pronomen im Nominativ war thou und das informelle Pronomen war ye (welches auch gleichzeitig die Pluralform war, die es im heutigen Englisch nicht mehr gibt). Heute ersetzt you beide Pronomen (und auch y’all, wenn du diesen speziellen Dialekt verwendest).
- Verben: Im Mittelenglischen endeten Verben in der 3. Person Singular auf -eth oder -th, wie in Pride goeth before the fall („Hochmut kommt vor dem Fall“). Im Frühneuenglischen wurden diese Endungen durch ein einfaches -s ersetzt.
Diese Liste enthält nicht alle grammatikalischen Veränderungen, doch es sind die, die dir am häufigsten begegnen werden.
Rechtschreibung
Die Rechtschreibung hat sich wahrscheinlich am stärksten verändert, was das Beispiel der Canterbury Tales oben verdeutlicht. Aus Aprill wurde April („April“), aus roote wurde root („Wurzel“), aus vertu wurde virtue („Tugend“) und so weiter. Um alle Veränderungen aufzulisten, die die Rechtschreibung betreffen, wäre wahrscheinlich ein ganzes Wörterbuch nötig, doch es gibt ein paar besonders markante Unterschiede:
- Der Laut [th] wurde durch den Buchstaben (þ) ausgedrückt, den sogenannten thorn („Dorn“), der heute nicht mehr verwendet wird.
- Die Buchstaben „I“ und „J“ waren austauschbar, ebenso wie „U“ und „V“.
- Der Buchstabe, der das lange „S“ ausdrückte, sah manchmal aus heutiger Sicht eher wie ein „F“ aus.
- Das „Y“ wurde manchmal anstelle des „I“ verwendet.
- Viele Wörter endeten auf ein „e“ (wie roote), das dann mit der Zeit wegfiel.
Aussprache
Was die Rechtschreibung nicht widerspiegelt, ist, wie sich die Aussprache in den letzten Jahrhunderten verändert hat. Ursprünglich versuchte die Schreibweise eines Wortes den Wortlaut widerzuspiegeln: Das „k“ in knight wurde tatsächlich ausgesprochen. Doch im Übergang von Mittelenglisch zu Frühneuenglisch kam es zu einem Lautwandel.
Eine besondere Bedeutung hatte der Great Vowel Shift oder „große Vokalverschiebung“, als sich die Aussprache der Vokale in bestimmten Wörtern veränderte. (Vokalverschiebungen kommen ziemlich häufig vor.) Nur weil sich die Aussprache verändert, heißt es noch lange nicht, dass sich die Rechtschreibung entsprechend ändert. Das ist auch der Grund, warum Englisch lernen so viel Kopfzerbrechen bereiten kann: Sehr oft spiegeln moderne Schreibweisen eine Aussprache wieder, die heutzutage überhaupt nicht mehr verwendet wird.
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