Studieren in England: Tipps und nützliche Begriffe

Das Prestige von Cambridge und Oxford, die Atmosphäre Londons oder einfach der Charme des angelsächsischen Hochschulsystems: Wie ist es, im Vereinigten Königreich zu studieren? Und was verändert sich nach dem Brexit?
Universitäts-Lesesaal zum Thema Studieren in England

Während Oxford und Cambridge ein Synonym für Tradition, Prestige und Genialität sind, bieten auch London, Manchester, Leeds und Birmingham alle Vorteile eines gut funktionierenden und international anerkannten Hochschulsystems. In England studieren bedeutet aber auch viele neue Entdeckungen, Freiheit, Punkmusik, Begegnungen mit jungen Skinheads und leider auch Dosenbohnen und Salzkartoffeln. Obwohl der Brexit dem Hype teilweise einen Dämpfer verpasst hat, entscheiden sich jedes Jahr Millionen von europäischen Studierenden, darunter auch ich, für ein Studium in Großbritannien, um eines der renommiertesten Hochschulsysteme der Welt kennenzulernen und sich einem kompletten Mangel an Vitamin D auszusetzen. Wie ist es also wirklich, in England zu studieren?

Application: Wie man sich an einer britischen Universität bewirbt

Bevor du deine Koffer voller Würstchen und Pasteten packst, solltest du wissen, dass du, wenn du in Großbritannien studieren möchtest, ein äußerst mühsames Verfahren durchlaufen musst, dem du dich nicht einfach so in letzter Minute (last minute) widmen kannst. Du musst ein Bewerbungsverfahren (application) durchlaufen – einer der gefürchtetsten Momente für alle, die Teil dieses Systems werden möchten.

Unabhängig davon, ob es sich um einen Bachelor- oder Masterstudiengang handelt, dauert das Bewerbungsverfahren mehrere Monate. Es ist ein langwieriges und manchmal auch nervtötendes Verfahren. Fast ein Jahr vor Beginn des Studienjahrs müssen die Studierenden zwischen Verwaltungs- und Fakultätsbüros hin- und herpendeln, um die für die application erforderlichen Unterlagen und Empfehlungsschreiben zusammenzustellen. Für einen Bachelor-Abschluss können Bewerbungen an bis zu fünf Universitäten über das UCAS-Portal eingereicht werden, während für einen Master-Abschluss jede Universität ihre eigenen Bewerbungen auf ihrer Website verwaltet.

In der Regel werden hierfür ein Zeugnis oder eine Abschrift der Universität (university transcript), eine aktuelle Kopie des Lebenslaufs, zwei Empfehlungsschreiben von Lehrenden (letters of recommendation), ein Motivationsschreiben, das personal statement (wörtlich: persönliche Erklärung) und verschiedene administrative Unterlagen verlangt.

Seit dem Brexit müssen nicht-britische Staatsbürger:innen, die in England bzw. Großbritannien studieren möchten, eine weitere application einreichen, das settlement scheme, das Studierenden eine Aufenthaltsgenehmigung für Großbritannien erteilt, wenn sie zugelassen werden.

(Das könnte dich auch interessieren: Sprachreisen – die besten Risiken und Nebenwirkungen der schönsten Sache der Welt)

Studieren in England: Freshers’ Flu („Erstsemestergrippe”)

Sobald die Studierenden das Bewerbungsverfahren ohne größere Probleme beendet haben, kommen sie auf dem Campus an und bereiten sich auf den Beginn der Kurse vor. Eine Woche vor Beginn des Schuljahres findet eine Einführungswoche (Induction Week) statt, in der verschiedene Aktivitäten organisiert werden. Ziel dieses Programms ist es, die neuen Studierenden mit der Universität, den Lehrkräften, dem Campus und den Mitstudierenden bekannt zu machen. In Großbritannien ist dies unerklärlicherweise die Woche, in der Erstsemester am häufigsten krank werden und sich mit der sogenannten Freshers’ Flu („Erstsemestergrippe”) anstecken. Aber eventuell liegt das auch an den wilden Partys…

Struktur des britischen Hochschulsystems

Die terms

Nach der Freshers’ Flu beginnt das in drei Trimester (terms) unterteilte Studienjahr (academic year). Die ersten beiden terms umfassen zehn Wochen Unterricht, aufgeteilt in zwei Blöcke zu je fünf Wochen mit einer reading week (Lesewoche) dazwischen. In dieser Woche verschwinden die Studierenden auf mysteriöse Art und Weise und nur wenige werden in Bibliotheken beim Lesen gesehen…

An britischen Universitäten können die Kurse ein oder zwei Trimester dauern, aber es ist üblich, dass sie nur ein Trimester dauern, während dessen man zwei Aufsätze (essays) schreiben muss: einen während der Lesewoche und einen am Ende des Trimesters. Manchmal dauern die Kurse jedoch das ganze Jahr und werden mit einer großen Abschlussprüfung bewertet. Das dritte Semester, das vom zweiten durch einen Monat getrennt und für die Wiederholung (revision) vorgesehen ist, wirkt ein bisschen wie das letzte Level eines Videospiels, bei dem nur noch Prüfungen und Aufsätze abgegeben werden müssen.

Ein wenig bekannter Aspekt ist die Strenge der deadlines (Fristen): Die Prüfungen können nur zu dem von der Universität festgelegten Termin abgelegt werden. Ein Verschieben ist nicht zulässig, und ein Nichtbestehen bedeutet die vollständige Wiederholung des Studienjahres.

(Das könnte dich auch interessieren: Ob Abitur, TOEFL oder Uni – wie du deinen Sprachtest meisterst)

Lectures („Vorlesungen”) und seminars („Tutorien”)

Während des Jahres gehen die Studierenden jeden Tag zum Unterricht, und die Aufsätze (essays) werden irgendwie neben dem Unterricht geschrieben. Tatsächlich ähnelt die Universität in Großbritannien in vielerlei Hinsicht der Oberstufe. Jede Woche haben die Studierenden in jedem Kurs in der Regel eine Vorlesung (lecture), in der sie alle zusammen sind, und ein Tutorium oder seminar, eine Gruppe von 10 bis 15 Studierenden, in der sie über das diskutieren, was sie in der Woche gelesen und gelernt haben. Kurz gesagt, der Druck ist konstant, aber das ermöglicht es den Studierenden, am Ball zu bleiben. Und was ich vergessen habe zu erwähnen: Es besteht natürlich Anwesenheitspflicht.

Studieren in England: Office hour („Sprechstunde”)

Das Gute an britischen Universitäten ist, dass durch die Tutorien eine enge Beziehung zwischen Studierenden und Lehrenden entsteht. Die Studierenden werden außerdem nachdrücklich ermutigt, wenn nicht sogar gezwungen, die regelmäßigen office hours („Sprechstunden”) ihrer Lehrenden zu besuchen, in denen sie assignments („Hausaufgaben”) und essays („Aufsätze”) besprechen, Fragen zu den in der Woche behandelten Themen klären und manchmal auch psychologische Beratung erhalten.

Readings („Lektüre”)

Eine weitere Besonderheit britischer Universitäten, die sich allmählich auch auf andere europäische Universitäten ausbreitet, besteht darin, dass den Lehrbüchern so genannte readings beigefügt sind, spezifische akademische Aufsätze, die von Universitätsprofessor:innen aus aller Welt veröffentlicht wurden. Dies ermöglicht es den Studierenden, das akademische Lesen und Schreiben zu üben und einen pragmatischen und ständig aktualisierten Überblick über die behandelten Themen zu gewinnen. Manchmal bedeutet das aber auch das Lesen widersprüchlicher readings, was zu langen (und manchmal hitzigen) akademischen Debatten zwischen den Studierenden führt.

Societes: ein wichtiger Bestandteil der britischen Hochschullandschaft

Ein ganz besonderer Aspekt der Universitäten in Großbritannien sind die societies. Dabei handelt es sich um Sport- (und andere) Clubs, in denen sich die Studierenden in ihrer Freizeit treffen. Es gibt sports societes aller Art, in denen die Studierenden gegen eine geringe Gebühr fast alle Sportarten betreiben können. Sportclubs erhalten auch Ermäßigungen in den Bars der Universität, wo jeden Mittwoch nach einem Spiel oder einer Trainingseinheit eine sports’ night („Sportabend”) stattfindet, bei der nicht gerade wenig Alkohol fließt. Am meisten überraschen jedoch die nicht-sportlichen Clubs. An meiner Uni gibt es societes für Schach, Debattieren, Marxismus, Umwelt und sogar für Beyoncé-Fans. Du siehst also, an britischen Universitäten ist Platz für alle.

Viel Spaß beim Studieren in England!

Du möchtest am liebsten gleich losstudieren?
Dann lerne eine Sprache mit Babbel!
Teilen: