„Aber warum bist du hergekommen?“, fragte mich der etwa circa 20-jährige Syrer, den wir Ahmed nennen werden.
„London ist so viel schöner!“
„Also“, fing ich an, ohne den Gedanken zu Ende zu bringen. Seit ich in meiner neuen Heimat lebe, hatte ich das London-vs.-Berlin-Gespräch schon sehr oft. Um ehrlich zu sein, wird das langsam etwas langweilig.
Das war der Moment, in dem mir etwas bewusst wurde, worüber ich vorher nicht nachgedacht hatte. Ahmed war ein ganz normaler Typ. Ich unterhielt mich hier mit einem Mann, der unvorstellbare Dinge durchgemacht hatte, um in diesen Warteraum zu gelangen. Und doch sprachen wir über ganz banale und alltägliche Themen.
Ich meine, klar war er normal. Das waren alle Flüchtlinge, mit denen ich gesprochen hatte – sie mussten „nur“ plötzlich, von heute auf morgen, aus einem Kriegsgebiet flüchten. Das war mir ebenso bewusst wie meinen Kollegen, die mir in den letzten Wochen von ähnlichen Erfahrungen berichtet haben. Man liest zwar über die Flüchtlinge, doch solange man keinen persönlichen Kontakt hat oder sich mal mit ihnen über alltägliche Dinge unterhält, versteht man das nicht wirklich.
„Die Lage in Berlin ist ganz anders als in Calais“, erklärt Giulia Raffaello, Executive Assistant des Product-&-Engineering-Teams von Babbel. Giulia hatte vorher in Nordfrankreichs berüchtigtem Flüchtlingscamp, auch als „Dschungel“ von Calais bekannt, mit Flüchtlingen Zeit verbracht und sofort den Unterschied zur Situation in Berlin festgestellt.
„Die Lage im ‚Dschungel‘ ist viel verzweifelter. Zu den Hauptsorgen zählen Essen, Wasser und ein Dach überm Kopf. Hier ist die Lage viel ruhiger – für die Menschen geht der Albtraum zu Ende.“
Die Flüchtlinge, die im LAGeSo ankommen, haben die schwierige Reise nach Deutschland hinter sich gebracht. Nachdem die Grundbedürfnisse gestillt sind, können sie sich jetzt darauf konzentrieren, sich ein neues Leben aufzubauen – bürokratische Angelegenheiten und Sprachenlernen eingeschlossen. Da kommen wir dann ins Spiel.
„Es geht zwar hier nicht unbedingt um Leben und Tod“, sagt Markus Witte, CEO von Babbel. „Aber für diese Menschen steht natürlich deutlich mehr auf dem Spiel als für jemanden, der vor dem Urlaub seine Sprachkenntnisse auffrischen möchte. Deutsch zu lernen wird das Leben dieser Menschen enorm verändern.“
„Und beide Seiten profitieren davon, denke ich. Mit diesen Menschen zu arbeiten empfand ich von Anfang an als großes Privileg. Diese Einschätzung wurde bestätigt, als ich sie dann tatsächlich kennengelernt habe. Mir persönlich hat es wirklich dabei geholfen, die Situation besser zu verstehen.“
Giulia, Markus und ich sind nur einige von vielen Babbel-Freiwilligen, die in den letzten zwei Monaten Zeit im LAGeSo verbracht haben. In jeder Arbeitswoche besuchen täglich zwei Mitarbeiter die Flüchtlinge und verteilen kostenlose Babbel-Sprachkurse, die den Flüchtlingen beim Deutschlernen helfen sollen.
„Wir kamen am frühen Morgen in der Bundesallee an“, erzählt Junior Technical Product Owner Aria Jones. „Es war kalt und da war bereits eine Schlange von Menschen, die hinter der Absperrung gewartet haben.“
„Es war schon irgendwie unangenehm, einfach an der Schlange der Wartenden vorbeizugehen und das Gebäude vor ihnen zu betreten – da wurde einem schlagartig wieder bewusst, wie privilegiert man doch ist.“
Mit etwas Unterstützung der Sicherheitsleute finden die Freiwilligen den Weg durch das Labyrinth an Fluren und Treppenhäusern, um schließlich in Wartebereich 2 zu gelangen – ein weitläufiger Raum mit Teppichboden, der einen Hof mit Raucherbereich umschließt. Die meisten Wände haben zwar Fenster, doch der Raum wird hauptsächlich von Neonröhren an der Decke erleuchtet.
„In dem Raum war eine bunte Mischung aus jungen und älteren Frauen und Männern”, erzählt Aria weiter. Die ausgelaugten Gesichter der Menschen waren von Erschöpfung und auch Langeweile gezeichnet.
„Etwas zögernd haben wir uns auf Deutsch und Englisch vorgestellt, um den Leuten zu erklären, woher wir kamen und warum wir gekommen waren. Die Menschen wirkten zwar interessiert, doch zur gleichen Zeit etwas verwirrt. Ein paar nette Leute, die Englisch sprachen, kamen auf uns zu und halfen uns beim Erklären. Schon bald kamen mehr Leute dazu.“
Die teils schlechte WLAN-Verbindung zog die Einrichtung zahlreicher Babbel-Accounts in die Länge. Dies verschaffte den Freiwilligen wiederum reichlich Zeit, einige der wartenden Flüchtlinge näher kennenzulernen.
„Ich fand’s traurig, dass ich nicht allen helfen oder sie zu mir nach Hause einladen konnte“, sagt Gaia von Customer Service. „Ich wäre mit einigen, die ich kennengelernt habe, gerne in Kontakt geblieben.“
„Bevor ich hingegangen bin, war ich etwas nervös wegen der ganzen Geschichte. Man liest zwar Nachrichten und sieht Dinge im Fernsehen, doch man weiß nicht wirklich, was einen erwartet. Ich glaube, ich habe etwa eine Woche gebraucht, um die ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Doch wenn ich jetzt zurückblicke … Ich würde es jederzeit wieder tun – jeden Tag, wenn ich könnte.“
Chief Marketing Officer Arne Schepker, ein relativ neues Mitglied im Babbel-Team, stattete der Behörde auch einen Besuch ab: „Es ist unglaublich zu sehen, wie motiviert jeder Einzelne ist, sich zu integrieren und Deutsch zu lernen. Sie haben die Möglichkeit bekommen, ein neues und besseres Leben zu beginnen, und nutzen diese Chance ohne Wenn und Aber. Jede noch so kleine Hilfe wird mit Dankbarkeit angenommen.“
Bis jetzt hat sich diese Erfahrung bei fast allen Freiwilligen, die am Projekt teilgenommen haben, wiederholt. Im Großen und Ganzen erkennt jeder sofort den Nutzen, wenn man ihm erst einmal das Produkt erklären kann.
„Am Anfang waren die Menschen etwas skeptisch“, gesteht Arne Gerdes, Product Owner. „Sie dachten, wir seien entweder von den Medien oder wir wollten ihnen etwas verkaufen. Es ist nicht immer einfach, Menschen davon zu überzeugen, dass sie dir vertrauen können. Doch sobald wir ihnen erklärt haben, was wir vorhatten, wurden sie gesprächig. Sie waren alle sehr glücklich über die Kurse – einige von ihnen kamen sogar zurück, um mir zu zeigen wie viel sie schon gelernt hatten.“
Product Manager Raphael Menezes besuchte zusammen mit Arne Gerdes die Behörde. Die Barriere des „Was willst du mir verkaufen?“ zu überwinden sei der Schlüssel, um den Flüchtlingen zu helfen.
„Sobald die Menschen verstehen, worum es geht, sind sie unglaublich dankbar“, erzählt er mir. „Viele von ihnen können auch schon ‚danke‘ sagen. Ich habe jemanden getroffen, der schon mindestens einmal da gewesen war und mit einem unserer Kollegen gesprochen hatte. Seitdem benutzt er Babbel und macht wirklich Fortschritte – ‚echt cool‘, sagte er.“
„Letztens gab es einen Engpass, als sich Leute registrieren wollten“, erzählt Markus’ Executive Assistant Lisa Rieh. „Aber ich hatte einen Freiwilligen, der den anderen dabei geholfen hat, die App zu installieren. Ich habe auch einen etwa 13-jährigen Jungen kennengelernt, der sofort mit dem Lernen begann, als er die Gelegenheit dazu hatte. Nach zehn Minuten kam er wieder, um mir seine frischen Deutschkenntnisse vorzuführen.“
Zum einen wollen wir den Menschen das nötige Rüstzeug an die Hand geben, um die Sprache zu lernen. Darüber hinaus wollen wir aber sicherstellen, dass sie sich willkommen fühlen. Oder wie CRM Manager Giovanni Perrucci gesagt hat: „ein freundliches Gesicht zeigen und ihnen eine gute Erfahrung bieten.“
„Die Menschen reagieren sehr gut auf Willkommensgesten“, sagt Markus. „Die bloße Vorstellung, dass jemand dort hingehen möchte, um zu helfen, hat gewaltige Auswirkungen.“
Das wurde mir schon frühzeitig in meinem Austausch mit Ahmed klar. In den knapp fünf Minuten, die ich mit ihm redete, wurde mir bewusst: So hilfreich ein Deutschkurs auch sein mag, er war mindestens genauso froh über die nette Unterhaltung. Das zeigt sich auch in der Geschichte eines Mannes aus dem Irak, die mir SEM Manager Pedro Werneck erzählt hat:
„Das Erste, was er zu mir sagte, war: ‚Englisch? Bitte, hilf mir! Ich möchte nicht in Deutschland bleiben. Ich möchte einfach nur die Papiere, damit ich nach Hause zurück kann. Bitte schickt mich zurück nach Hause!‘“
„Es war die zweite Woche, in der er zur Bundesallee kam, und er bekam langsam Zweifel, dass ihm die Regierung überhaupt helfen würde. Ich gab ihm dennoch einen Babbel-Gutschein, verbrachte etwas Zeit mit ihm und erzählte von meinen Erfahrungen in Deutschland. Letztlich bin ich als Brasilianer selbst auch ein Migrant.“
„Als ich gerade in den Feierabend gehen wollte, kam er endlich dran. Er war so glücklich und rannte die ganzen Treppen hoch – was für eine Veränderung!“