Illustration von Eliran Harush
Spätestens seit Ende 2017, als die Welt in einen wahren Bitcoin-Rausch verfiel und der Kurs der digitalen Währung ins Unermessliche zu steigen schien, sind Kryptowährungen in aller Munde. Dachte man bei Bitcoins bis vor Kurzem noch an abgedrehte Computernerds in dunklen Kellern und das Schattenreich des Darknets, so begegnet man der „digitalen Münze“, wie Bitcoin wörtlich übersetzt heißt, heute überall – sei es in dubiosen Werbeanzeigen à la „Werde Bitcoin-Millionär“ oder in deutschen TV-Formaten wie dem Tatort. Dennoch sind Kryptowährungen und damit verbundene Begriffe wie Blockchain und Mining für viele vor allem eins: kryptisch! Aus diesem Grund nehmen wir dich mit auf eine Reise in die Welt der Kryptowährungen und der Sprache des Geldes: Wir erklären dir, wie Kryptowährungen funktionieren und was sich hinter Begriffen wie hodl, DAO und Ethereum verbirgt.
Wieso gibt es Kryptowährungen?
Alles begann im Jahr 2008, als ein geheimnisvoller Unbekannter unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Dokument mit der Beschreibung des Bitcoin-Zahlungssystems und dem entsprechenden Programmiercode veröffentlichte. Dieses System sollte sichere Bezahlvorgänge direkt von Nutzer zu Nutzer ohne eine zentrale Autorität ermöglichen. 2009 erschien die dazugehörige Software – für jedermann frei zugänglich als Open Source. Seitdem wird der Bitcoin öffentlich gehandelt und gilt als erste und bekannteste Kryptowährung, also eine Währung, die auf den Prinzipien der Verschlüsselung (Kryptographie) – und somit auf einer Codierungssprache – beruht.
Die Popularität des Bitcoins ist nicht nur auf seine Vorreiterrolle zurückzuführen, sondern auch auf seine bemerkenswerte Kursentwicklung: Gingen im Mai 2010 noch zwei Pizzen für 10.000 Bitcoins über die digitale Ladentheke, so wurde der Bitcoin im November 2013 bereits auf über 1.000 US-Dollar dotiert, im Dezember 2017 kletterte er zeitweise gar auf 20.000 US-Dollar. Auch andere Kryptowährungen wie Ether (die Währung von Etherum), Dash und Ripple legten 2017 eine geradezu astronomische Wertsteigerung hin. Seit Anfang 2018, als viele Kryptowährungen massive Kurseinbrüche verzeichneten, scheint sich der Goldrausch jedoch wieder etwas gelegt zu haben.
Was ist Blockchain?
Schauen wir ein bisschen tiefer in den Kaninchenbau hinein: Abgesehen von der beeindruckenden Spekulationsblase, die sich im letzten Jahr aufgebläht hat, ist das Besondere an Kryptowährungen wie dem Bitcoin vor allem die Technologie, die dahintersteckt: die Blockchain (wörtlich „Blockkette“). Nicht wenige handeln sie bereits als die revolutionärste Erfindung seit dem Internet. Aber was steckt dahinter? Am besten lässt sich die Blockchain wohl mit einem großen Haushaltsbuch vergleichen, in das alle Transaktionen, die innerhalb eines Netzwerks getätigt werden, eingetragen werden. Allerdings liegt dieses Haushaltsbuch nicht auf einem einzigen zentralen Rechner, sondern auf allen Rechnern der Netzwerk-Mitglieder, die eine bestimmte Software (zum Beispiel die Bitcoin-Software Bitcoin-Client) installiert haben und über das Internet miteinander verbunden sind. Durch ständiges Hin- und Herschicken werden die Transaktionen auf sämtlichen Computern permanent aktualisiert. Alle zehn Minuten wird eine neue Seite mit Transaktionen ins Haushaltsbuch eingeheftet, also ein neuer Block an die Blockchain angehängt. Jeder der Computer im Netzwerk wetteifert darum, den nächsten Block anzuhängen, da er dafür eine Belohnung bekommt. Schafft er dies, überprüfen alle anderen Computer seinen Block. Wenn sie mit dem neuen Block und den darauf vermerkten Transaktionen einverstanden sind, übernehmen sie die Daten in ihr Haushaltsbuch. Dieses Konzept der Buchführung über ein Konsenssystem bezeichnet man auch als Distributed-Ledger-Technologie (distributed ledger heißt so viel wie „verteiltes Hauptbuch“). Es funktioniert automatisch, ohne dass jemand es überwachen müsste. Die dezentrale Kontrolle nach kryptographischen Prinzipien und die Unumkehrbarkeit von Überweisungen macht zudem Fälschungen und Betrug beim Bezahlen mit Kryptowährungen nahezu unmöglich. Somit können Transaktionen – anders als bei traditionellen Zahlungssystemen – ohne eine überwachende Institution direkt von Nutzer zu Nutzer stattfinden. Deshalb werden Kryptowährungen wie der Bitcoin auch Peer-to-Peer-Währung genannt (von Englisch peer „Gleichgestellter“, „Ebenbürtiger“). Das spart einerseits Zeit und Transferkosten, andererseits wird die Identität der Nutzer geschützt. Wir lernen also: Bitcoin ist nicht nur eine digitale Währung, sondern auch gleichzeitig eine dezentral organisierte Bank, die nicht auf offizielle Institutionen angewiesen ist.
Auf digitaler Schatzsuche: Mining
Technologie, schön und gut – aber wie kommt man denn nun eigentlich an Bitcoins? Nun, da gibt es mehrere Möglichkeiten: Entweder man kauft sie einfach zum aktuellen Kurs (teuer!). Oder man verkauft etwas und lässt sich in Bitcoin bezahlen. Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, an das digitale Gold zu gelangen: das Mining, zu Deutsch auch „Schürfen“. Natürlich schuftet man hierzu nicht mit Pickel und Helm in einem unterirdischen Bergwerk, aber energieintensiv ist die Suche nach Bitcoins allemal: Aktuell verschlingt der Abbau der wertvollen Kryptotaler pro Jahr ungefähr soviel Energie wie ganz Argentinien!
Dieser hohe Stromverbrauch ist auf die Funktionsweise der Blockchain zurückzuführen. Ihr erinnert euch: Alle Computer des Netzwerks wollen gerne die nächste Seite mit Transaktionen ins Haushaltsbuch einheften. Um festzulegen, welcher Teilnehmer das darf, muss eine kryptographische Rechenaufgabe gelöst werden, die je nach Größe des Netzwerks immer komplizierter (und somit rechenintensiver) wird. Dies nennt man Proof of Work („Arbeitsnachweis“). Dadurch wird sichergestellt, dass das Erzeugen neuer Blocks mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden ist, um so eventuellen Bitcoin-Betrügern keine Chance zu geben. Hat nun ein Computer die Rechenaufgabe gelöst, darf er den nächsten Block mit Transaktionen an die Blockchain anhängen. Dafür wird er mit Bitcoins belohnt, die in seine Bitcoin-Wallet („Bitcoin-Geldbörse“) fließen. Die Rechenaufgaben sind allerdings mittlerweile so komplex geworden, dass sie nur noch von extra zu diesem Zweck hergestellten Superprozessoren oder einem gewerblichen Zusammenschluss vieler Rechner (sogenannte Bitcoin-Farmen) gelöst werden können. Für Privatpersonen ist das Mining daher so gut wie unmöglich geworden.
Also vielleicht doch in günstigeren kryptischen Zaster investieren? Schließlich gibt es neben dem Bitcoin noch jede Menge weitere Kryptowährungen wie Ether (momentaner Wechselkurs bei ca. 520 €), Ripple (ca. 0,70 €), Dash (ca. 385 €) oder Litecoin (ca. 125 €). Darknet-Gangster setzen übrigens eher auf Währungen wie Monero (Esperanto für „Münze“), weniger wegen der hohen Renditen als vielmehr aufgrund der höheren Anonymität, die diese Kryptowährung ihren Nutzern bietet.
Hinter dem Bitcoin-Horizont: Ethereum
Dass die Blockchain-Technologie noch viel mehr kann, als Transaktionen von Kryptogeld zu verwalten, beweist Ethereum. Denn Ether ist nicht nur die zweitgrößte Kryptowährung nach dem Bitcoin, sondern in erster Linie bekannt als Ethereum, was eine Plattform ist, die die Abwicklung von Smart Contracts auf Grundlage der Blockchain-Technologie ermöglicht. Smart Contracts sind digitale Verträge, die erst dann ausgeführt werden, wenn der Verkäufer sein Geld erhalten hat. Dies geschieht in Form von Ether, der eigens für Ethereum entwickelten Kryptowährung. Diese schlauen Verträge sorgen also dafür, dass alle beteiligten Parteien sich an die zuvor festgelegten Regeln halten. Das ermöglicht zum Beispiel eine sichere Autovermietung ohne Personal oder eine bargeldlose Zahlung über Iriserkennung, wie sie bereits in jordanischen Flüchtlingslagern zum Einsatz kommt. Oder aber die Verwaltung ganzer Organisationen: autonom, dezentral und ohne Vorstand. Solche Organisationen nennt man DAO. Dahinter verbirgt sich keine esoterische Weltanschauung, sondern eine Decentralized Autonomous Organization („dezentrale autonome Organisation“). DAOs funktionieren auf Grundlage der über die Blockchain festgelegten Regeln und sind quasi virtuelle Organisationen innerhalb von Ethereum. Im Prinzip kann jeder eine solche DAO gründen. Die Teilnehmer können anonym bleiben und müssen sich nie treffen. Die erste und bekannteste DAO in der Ethereum-Blockchain ist übrigens The DAO, eine autonome und automatisierte Investmentfirma, die ursprünglich zu Crowdfunding-Zwecken ins Leben gerufen wurde. Wer mitentscheiden will, kauft sich Stimmberechtigungsanteile, sogenannte DAO-Tokens. Die Funktionsweise ähnelt ein bisschen einer Aktienausgabe, nur dass die Mitglieder wie in einer direkten Demokratie über die Verwendung des Guthabens mitbestimmen.
Das alles bedeutet im Klartext: Die Blockchain-Technologie ermöglicht eine ganz neue Art von Organisation, die auf komplett anderen Prinzipien als traditionelle Institutionen basiert: Dezentralisierung, Unveränderlichkeit und Autonomie. Wie diese Technologie unsere Gesellschaft verändern wird, lässt sich bislang nur spekulieren: Wird die Blockchain uns zukünftig den Gang zur Wahlurne ersparen? Bezahlen wir im Supermarkt bald alle per Iris-Scan? Werden Banken, wie wir sie kennen, in Zukunft überflüssig sein?
Hodln oder nicht hodln, das ist hier die Frage
Eines steht jedenfalls schon fest: Die Sprache der Kryptowährungen ist nicht nur kryptisch und manchmal überaus komplex, sondern auch humorvoll, wie man an den kreativen Wortneubildungen erkennen kann, die in Insiderkreisen kursieren: So rufen sich Bitcoin-Anleger ein ermutigendes Hodl! zu, wenn es darum geht, Bitcoin-Bestände zu behalten, anstatt sie zu verkaufen. Noch absurder als das Wort selbst ist allerdings die Geschichte, die dahinter steckt. Im Dezember 2013, als sich der Bitcoin-Kurs auf Talfahrt befand, verfasste ein User namens „GameKyuubi“ einen Beitrag in einem Bitcoin-Forum, in dem er begründet, warum er seine Bitcoins nicht verkaufen wolle. Der Titel des Beitrags lautete I AM HODLING (anstatt I AM HOLDING, „ich halte“, also er behält seinen Währungsbestand trotz Crash). Der Tippfehler war dem Verfasser selbst schon aufgefallen, er hatte den Titel auch schon zweimal neu getippt und es letztendlich aufgegeben, da er, wie er in seinem Beitrag verlauten ließ, zu betrunken war. Keine elf Minuten später folgte das erste Meme, der Solidaritätsruf WE OL SHAL HODL (Krypto-Englisch für „Lasst uns alle die Währungsbestände behalten“) war sogar bereits nach sechs Minuten geboren. Innerhalb kürzester Zeit ging der Begriff viral und avancierte gar zum Backronym, einem Wort, dessen einzelne Buchstaben erst nachträglich als Anfangsbuchstaben von Wörtern interpretiert werden. Demnach steht hodl für hold on for dear life („sich daran festklammern, als ginge es um Leben oder Tod“).
Du siehst, die Sprache des Geldes kann durchaus Spaß machen. Wenn du dich jedoch aus dem riskanten Anlagegeschäft mit Kryptowährungen und den Untiefen des Darknets lieber raushalten willst, dann lerne eine Sprache, mithilfe derer du dich ohne finanzielle Investments mit anderen Menschen aus der ganzen Welt vernetzen kannst.