Du interessierst dich also für Polnisch. Vielleicht spielst du gerade mit dem Gedanken, diese Sprache zu lernen. Oder du bist schon dabei, mittendrin im Buchstabensalat aus „z“s und „y“s und noch mehr „z“s. Bestimmt kannst du dann schon mit einem raschelnden Cześć! grüßen, dich souverän mit Mam na imię … vorstellen oder gar mit Poproszę pierogi! jene leckeren polnischen Exportschlager bestellen. Bravo, du bist auf dem richtigen Weg! Aber ich sehe schon, du willst mehr … Du willst die Piroggen nicht nur bestellen können, du willst auch sagen können, dass du sie liebend gerne isst, dass du an nichts anderes mehr denken kannst und auch nachts davon träumst. Also gut, dann schauen wir doch mal, welche Redemittel du brauchst, um auf Polnisch auszudrücken, was du magst – und was nicht.
Aus zwei mach eins
Zuallererst brauchst du natürlich das Wort für „mögen“, also lubić. Und du brauchst es in der richtigen Form: „Ich mag“ – Lubię. Moment!, sagst du: Im Deutschen stehen doch zwei Wörter, im Polnischen aber nur eins? Wo ist der Haken an der Sache? Der Haken an der Sache ist das „e“ mit dem Häkchen unten dran: das „ę“. Denn dieses kleine „ę“ zeigt an, dass du von dir selbst sprichst, es ist die Endung für die erste Person Einzahl – und damit ist ein eigenes Wort für „ich“ überflüssig. Streng genommen gibt es an der Sache noch nicht mal einen Haken, oder vielmehr: Man hört ihn nicht, denn in der gesprochenen Sprache klingt das „ę“ wie ein gewöhnliches „e“. So weit, so gut, sagst du, aber kommen wir endlich zu den Piroggen!
Wie also fügt man die Piroggen an das Mögen?
Im Polnischen stehen Nomen nach dem Verb lubić im Akkusativ (genau wie im Deutschen übrigens auch). Aha, und was soll das bitte heißen? Für die Piroggen heißt das erst mal gar nichts, man klatscht sie einfach direkt hinten dran, so wie sie sind – butterweich und salzig, am besten mit etwas Schmand garniert: Lubię pierogi! So einfach ist das. Prima, freust du dich, und willst deine pierogi gleich mit einem Klecks śmietana genießen: Lubię … śmietana? Sachte, sachte, nicht so schnell!
Denn hier macht dir der Akkusativ einen Strich durch die Rechnung. Bei den meisten Nomen in der Mehrzahl und bei männlichen und sächlichen Nomen in der Einzahl bleibt er unsichtbar, aber bei den weiblichen (śmietana) will er dann doch gesehen werden: Lubię śmietanę! Huch, da ist es wieder, dieses „ę“ mit dem unerhörten, pardon: unhörbaren Haken, das sich frech und gewieft an den polnischen Schmand hängt. Dass die Endungen für die erste Person Einzahl bei Verben (wie bei „Ich mag“ – Lubię) und für weibliche Nomen im Akkusativ (śmietana wird zu śmietanę) gleich sind, ist übrigens reiner Zufall. Endungen, die sich überschneiden, werden dir im Polnischen leider noch öfter begegnen …
Okay, aber wozu brauche ich überhaupt diesen Akkusativ?
Ganz einfach: Der Akkusativ markiert dein Objekt der Begierde. Je eindeutiger das Verhältnis von Wörtern im Satz geklärt ist, desto flexibler wird die Satzstellung. Schau zum Beispiel hier:
Dawid lubi śmietanę. – „Dawid mag Schmand.“
Śmietanę lubi Dawid. – „Schmand mag Dawid.“
Im Deutschen ist (zumindest grammatisch) nicht klar, ob es Dawid ist, der den Schmand mag, oder es der Schmand ist, der Dawid mag. Ganz anders im Polnischen: Hier zeigt das „ę“ in śmietanę eindeutig an, dass der Schmand das Gemochte ist, egal, an welcher Stelle er stehen mag.
Belebt oder unbelebt?
„Okay, egal,“ sagst du, dann bleibe ich eben bei den männlichen Nomen und Namen, denn du hast an Dawid, der śmietanę mag, Gefallen gefunden: Lubię Dawid? Nun, nicht ganz. Hatte ich etwa behauptet, der Akkusativ bei männlichen Nomen würde unsichtbar bleiben? Vielleicht gibt es ein paar klitzekleine Ausnahmen … Es gibt da nämlich so eine grammatische Kategorie, die heißt männlich belebt und kriegt im Akkusativ ein „a“ hinten dran. Also: Lubię Dawida – nichts Großes, wie du siehst. Und was, wenn ich einen unbelebten Dawid lieber mag?, fragst du frech. Mal abgesehen davon, dass das etwas morbide ist, bekommt alles, was männlich ist und einmal gelebt hat oder leben wird, ein „a“ – Lubię Dawida, ob pränatal oder postmortem, und damit basta!
Ob Dawid nun lebt oder nicht, deine Gefühle für ihn sind damit gestorben und du wendest dich wieder dem Essen zu. Es gelüstet dich jetzt nach ein wenig Exotik: Lubię ananas. Etwas mehr Animismus, wenn ich bitten darf! Schließlich gibt es durchaus Menschen, die einer Ananas ihre Belebtheit nicht absprechen würden – die Polen zum Beispiel: Lubię ananasa.
Und dann war da noch der Genitiv …
Jetzt hast du definitiv genug und kannst die blöde Ananas schon gar nicht mehr leiden: Nie lubię ananasa! Ja, richtig, lass deinen Gefühlen freien Lauf! Nie lubię Dawida! Schade, aber okay. Nie lubię śmietanę! … Oh, das hatte ich wohl vergessen zu erwähnen: Wenn man lubić verneint (indem man, wie du es ganz richtig gemacht hast, nie – „nein, nicht“ davorstellt), dann steht das damit verschmähte Nomen im Genitiv, also: Nie lubię śmietany.
Wie bitte, der Genitiv? Ist das nicht der Fall, den man verwendet, wenn es um den Besitzer geht, also pierogi Dawida („Dawids Piroggen“)? Genau. Die Polen aber lieben ihren Genitiv so sehr, dass sie ihn nicht nur beim Besitzer anwenden, sondern paradoxerweise auch da, wo etwas fehlt oder nicht vorhanden ist: Nie ma śmietany – „Es gibt keinen Schmand.“ Nie lubię twarogu. – „Ich mag keinen twaróg“, sprich: „Meine Vorliebe für dieses typisch polnische Milchprodukt ist nicht vorhanden.“ Moment, und was ist mit Dawida? War das nicht der Akkusativ? Richtig! Aber: Wie ich schon erwähnte, im Polnischen überschneiden sich viele Endungen, und das gilt auch für den Akkusativ und Genitiv von männlichen belebten Nomen:
Lubię Dawida. – Akkusativ
Nie lubię Dawida. – Genitiv
Die unseligen unbeseelten männlichen Nomen hingegen haben so wie die weiblichen und sächlichen eigene Formen:
Lubię twaróg. – Nie lubię twarogu.
Lubię śmietanę. – Nie lubię śmietany.
Lubię mleko. – Nie lubię mleka.
Lubię …
Hallo? Bist du noch da?
Bevor du Polnisch aufgibst, fass dir an die deutsche Nase
Bevor du jetzt die polnische Sprache dorthin schickst, wo der Pfeffer wächst, wird es dich vielleicht trösten, dass du mit deinem Grammatikblues in guter Gesellschaft bist: Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hat auf seiner Europareise einst den Versuch unternommen, Deutsch zu lernen, und uns dabei seine Lernerfahrungen in dem großartigen Essay Die schreckliche deutsche Sprache hinterlassen. Am Ende seiner Tirade gegen die Stellung der Verben in Nebensätzen oder die Deklination von Artikeln und Adjektiven kommt er zu dem Schluss, dass Deutsch eine tote Sprache sei, denn schließlich hätten nur die Toten genug Zeit, es zu lernen. Man kann nur ahnen, was er zur polnischen Sprache gesagt hätte, hätte er sich einige hundert Kilometer weiter in den Osten gewagt …
Bevor du jedoch eine Verzweiflungstat begehst, um mehr Zeit für die polnische Grammatik zu haben, sei auf die Grammatikkurse bei Babbel hingewiesen: Hier wirst du in leicht verdaulichen Häppchen an den Akkusativ, den Genitiv und die anderen Fälle im Polnischen herangeführt, damit dir auch dieses Erdenleben für das Erlernen von Polnisch reicht. Letztlich ist alles, was du fürs Polnischlernen brauchst, ein bisschen Humor und Gelassenheit.