Wie sich Babbelonians für die Übersetzung des European Resistance Archive engagieren

In diesem Beitrag erzählt Olly von seinem Engagement für das European Resistance Archive (ERA) und wie ihm seine Erfahrungen bei Babbel geholfen haben, das Projekt durchzuführen.
olly ERA Translation Workshop 2017

Olly arbeitet seit 9 Jahren als Entwickler bei Babbel, ist also fast seit Anfang an dabei. Viele Jahre kümmerte er sich als Teil des Engineering-Teams in erste Linie um die Backend Services. Das sind all die technischen Details, die im Hintergrund laufen und für die Babbel-Nutzer nicht zu sehen sind. Jetzt arbeitet er als Technical Lead im „New Business Initiatives“-Team. 

Im Sommer 2005 traf ich, bei einer Wanderung auf ehemaligen Partisanenwegen durch den Apennin bei Reggio Emilia in Italien, eine ganze Reihe von Menschen, die als Partisaninnen und Partisanen gegen die italienischen Faschisten und gegen die Besatzung der deutschen Nazis gekämpft hatten. Sie erzählten von Partisanenaktionen, Gefechten und Vergeltungsaktionen der Nazis und Faschisten. Einer dieser Partisanen war Giacomo Notari, Deckname „Willi“. In dem kleinen Ort Bettola, in dem deutsche Soldaten am 24. Juni 1944 ein Massaker an 32 Zivilisten anrichteten, erzählte er mir:
„[Die Deutschen hatten] an diesem Ort einen großen Teil der Menschen ermordet … auch Alte und Kinder. Hier verhöhnten sie die Toten, um anschließend die Kinder zu töten, hier an diesem Punkt kam man zur Überzeugung, zu sagen: ‚Diese Leute gehören kalt gestellt.‘ Es entschloss sich ein beträchtlicher Teil von uns, die Waffen zu ergreifen und in die Reihen der Partisanen einzutreten.“
Als er das sagte, wurden in dem 78 Jahre alten Mann die Entschlossenheit und der Mut  erkennbar, den er als Jugendlicher gehabt haben muss.

ERA 07 hendrik mandelbaum krematorium 5Nicht nur in Momenten wie diesen wird klar, dass Zeitzeugen für die lebendige Vermittlung von Geschichte unverzichtbar sind und bleiben, davon bin ich überzeugt. Ich erinnere mich auch noch gut an die Führung über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald mit dem Widerstandskämpfer Emil Carlebach und das Gespräch mit ehemaligen Edelweißpiraten über ihre direkten Aktionen gegen die Hitlerjugend; das waren prägende Erlebnisse für mich.
Leider sind die meisten Zeitzeugen bereits gestorben und in wenigen Jahren wird es niemanden mehr geben, der direkt aus dieser Zeit berichten kann. Genau deshalb sind Projekte, die die Zeitzeugnisse auch über den Tod der Erzählenden hinaus erfahrbar machen, so wichtig. Das European Resistance Archive (ERA) ist ein solches Projekt.
Bevor ich zu Babbel kam, habe ich bei einer kleinen Kreuzberger Internet-Agentur gearbeitet und war dort an der Realisierung des European Resistance Archive beteiligt. ERA hat es sich zum Ziel gemacht, die Geschichten und Erinnerungen von Menschen, die gegen den nationalsozialistischen und faschistischen Terror Widerstand geleistet haben, zu erhalten und über das Internet für alle zugänglich zu machen.
Das Herzstück des Online-Archivs bilden 21 Video-Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Polen, Frankreich, Slowenien, Italien, Österreich und Deutschland. Daneben gibt es für jedes dieser Ländern eine Übersicht über die jeweiligen Widerstandsbewegungen, um das in den Interviews Erzählte besser in den historischen Kontext einordnen zu können.
Im letzten Jahr entschied ich mich dazu, ein dreimonatiges Sabbatical zu nehmen, das allen Babbel Mitarbeitern zusteht, und diese Auszeit zu nutzen, um das European Resistance Archive zu überarbeiten. Zu dem Zeitpunkt war es bereits über neun Jahre online – es stammte aus einer Zeit bevor es iPhones gab – und bot damit mehr als genug Gründe für eine Überarbeitung. Vieles war technisch veraltet und die Video-Clips ließen sich auf Mobiltelefonen nicht abspielen.
Das Ziel war technische Probleme zu beseitigen, das Design zu modernisieren und für die Darstellung auf unterschiedlichen Bildschirmgrößen anzupassen – von Smartphone über Tablet bis hin zum großen Fernsehbildschirm.
Nachdem ich aus dem Sabbatical zu Babbel zurückgekommen war, haben mich viele meiner Kolleginnen und Kollegen nach dem Projekt gefragt und da beschloss ich kurzerhand, ERA im Rahmen eines „Brownbag-Meetings“, die regelmäßig bei Babbel stattfinden, zu präsentieren.
Das Feedback war überwältigend und es meldeten sich eine ganze Reihe von Leuten, die spontan ihre Unterstützung und Mitarbeit anboten. Da ERA nach wie vor nur auf Englisch vollständig übersetzt ist, während die Inhalte in allen anderen Sprachen nur teilweise verfügbar sind, und weil es bei Babbel viele Sprachexperten sowie Sprachlehrer, Instruktionsdesigner und Übersetzer gibt, lag es eigentlich auf der Hand, gemeinsam die noch fehlenden Übersetzungen anzugehen.
Zu diesem Zweck organisierten wir zwei pro bono ERA-Übersetzungsworkshops bei Babbel. Mittlerweile sind bereits die ersten Untertitel ins Italienische und Deutsche übersetzt, aber es gibt weiterhin noch reichlich zu tun. Wer sich beteiligen möchte, entweder um selbst zu übersetzen oder um Korrektur zu lesen, ist herzlich eingeladen mitzumachen. Zentrale Anlaufstelle ist das ERA-Translations-Projekt auf Github und weiterführende Details gibt es im dazugehörigen Wiki. Darüber hinaus gibt es natürlich auch die Möglichkeit, eigene, thematisch passende Interviews beizusteuern.
Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung und das großartige Engagement meiner Kolleginnen und Kollegen bei Babbel. Es ist sehr schön zu sehen, was entstehen kann, wenn Menschen mit verschiedenen sprachlichen und kulturellen Hintergründen sowie unterschiedlicher beruflicher Expertise über die Grenzen der alltäglichen Arbeitsroutinen hinaus zusammenarbeiten und sich dabei ergänzen.

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