Inmitten des momentanen Wahlzyklus erscheinen die Vereinigten Staaten von Amerika uneiniger als seit 150 Jahren. Und mit so einer Bandbreite an Herkunft, Werten und Traditionen, die seit 500 Jahren in dem gigantischen Schmelztiegel zusammenfließen, ist es kein Wunder, dass sich die Nation nicht so ganz darüber einig werden kann, was es nun eigentlich heißt, „amerikanisch zu sein“.
Was hält die Amerikaner also noch zusammen? Nun, wir haben unseren amerikanischen Kollegen John-Erik gefragt und der hat seine Freunde und Bekannten gefragt und die haben ihre Freunde und Bekannten gefragt und… jeder Amerikaner würde wohl zustimmen, dass er oder sie die folgenden zehn „Künste des Amerikanisch-Seins“ beherrscht. Wenn du also einen Besuch in die USA planst und es den Landesbewohnern gleichtun willst, folge diesen Tipps von John-Erik und du passt ganz sicher dazu – ob du nun in Boston, New York, Nashville, Dallas, Cheyenne oder San Francisco bist!
1. Die Kunst des Small Talks
Sei nicht schockiert, wenn du ein Geschäft betrittst und dich ein Angestellter, den du zum ersten Mal in deinem Leben siehst, fragt: „How are you?“ – „Wie geht’s?“ Das stellt keine unverschämte Frage dar. In Amerika wird Höflichkeit nicht durch distanzierte Hochachtung ausgedrückt, sondern man gibt sich Mühe, angenehm und sympathisch zu sein. „Übermäßig“ familiär zu sein ist nicht oberflächlich und auch kein Akt – es ist einfach die soziale Norm.
Die angemessene Antwort auf „How are you?“ ist, nicht wirklich zu antworten, sondern die Frage zurückzugeben: „Good, how are you?“, oder sogar noch familiärer: „What’s up?“ Ähnlich verhält es sich übrigens im Französischen mit „Ça va ?“ oder im Portugiesischen mit „Tudo bem?“.
Wenn du dich in einer Small-Talk-Situation mit einem Fremden wiederfindest, gibt es bestimmte Themen, auf die du dich immer verlassen kannst: Wetter, Sport und das gestrige Fernsehprogramm. Vermeiden solltest du Politik, Religion und Gespräche über das Gehalt; außer wenn du unter Freunden bist – aber manchmal nicht einmal dann!
2. Den eigenen Sprachraum voll einnehmen
Nicht etwa, dass Amerikaner laut sind, es ist nur, dass, naja, die Musik im Café vielleicht etwas laut ist, und dann können wir uns über das Gespräch am Nebentisch hinweg nicht so recht hören und…
Die „typische“ amerikanische Lautstärke mag am Anfang etwas schockierend sein – du wirst buchstäblich dazu gezwungen, fremden Gesprächen in der U-Bahn, in Restaurants oder im Supermarkt zu lauschen. Du kannst dich aber einfach daran gewöhnen, besonders, wenn du die Schüchternheit beiseiteschiebst und in die Kakofonie einstimmst.
Bonus: Wenn du gerne Gesprächen lauschst, werden dir komische Konversationen, denen du zuhören kannst, nie ausgehen.
3. Ein Talent fürs Schnäppchenjagen
Amerikaner sind mit einem Kauf nicht zufrieden, wenn sie nicht sicher sind, dass sie auch wirklich etwas für ihr Geld bekommen.
Wenn du dich also in einer amerikanischen Mall wiederfindest, dann kaufe nicht einfach ein – such nach Deals! Vergiss, dass du eigentlich gerade nach einem robusten Wintermantel gesucht hast – Bermuda Shorts sind diese Woche um die Hälfte reduziert, also nimm lieber gleich zwei Paar mit!
Der rationale Teil deines Gehirns wird dir sagen, dass der Burger auf deinem Teller einfach zu groß ist, aber die Schnäppchenjäger-Neuronen schreien ihn nieder: „Hey, wenn du nicht aufisst, dann bekommst du nichts für dein Geld!“ Zum Glück kannst du dir den Rest ja mitnehmen und morgen zu Mittag essen – zwei Mahlzeiten zum Preis von einer? Das ist doch mal ein guter Deal!
4. Eine Frage des Trinkgelds
Die Regeln dafür, wie viel Trinkgeld man Kellnern in Restaurants, Cafés oder Bars gibt (oder ob überhaupt etwas fällig ist) sind von Land zu Land unterschiedlich, aber die amerikanischen Konventionen sind vielleicht am verworrensten. Hier ist ein kurzer Leitfaden:
Trinkgeld in Cafés
Lass etwas Kleingeld im Trinkgeldglas. Wenn der Service besonders freundlich und schnell war, gib einen Dollar.
Trinkgeld in Restaurants
Wenn du die Rechnung bekommst (entweder auf einem Brett oder in einer kleinen Mappe), legst du Bargeld oder eine Kreditkarte darauf. Der Kellner wird mit deinem Wechselgeld zurückkommen. An diesem Punkt rechnest du das Trinkgeld aus und lässt es auf dem Brett/in der Mappe zurück oder schreibst es unten auf die Kreditkartenrechnung. 15 Prozent wird als Minimum für ein angemessenes Trinkgeld angesehen. Über 20 Prozent ist großzügig. Wenn du gerade philanthropisch gestimmt bist, sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt.
Wenn du zum Zahlen an die Kasse gehen musst (so, wie es in vielen Diners üblich ist), lässt du das Trinkgeld beim Kassierer oder gibst es dem Kellner oder der Kellnerin direkt, nachdem du die Rechnung bezahlt hast.
Hinweis: Viele Restaurants in den USA werden davon ausgehen, dass Landesfremde kein Trinkgeld geben werden und addieren darum eine gratuity charge, also eine „Trinkgeldgebühr“, um den angemessenen Trinkgeldbetrag abzudecken. Geh darum erst sicher, dass in deiner Rechnung das Trinkgeld noch nicht inbegriffen ist, bevor du die obenstehenden Tipps befolgst.
Trinkgeld in Bars
Generell gibt man einen Dollar pro Drink – besonders, wenn du einen ausgefallenen Cocktail bestellt hast, der alle vier klassischen Elemente und eine magische Beschwörungsformel beinhaltet. Lass den Dollar einfach auf der Bar liegen, nachdem du für deinen Drink bezahlt hast.
5. Ein Händchen für Popkultur
Popkultur ist einer von Amerikas größten Exporten und hat auf der ganzen Welt riesigen Einfluss. Es ist schon schwer, außerhalb von Amerika nicht mit amerikanischer Popkultur in Kontakt zu kommen, aber in den Staaten leben die meisten Amerikaner für Popkultur.
Wenn Amerikaner etwas verbindet, sind es wahrscheinlich die Serien und Filme die gerade laufen, der Promiklatsch, der zurzeit in der Regenbogenpresse zu lesen ist, die Charts, die aus dem Radio schallen, und die Sportmannschaften, die in einem Meer von Memes im Internet vertreten sind.
6. Regionalen Slang meistern
Je nachdem, in welchem Teil des Landes du dich befindest, werden bekannte Dinge seltsame neue Namen tragen. Zum Beispiel gibt es diese regionalen Ausdrücke, um einer Sache Nachdruck zu verleihen:
mad (Greater New York area) – Beispiel: „Last night’s party was mad fun. I wish we could go to Webster Hall every night!“
wicked (New England) – Beispiel: „This chowder is wicked good. Almost as good as my ma’s.“
hella (Bay Area und Pacific Northwest) – Beispiel: „I’m hella thirsty. I could drink hella soda right now!“
Die Wörter für Sprudelgetränke unterscheiden sich ebenfalls von Region zu Region. In weiten Teilen des Westens und Nordens würdest du einen pop bestellen, im Südwesten ist es ein soda und in vielen Ecken des Südens sagt man coke, selbst wenn es sich bei dem Getränk nicht um Coca Cola, sondern um Mountain Dew, Doctor Pepper oder Pepsi handelt.
Und wenn du ein besonders amerikanisches Sandwich zu deinem Drink willst – viel Aufschnitt, Käse und Gemüse in ein langes Brötchen gestopft – kommt dessen Name auch darauf an, wo du dich befindest:
hoagie (Philadelphia)
hero (New York)
grinder (New England)
***Italian (sandwich) *** (Maine)
po’ boy (New Orleans)
sub(marine sandwich) (überall)
7. „Zum Mitnehmen, bitte!“
Das Leben hat in Mobile, Alabama einen sehr viel langsameren Rhythmus als in New York City. Aber egal wie schnell oder langsam, die meisten Amerikaner leben unterwegs. Kaffee und Essen kann immer zum Mitnehmen bestellt werden. Alles, von deinem Abendessen über Alkohol bis hin zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, kann von einem Autofenster aus abgeholt werden.
8. Die Kunst des perfekten Road Trips
Die Vereinigten Staaten sind groß: Es sind 4.500 Kilometer zwischen New York und Los Angeles, 1.500 Kilometer von New Orleans nach Chicago und ganze 5.300 Kilometer liegen zwischen Seattle und Miami. Klar könntest du fliegen, aber der beste Weg, Amerika zu sehen, ist, quer durch das Land zu fahren. Steck dir eine Strecke auf der Karte ab, die all die ikonischsten Sehenswürdigkeiten mitnimmt, miete dir zusammen mit Freunden einen Kombi und – das versteht sich von selbst – bring Snacks mit!
9. Die Kunst (und Wissenschaft) des Erfindens
Amerika ist schon lange der Ort, wo verrückte Ideen gedeihen. Für jeden Oldie, der den Verlust der „guten alten Tage“ bedauert, gibt es 100 Leute, die der Konvention trotzen und nach der nächsten großen Erfindung suchen.
Die folgenden Dinge wurden in den USA erfunden: der Schraubenschüssel, die Hängebrücke, der Kühlschrank, Morsecode, Baseball, der Donut, die Sicherheitsnadel, Kartoffelchips, der Staubsauger, die Postkarte, das Motorrad, American Football, Jeans, der Göffel, das QWERTY Keyboard, der Synthesizer, die Glühbirne, der Plattenspieler, der Kugelschreiber, der Rauchmelder, das Riesenrad, die Teslaspule, der Kronkorken, der Reisverschluss, Basketball, Volleyball, die Fernbedienung, die Reißzwecke, der wegwerfbare Rasierer, der Teddybär, das Flugzeug, Blues, Jazz, die Ampel, der Glückskeks, der Toaster, das Fließdiagramm, das Wundpflaster, Wasserski, der Cheeseburger, Abdeckklebeband, die Flüssigkeitsrakete, Kaugummi, die Sonnenbrille, Tiefkühlkost, Chocolate Chip Cookies, die elektrische Gitarre, Rock and Roll, das Radioteleskop, Programmiersprache, der digitale Computer, der Fotokopierer, der Geldautomat, die Mikrowelle, die Kreditkarte, der Transistor, das Überschallflugzeug, das Videospiel, Radiokarbondatierung, die Atomuhr, der Neoprenanzug, der Airbag, der Strichcode, das künstliche Herz, die Festplatte, das Videoband, der Laser, die Luftpolsterfolie, die integrierte Schaltung, der Kommunikationssatellit, die Computermaus, der Flachbildfernseher, Snowboarden, die CD, der Handheld-Taschenrechner, das Mondlandefahrzeug, der PC, der Mikroprozessor, die E-Mail, das Navigationsgerät, MRT, das Handy, der Anrufbeantworter, das Post-it, die Digitalkamera, Hip Hop, Rap, das Space Shuttle, das Internet…
10. Die Kunst der Individualität
Obwohl das Land noch einen langen Weg vor sich hat, zelebrieren die USA Vielfältigkeit mehr als jeder andere Ort auf der Erde. Es hat nie eine einzige „nationale Identität“ gegeben, der man sich anpassen sollte, sondern einen Mischmasch vielfältiger überlappender kultureller Normen. Gegen den Strom zu schwimmen liegt den Amerikanern im Blut, was die Regel des Amerikanisch-Seins, die keine Regeln hat, erklärt: Sei du selbst. Amerikaner schätzen ihre Individualität und protzen gerne damit. Wenn du in den Staaten bist, solltest du das also auch tun! Zum Glück für dich finden Amerikaner Akzente einfach entzückend. Das allein wird dich zur interessantesten Person auf jeder Party machen.