Die exzentrische Geschichte der englischen Rechtschreibung (und warum sie so wahnsinnig kompliziert ist)

Warum ist die Schreibweise des Englischen so kompliziert? Dass die Rechtschreibung im Englischen so widersprüchlich ist, rührt von einer langen komplizierten Geschichte mit vielen verschiedenen Akteuren her.

Die englische Rechtschreibung ist eine harte Nuss. Als mein Englischlehrer zum ersten Mal das Wort through an die Tafel schrieb, musste ich mir das Wort zuerst phonetisch einprägen und danach lernen, wie man es richtig ausspricht. Bald darauf musste ich mich mit zwei besonderen Kategorien auseinandersetzen: Homophone (Wörter, die gleich ausgesprochen werden) wie zum Beispiel seen/scene, hear/here und Heteronymen (Wörter, die gleich geschrieben, aber anders ausgesprochen werden) wie zum Beispiel lead/lead oder present/present.

Wie kann ich die englische Rechtschreibung verstehen?

Vielleicht ist die Rechtschreibung deshalb so verwirrend, weil die Geschichte des Englischen ebenso chaotisch ist. Ein kurzer Blick auf die englische Geschichte zeigt uns, dass die britischen Inseln über die Jahrhunderte hinweg von einer riesigen Anzahl an verschiedenen Stämmen und Kulturen kolonisiert, besetzt oder heimgesucht wurden.

Germanische Wurzeln

In der Zeit des Römischen Reichs kamen germanische Völker, die eine Vielzahl an west-germanischen Dialekten sprachen, auf diese Inseln, um sie zu besiedeln. Aus diesen Dialekten entwickelte sich dann Angelsächsisch und Altenglisch.

Christlicher Einfluss aus Rom

Bald schon kamen christliche Missionare und brachten Lateinisch mit, was zur Christianisierung im späten 7. Jahrhundert führte. Damit einhergehend änderte sich die Schrift, und das altenglische lateinische Alphabet wurde um das 9. Jahrhundert herum eingeführt. Aber die Sprache, die die Angelsachsen sprachen, umfasste auch Laute, die es im Lateinischen nicht gab. Deshalb wurden Runen wie „Þ“ (später „th“) mit aufgenommen, und lateinische Buchstaben mussten in Gruppen wie beispielsweise „gh“ zusammengefasst werden, um die von den Menschen dort genutzten Laute wiederzugeben. („Das „gh“ spricht man aber normalerweise im Englischen nicht aus“, höre ich dich bereits sagen. Dazu später mehr …)

Die Nordische Invasion

Im späten 8. Jahrhundert gab es eine weitere Invasion der britischen Inseln. Die Wikinger landeten und plünderten christliche Dörfer und Klöster, wobei sie ein großes Chaos und auch einige Wörter zurückließen. Viele Wörter, die mit „th“ beginnen, kommen aus der altnordischen Sprache – wie thrust, thrift, they, there und then, ebenso wie viele Wörter, die mit „sk“ beginnen – wie skirt, sky, skill und skin. Durch die Wikinger wurden die Sprachen, die in den Gebieten gesprochen wurden, mit denen sie in Kontakt kamen, modernisiert, indem die Grammatik angepasst wurde und die von den Angelsachsen gesprochene Sprache direkter wurde.

Die Eroberung durch die Normannen

Im 11. Jahrhundert sollte es jedoch erneut eine Veränderung geben, als Wilhelm der Eroberer in England landete und die anglonormannische Sprache, ein nördlicher Dialekt des Altfranzösischen, zur Sprache der Elite machte. Jury, clerk, justice sind nur ein paar der ungefähr zehntausend Wörter, die bis zum 14. Jahrhundert ins Englische Eingang fanden. Parliament ist ein weiteres – schließlich ist parler französisch für „sprechen“, und ein Parlament ist der Ort, an dem Politiker sprechen. Centre wurde ebenso in seiner ursprünglichen französischen Schreibweise beibehalten – obwohl die US-Amerikaner dies sehr viel später in center umwandelten – ebenso wie colour, aus dem schließlich color wurde.

Wenn Wörter sich wandeln

Unterdessen fand ungefähr zwischen 1350 und 1700 der Great Vowel Shift (die Vokalveränderung der englischen Sprache) statt. Die Aussprache von Wörtern wie bite, meet, out und boot durchlief über eine Zeitspanne von 350 Jahren eine Veränderung, sodass diese am Ende ganz anders klangen. Zum Beispiel klang das Wort name im Mittelenglischen ungefähr so wie naam [naːm], also viel mehr wie das heutige deutsche Wort „Name“. Tatsächlich näherte sich die Aussprache des Wortes erst um das Jahr 1850 herum an die heutige Aussprache [neɪm] an.

Auch andere Laute veränderten sich oder verschwanden ganz. Wenn man sich Wörter ansieht, die den Laut -ough beinhalten, die alle denselben Frikativ-Laut aufwiesen (wie in den heutigen deutschen Wörtern „Bach“ oder „Loch“), kann man eine Verwandlung erkennen, die zur Folge hat, dass es heute so verschiedene Aussprachen wie die der Wörter through, rough, cough, thought und bough gibt. Der Diphthong (Doppellaut) „gh“ in dem Wort light wurde ebenso mit einem Kehllaut ausgesprochen. Aber im 17. Jahrhundert war dieser Laut fallen gelassen worden oder hatte sich zu einem hörbaren „f“ gewandelt. Dennoch wurde die Schreibweise „gh“ beibehalten.

Es gab auch andere Buchstaben, die damals noch ausgesprochen wurden, wie das „k“ in knight. Aber auch dieser Laut erstarb, ebenso wie das hörbare „w“ in wrong.

Und dann führte die Druckerpresse zu einem richtigen Durcheinander

Bis jetzt hatten wir es ja nur mit einer mündlichen Tradition zu tun. Mit der Erfindung der Druckerpresse jedoch wurde die Schreibweise vieler Worte festgelegt, während sich ihre Aussprache weiterhin wandelte. Das Ergebnis sind die vielen verwirrenden Eigenarten, die mit jedem vorangehenden Dialekt und jedem kulturellen Wandel übernommen wurden.

Doch damit nicht genug. William Caxton brachte die Druckerpresse nach England – und mit ihr die fremdsprachigen Schriftsetzer. Arbeiter aus den Niederlanden, die die englische Schreibweise nicht kannten, nutzten die holländische Schreibweise und ließen so aus gost das Wort ghost, yott zu yacht werden und fügten ab und zu ein „e“ am Ende eines Wortes ein, um eine Leerstelle zu füllen oder mehr zu verdienen (sie wurden nach Zeilen bezahlt). Englisch war ebenso eine Sprache, die sie nicht flüssig schreiben oder sprechen konnten. Viele Ausgaben der Bibel, die bis dahin bereits ins Englische übersetzt worden waren, wurden auf dem europäischen Festland von Arbeitern gedruckt, die kein Englisch sprachen. Es sei nur so viel gesagt, dass im Laufe der nächsten 100 Jahre eine weitere Flut an unterschiedlichen Schreibweisen die Sprache verändern würde.

Das Lateinische weigert sich, zu sterben

Um das Ganze noch komplizierter zu machen, flossen ungefähr zehn- bis zwölftausend Wörter während der Renaissance ins Englische ein, viele davon aus dem Lateinischen. Der Einfluss des Lateinischen blieb unverändert groß, sodass die Schreibweise von Wörtern wie zum Beispiel debt verändert wurde, um das stumme „b“ zu beinhalten, was seinen lateinischen Ursprung widerspiegelt (debitum). Aus receit wurde receipt, worin das lateinische recepere erkennbar ist. Dasselbe passierte mit island, doch aus einem ganz falschem Grund, da dieses Wort seinen Ursprung im altenglischen īegland hat – man nahm jedoch an, es käme vom lateinischen insula (durch das altfranzösische isle). Island bekam also fälschlicherweise ein „s“ dazu!

Der Moment, an dem eine Sprache erkennbar wird, die dem heutigen Englisch ähnlicher wird – nämlich Frühneuenglisch – ist ungefähr um die Zeit Shakespeares herum. Und Shakespeare prägte nicht nur viele neue Ausdrücke, die Inschrift seines Grabsteins weist sogar die Schreibweise frend zu Lasten der Variante friend auf. Etwas derart Einfaches überlebte jedoch nicht die Jahrhunderte.

Durch die Wissenschaft fließt Griechisch mit ein

Im 17. Jahrhundert begann das industrielle Zeitalter und brachte neben dem technischen Fortschritt auch eine Revolution der Wissenschaft mit sich. Um den vielen neuen Erfindungen und Entdeckungen Namen zu geben, nutzte man griechische und lateinische Ausdrücke, die in die damals gesprochene Sprache mit einflossen. Das Wort telephone (im 19. Jahrhundert geprägt) ist dafür ein gutes Beispiel. Die komplizierte Schreibweise zeigt die edle Wortherkunft aus dem Griechischen. Im Gegensatz dazu werden einfache Wörter wie fly oder furious nicht mit „ph“ geschrieben. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich stammt ein Wort wie fantasy auch aus dem Griechischen – und heute schreiben wir es mit einem „f“! Seht ihr, wie wenig einheitlich diese Entscheidungen waren?

Die immer noch andauernde (und vermutlich nie enden wollende) Debatte

Um das 19. Jahrhundert herum änderte sich auch die Art, wie man mit Lehnwörtern umging. Zuvor wurde ein Wort wie zum Beispiel das deutsche „Nudel“ im Englischen zur noodle. Kurze Zeit später jedoch behielten Wörter wie „pizza“ oder „Strudel“ ihre ursprüngliche Schreibweise bei – es heißt schließlich nicht stroodle, oder? Dasselbe gilt für Wörter wie champagne, ballet und Blitzkrieg: Sie brachten ihre eigene Schreibweise mit.

Auch heute geht die Veränderung der Sprache immer noch weiter, da technische Ausdrücke, Fachsprache und Produktnamen sie revolutionieren. Ob man nun donut oder doughnut, barbecue oder barbeque schreibt, Englisch wird uns immer ein Rätsel bleiben und uns faszinieren.

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