Wir alle wissen: Intelligenz drückt sich auf vielerlei Arten aus. Der eine kann sich einen Haufen wichtiger Geschichtsdaten merken, die andere kann Logikrätsel in Sekunden lösen, und wieder jemand anders kann komplexe mathematische Gleichungen im Kopf ausrechnen. Deshalb lässt sich Intelligenz auch nicht allein an einer Zahl festmachen. Es ist eher so wie in dem berühmten Zitat, das fälschlicherweise oft Albert Einstein zugeschrieben wird: „Jeder ist ein Genie. Aber wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist“. Vielleicht ist das der Grund, warum sich das Konzept der emotionalen Intelligenz in den letzten Jahrzehnten so etabliert hat. Denn es ist ziemlich offensichtlich, dass ein gutes Gespür für Gefühle genauso wichtig sein kann, um sich in der Welt zurechtzufinden, wie Auswendiglernen und logisches Denkvermögen.
Schließlich arbeiten die verschiedenen Areale in unserem Gehirn nicht isoliert voneinander: Wenn du deine Intelligenz in einem Bereich erhöhst, kann sich das auch auf andere Bereiche positiv auswirken. In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, was emotionale Intelligenz mit dem Sprachenlernen zu tun hat. Und dazu schauen wir uns zuerst einmal an, was emotionale Intelligenz überhaupt ist.
Was ist emotionale Intelligenz?
„Emotionale Intelligenz“ klingt erst einmal nach einem ziemlich simplen Konzept: Es geht um eine Form von Intelligenz, bei der sich alles um unsere Gefühlslagen dreht. Innerhalb des Fachbereichs, der sich wissenschaftlich mit diesem Thema befasst, herrscht allerdings jede Menge Uneinigkeit darüber, was emotionale Intelligenz eigentlich ist und wie sie sich messen lässt.
Seit Hunderten von Jahren gehen Menschen der Frage nach, was Emotionen sind und wie wir sie einsetzen. Aber die früheste Forschung zu dem, was wir heute emotionale Intelligenz nennen, stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts – eine ziemlich junge Wissenschaft also. Der Begriff tauchte erstmals im Jahr 1964 auf, eines der ersten Konzepte kam 1990 von Peter Salovey und John Mayer. Im Laufe ihrer langjährigen Forschung haben sie ihre Ideen mehrmals präzisiert, die Kernidee aber ist, dass sich emotionale Intelligenz in vier Fähigkeiten aufteilt: Emotionen wahrnehmen, nutzen, verstehen und regulieren.
So richtig populär wurde das Konzept der emotionalen Intelligenz dann im Jahr 1995 durch den Wissenschaftsjournalisten Daniel Goleman. Sein Werk EQ. Emotionale Intelligenz war das erste Buch zu diesem Thema, das für ein breites Publikum bestimmt war.
Während das Thema in der Forschung noch in den Kinderschuhen steckte, war Golemans Buch eher ein Selbsthilfebuch für Führungskräfte. Er beschrieb darin fünf emotionale Fähigkeiten, die in seinen Augen wichtig sind, um Menschen effektiv führen zu können: soziale Kompetenz, Motivation, Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung und Empathie. Später reduzierte er diese fünf Fähigkeiten auf die vier Aspekte emotionaler Intelligenz: Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Beziehungsmanagement und soziale Kompetenz.
An dieser Stelle sei gesagt: Golemans Ideen zu emotionaler Intelligenz waren zwar von Anfang an sehr einflussreich, sind aber wissenschaftlich weniger fundiert als die von anderen Forschenden. Keine Frage, sie können von Nutzen sein und haben durchaus einen festen Platz in der Ausbildung von Führungskräften. Trotzdem weichen sie von den Erkenntnissen ab, die die noch junge Wissenschaft immer wieder zutage fördert. Aber sie sind ein guter Ausgangspunkt!
Wie kannst du emotionale Intelligenz nutzen, wenn du eine neue Sprache lernst?
Das Erlernen einer Sprache gehört zu den kompliziertesten Fähigkeiten überhaupt. Denn es geht nicht nur um Grammatik und Wortschatz, sondern auch darum zu lernen, wie du mit anderen in Kontakt kommst und dich ausdrückst. Und deshalb spielt emotionale Intelligenz auf deiner Sprachlernreise auch so eine wichtige Rolle. Hier sind einige Möglichkeiten, wie du die von Goleman definierten Fähigkeiten einsetzen kannst.
- Selbstwahrnehmung – wie schon der alte Sokrates sagte: Erkenne dich selbst! Als Erstes solltest du herausfinden, was deine Motivation fürs Lernen ist. Denn diese Motivation treibt dich auch dann voran, wenn du kurz vor dem Aufgeben bist. Außerdem solltest du dir möglicher negativer Emotionen bewusst sein, um zu erkennen, welche Aspekte du beim Lernen frustrierend findest. Vielleicht ist es eine bestimmte Grammatikregel? Oder eine Lernmethode ist nicht die richtige für dich? Wenn du das weißt, kannst du nach Lösungen suchen und weitermachen.
- Selbstregulierung – wenn du dir deiner Emotionen bewusst bist, kannst du versuchen, sie ein bisschen besser zu regulieren. Eines der größten Hindernisse für alle Lernenden ist, die eigene Angst zu bewältigen. Lerne zum Beispiel, was du tun kannst, wenn etwas schiefgeht, oder wie du ein Gespräch anfängst. Hauptsache ist, dass du dich nicht von negativen Emotionen vom Lernen abhalten lässt.
- Soziale Kompetenz – wenn du nicht gerade eine tote Sprache lernst, sind Sprachen von Natur aus eine ziemlich zwischenmenschliche Angelegenheit. Sobald du die neue Sprache ein bisschen besser beherrschst, musst du dich auch mit kulturellen Unterschieden auseinandersetzen und dich in einem neuen sozialen Umfeld und einer Welt zurechtfinden, in der deine Muttersprache nicht gesprochen wird.
- Beziehungsmanagement – hast du erst einmal die ersten Phasen des Sprachenlernens hinter dir, möchtest du Beziehungen mit anderen Menschen aufbauen. Wer kann dir dabei helfen? Das kann eine Lehrperson sein, oder ein Freund, der auch die Sprache lernen möchte, jemand, der oder die an einem Sprachaustausch teilnimmt, oder auch nur eine fremde Person, die dir online Tipps gibt. Du musst also gar nicht der extrovertierteste Mensch der Welt sein, sondern einfach nur aus deiner Komfortzone herauskommen und dich auf neue Menschen einlassen.
Auf deinem Weg stellst du dann vielleicht fest, dass die emotionale Intelligenz ganz von alleine wächst. Dabei ist eine Sprache eine tolle Möglichkeit, weil du gezwungen bist, die Sache langsam anzugehen und an deinen Kommunikationsfähigkeiten zu arbeiten. Es lohnt sich aber, auch das ganz bewusst zu tun. Während du die Sprache lernst, nimm dir die Zeit zu analysieren, wie du dich fühlst und wie du dich in das Netzwerk, das du dir aufbaust, einlebst. Letztendlich kommt dir das in sämtlichen Bereichen des Lebens zugute.