Sprache ist unser ständiger Begleiter. Sie ermöglicht uns, am Alltag teilzuhaben, diesen zu verstehen und uns zu verständigen. Gleichzeitig bedeutet dies auch die Benachteiligung jener, für die Sprache keine Selbstverständlichkeit ist. Diese Personen finden sich dadurch schnell am Rande der Gesellschaft. Und genau dafür gibt es bestimmte Modelle. Doch was ist Leichte Sprache und wo liegt der Unterschied zu einer ähnlichen Zugangsweise, der Einfachen Sprache?
Obwohl diese beiden Begriffe gerne synonym verwendet werden, gibt es grundlegende Unterschiede, auf die wir heute eingehen werden. Außerdem entdecken wir die unterschiedlichen Zugänge verschiedener Länder zu diesem Thema …
Warum sprachliche Barrierefreiheit wichtig ist
Immer mehr Inhalte, ob im Internet, an Ämtern oder auf Informationsblättern, werden auch in Leichter bzw. Einfacher Sprache angeboten. Die deutsche Standardsprache bedient sich gerne Fremdwörtern, komplizierten Verschachtelungen und vielen Nebensätzen.
Dies erschwert Personen mit Lernschwierigkeiten, geringerer Deutsch-Kompetenz oder jenen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, die gleichberechtigte Teilnahme an der Gesellschaft. Egal, aus welchen Gründen bestimmten Personen das Verständnis der deutschen Standardsprache schwerfällt, das Verstehen von Inhalten soll mit der Leichten bzw. Einfachen Sprache erleichtert werden.
Wird das selbstständige Verständnis von Informationen verbessert, resultiert daraus auch erhöhte Selbstbestimmung dieser Menschen. Bei der Leichten bzw. Einfachen Sprache werden beispielsweise komplexe Satzbauten vereinfacht, gemäß verschiedenster Regeln umformuliert, aber auch die visuelle Darstellung verändert.
Bei Barrieren denken wir gerne an sichtbare Hindernisse, doch zur Barrierefreiheit gehört genauso das Vermeiden sprachlicher Barrieren. Dieser widmen sich mittlerweile auch viele Behörden. Der Deutsche Bundestag beispielsweise bietet auf seiner Seite die Möglichkeit Leichte Sprache einzustellen, der Deutschlandfunk bietet Nachrichten in Leichter Sprache an und es gibt viele Medien, z.B. Magazine wie das LeichtSinn, die vollständig in Leichter Sprache publizieren.
Was ist Leichte Sprache?
Und wie funktioniert sie? Leichte Sprache folgt einem bestimmten Regelwerk. Dazu gehören beispielsweise folgende Empfehlungen:
- Nebensätze vermeiden,
- Hauptsätze kurz halten,
- pro Satz nur eine Aussage (nach jedem Satzzeichen ein Absatz),
- leicht verständliche, kurze Formulierungen,
- erklärende Bilder (simple Illustrationen werden Fotos mit vielen Details vorgezogen),
- schwierige Wörter erklären,
- Fremdwörter vermeiden.
Zu den visuellen Empfehlungen zählen eine große Schriftgröße und das Verwenden einer schnörkel-, oder serifenlosen Schrift. Obwohl dies in der offiziellen deutschen Grammatik falsch wäre, wird außerdem empfohlen, zusammengesetzte Wörter mit einem Bindestrich zu trennen, wie zum Beispiel Bundes-Regierung. Ein wichtiger Punkt ist auch Texte in Leichter Sprache von den Menschen, für die sie gemacht sind, prüfen zu lassen.
Das Antidiskriminierungsgesetz
All diese Regeln folgen dem Allgemeinen Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG), umgangssprachlich meistens Antidiskriminierungsgesetz genannt, das seit 2006 verbietet, dass Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften benachteiligt werden. Du kannst dir das so vorstellen: Gibt es an einem Bahnhof nur Treppen, werden Menschen im Rollstuhl benachteiligt. Gibt es eine Information nur zum Hören, sind taube Menschen davon ausgeschlossen. Stellen Fremdwörter eine Barriere in der Sprache dar, können nicht alle diese verstehen. Jegliche öffentlichen Stellen sind daher seitdem dazu verpflichtet, Informationen auch in Leichter Sprache bereitzustellen.
Es gibt noch viele weitere Tipps und Empfehlungen für Leichte Sprache, die man beispielsweise in diesem Ratgeber nachlesen kann, den die Bundesregierung Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Leichte Sprache herausgegeben hat.
Kritikpunkte
Die Kritik am Regelwerk der Leichten Sprache fokussiert sich vor allem darauf, dass von homogenen Lese- und Sprachkompetenzen ausgegangen wird. Würde man auf individuelle Fähigkeiten oder Lerntypen eingehen, könnte das Verständnis noch weiter erhöht werden. Außerdem wird durch die standardisierte Darstellungsform unkenntlich gemacht, um welche Textart es sich handelt. So sehen Pressemitteilungen beispielsweise genauso aus wie Rezepte.
Was ist Einfache Sprache?
Die Einfache Sprache ähnelt zwar der Leichten Sprache, liegt aber näher an der Standardsprache und nutzt auch kein Regelwerk. So wird Einfache Sprache beispielsweise in einem Fließtext geschrieben und bemüht sich lediglich, komplexe Texte wie beispielsweise Verträge o.ä. zu vereinfachen.
Auch bei der Einfachen Sprache sollen Fremdwörter vermieden oder zumindest erklärt werden. Sätze werden auch hier kurz gehalten, können aber mehr als nur eine Aussage und eine ungefähre Maximalanzahl von 15 bis 20 Wörtern enthalten. Eine weitere Empfehlung liegt auf klarer Struktur und Eindeutigkeit, die ohne Metaphern oder Ironie auskommt.
Geschichte & Beispiele aus anderen Ländern
Du dachtest vielleicht, Leichte Sprache sei vor allem für die komplexe Sprache des Deutschen notwendig. Doch die Komplexität der Sprache aufzubrechen, ist für Menschen auf der ganzen Welt eine Chance auf Gleichstellung.
Die Anfänge
Ihren Ursprung hat Leichte Sprache in den USA, wo 1996 von der Organisation People First die erste Idee des Easy Read entwickelt wurde. Bereits 1997 entstand ein erstes Netzwerk in Deutschland, das vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammenbrachte. 2001 wurden vom Verein Mensch zwei Wörterbücher in Leichter Sprache herausgegeben, 2006 entstand dann das Netzwerk Leichte Sprache, ein länderübergreifender Verein zur Förderung der Leichten Sprache. Ein Auszug aus deren Website, in leichter Sprache, besagt folgendes:
– Sie übersetzen Texte in Leichte Sprache.
– Sie prüfen die Texte auf Verständlichkeit.
– Sie machen Schulungen und Vorträge.
– Sie machen Politik für die Leichte Sprache.
– Sie sprechen auf Veranstaltungen und Tagungen.
(c) Netzwerk Leichte Sprache
Das erste länderübergreifende Regelwerk zu Leichter Sprache wurde 2009 von der internationalen Organisation Inclusion Europe in Kooperation mit acht Ländern (Deutschland, Irland, Litauen, Österreich, Portugal, Schottland, Finnland, Frankreich) herausgegeben. Die Organisation hat außerdem ein Gütesiegel entwickelt, das zur Kennzeichnung von in Leichter Sprache verfassten und geprüften Texten verwendet wird.
Inclusion Europe verfasst außerdem das Magazin bzw. den E-Mail-Newsletter Europe for Us, der viermal jährlich auf Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Ungarisch und Rumänisch in Leichter Sprache erscheint.
In Spanien bieten viele Museen Leichte Sprache an, in Ungarn hilft eine App in Leichter Sprache im Alltag, zum Beispiel beim Einkaufen oder bei der Nutzung öffentlicher Transportmittel. In Japan nutzt man Yasashii Nihongo, also „leichtes und freundliches Japanisch”, in Finnland gibt es Zeitschriften, jedoch ganz ohne starres Regelwerk.
In Österreich entschied man sich für den Begriff „Leicht lesen” und die Methode zur Erstellung der Texte dafür heißt Capito (Italienisch für „Ich habe verstanden”). Hier spielen auch Vorerfahrungen, Vorwissen und Kontexte eine Rolle, anders als bei der deutschen Strategie. In vielen Ländern gewinnt Leichte Sprache also an Bekanntheit und Beliebtheit. Doch ein Land kann als Pionier angesehen werden …
Schweden als Vorreiter mit Lättlast („leicht zu lesen”)
Schweden gilt als Vorreiter der Bewegung für Leichte Sprache. Bereits 1968 wurde das erste Buch in Leichter Sprache herausgegeben, 1984 dann die erste Wochenzeitung, 8 Sidor („8 Seiten”). Seit 1987 hat Schweden sein eigenes Zentrum namens MTM (Myndigheten för Tillgängliga Medier, „Agentur für barrierefreie Medien”).
Dieser Verlag kümmert sich darum, jegliche Formate Personen mit Leseschwierigkeiten zugänglich zu machen. Er publiziert seine eigene Zeitung sowie Bücher und übersetzt Medien in Leichte Sprache, wie beispielsweise die Krimis von Henning Mankell. Ebenso liegt ein Fokus auf Literatur und Informationen in Braille und zu Gebärdensprache.
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Easy vs. Plain Language im Englischen
Im Englischen unterscheidet man Easy Language und Plain Language. Die beiden Modelle folgen einem ähnlichen Grundsatz wie im Deutschen. Easy Language ist das Gegenstück zu Leichter Sprache, Plain Language das Gegenstück zu Einfacher Sprache. Beide Ansätze haben dabei zum Ziel, die Komplexität der Sprache zu reduzieren und für Barrierefreiheit zu sorgen.
Easy Language wird auch Easy-To-Read, Easy Read oder Easy English genannt und wurde speziell für Menschen mit kognitiven oder Lernschwierigkeiten entwickelt. Es hilft jedoch auch Menschen, deren Erstsprache nicht Englisch ist, und hat ein ähnliches Regelwerk wie im Deutschen – ein Limit von 15 Wörtern pro Satz, die Verwendung von Stichpunkten oder eine Mindestschriftgröße von 14 Pt.
Plain Language wird auch Everyday English oder Plain English genannt und ist ein Schreibstil, der für Menschen mit einem mittleren Leseniveau (rechnet man nach dem Alter, ca. dem Leseniveau zwischen 12 und 14 Jahren) gedacht ist. Er hilft, Informationen schnell zu verstehen, sieht dabei aber aus, wie Standardinhalte. Der Fokus liegt auf kurzen Sätzen und Absätzen, sowie dem Vermeiden von Jargon oder Fremdwörtern – ebenso wie bei der Einfachen Sprache im Deutschen.
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Eine Chance für viele
Was bei diesem Thema besonders wichtig ist, ist, dass diese Modelle mit reduzierter Komplexität für viele Menschen ein Vorteil sein können. Ein Elternteil, das wenig schläft, eine Führungskraft, die in kurzer Zeit viel aufnehmen muss, oder jemand, der gerade die Sprache lernt – alle diese Menschen können von Leichter oder Einfacher Sprache profitieren.