Zweisprachig aufzuwachsen kann eine bereichernde Erfahrung sein, und zwar sowohl für den Erwachsenen als auch für das Kind. Wenn man eine zweite Sprache lernen möchte, sieht man sich vor die verschiedensten Herausforderungen gestellt. Auch, wenn du kein Umfeld für dein Kind schaffen kannst, in dem die Sprache intensiv gesprochen wird, gibt es verschiedene Arten, wie du es zweisprachig erziehen kannst. Nachdem ich selbst zweisprachig aufgewachsen bin, gebe ich gerne einige Einblicke, wie das gut gelingen kann.
Ich wurde in Brooklyn, New York, geboren, wuchs dort auf und lernte gleichzeitig fließend Französisch ohne, dass ich ständig mit der Sprache in Kontakt gewesen bin oder in Frankreich gelebt habe. Die einzige Zeit, in der ich wirklich kontinuierlich Französisch sprach, war während meines jährlichen Aufenthalts von zwei oder drei Wochen im schönen Ort Blaye in Frankreich. Wenn wir wieder zuhause in New York waren, kam es nur selten vor, dass ich Französisch sprach, da mein Vater (mein französischsprachiges Elternteil), lieber selbst Englisch übte. Trotzdem konnte ich mich bereits mit sieben Jahren bestens mit dem französischen Teil meiner Familie unterhalten. Ich hatte das Glück, jedes Jahr diese kurze Zeit in Frankreich verbringen zu dürfen, doch dass ich mir meine Sprachkenntnisse erhalten habe, war definitiv ein aktiver Prozess. Hier sind einige Tipps, wie du deinem Kind dabei helfen kannst, eine weitere Sprache zu sprechen, ohne dafür in einem anderen Land leben zu müssen.
4 Tipps, wie du deinem Kind zwei Sprachen beibringst
1. Verdopple die Zeit, die dein Kind mit der Sprache verbringt, indem du Medien der ersten Sprache in Medien der zweiten Sprache verwandelst.
Was du dazu brauchst: Netflix, YouTube, Spiele, etc.
Heutzutage beschäftigen sich Kinder viel mehr mit Multimedia als ich es damals getan habe. Dennoch habe ich durch französische Kindersendungen und Cartoons wie Die Abenteuer von Tim und Struppi, Titeuf sowie Asterix & Obelix viele neue Wörter in ihrem Kontext gelernt und konnte mir außerdem die Wörter, die ich bereits kannte, besser merken. Diese Sendungen wurden von frankophonen Menschen geschrieben, so dass sie eine große Anzahl an Ausdrücken und Redewendungen enthielten, die nur Muttersprachler:innen verwenden. So konnte ich die Wörter und Sätze, die ich hörte, mit dem, was ich sah, verbinden. Diese Methode,Unterhaltungsmedien langsam in die Zielsprache mit einzubinden, ist eine großartige Möglichkeit, schon zuhause mehr Zeit mit der Sprache zu verbringen.
2. Fange mit den Grundlagen an
Was du dafür brauchst: Sätze über grundlegende Themen, wie zum Beispiel Essen und Trinken
In einem französischen Haushalt lernte ich neue Wörter, indem ich auf die Dinge zeigte, die ich haben wollte. Meine Familienmitglieder sprangen dann ein und sagten mir das Wort, das ich nicht kannte. Normalerweise handelte es sich dabei um Dinge wie ein Glas Orangensaft oder ein Eis, und diese Wörter waren die ersten, die ich lernte und behielt. Meine Großmutter fragte, Tu veux du jus d’orange? Woraufhin ich nickte und sagte, Oui, du jus d’orange. Ohne dass ich mich also bewusst hinsetzte und übte, lernte ich den korrekten Artikel sowie die Vokalkontraktionen des Französischen. Das wiederholte sich endlose Male, und ich saugte all dieses Wissen wie einen Schwamm auf. Kinder können Sprache leicht im Zusammenhang mit Bedürfnissen lernen, wie zum Beispiel im Fall von Hunger, Hobbys, oder wenn sie auf Toilette müssen. In den Fällen handelt es sich nämlich um eine natürliche Motivation, sich mehr Sprachkenntnisse anzueignen.
3. Nutze Gesten, um Wörter zu lernen.
Was du dafür brauchst: Grundlegende Fragen wie zum Beispiel, „Hast du Hunger?“
Auch so etwas Einfaches wie das Beantworten einer Frage mit Gesten hat mir dabei geholfen, mehr von der Sprache zu verstehen. Ich werde nie vergessen, wie ich das Wort für „hungrig“ im Französischen lernte, als mich nämlich mein Onkel einmal fragte, Tu as faim? Nachdem er meinen verwirrten Blick sah, machte er eine Geste mit seiner Hand und führte diese zu seinem Mund. In diesem Moment verstand ich intuitiv, was er meinte, und antwortete mit einem enthusiastischen Oui, oui! Durch die Körpersprache werden Wörter und Sätze verknüpft, so dass wir sie verstehen können.
- Meine Großmutter ahmte mit ihrer Hand ein Telefon nach und fragte, Tu veux apeler ta maman?, und ich wusste, dass ich meine Mutter anrufen sollte.
- Sie legte ihre Hände zusammen an eine Schläfe und fragte, Tu veux faire une sieste?, und ich wusste, jetzt ist Zeit für ein Schläfchen.
4. Binde das Lesen mit ein, indem du Comics oder Bilderbücher nutzt.
Fun Fact: Ich lernte erst mit 14 Jahren Französisch lesen und schreiben. Ich brachte es mir mit Graphic Novels und Comics wie Tim und Struppi und Lucky Luke selbst bei. Genau wie bei der Körpersprache im echten Leben zeigten die Bilder mir den Kontext, damit ich verstehen konnte, was ich bereits gehört hatte. Comics fand ich als Kind natürlich cool, und so lernte ich ganz nebenbei und mühelos. Die visuelle Zusatzinformation ist wie eine Brücke zwischen dem, was wir lesen oder hören, und unserem Verständnis. Sicher gibt es Vorteile, Kindern grammatische Konzepte durch Lesen und Schreiben beizubringen, aber meiner Erfahrung nach ist das zu einem so frühen Zeitpunkt noch nicht notwendig. Ich glaube, die Tatsache, dass ich zuerst mündlich Französisch gelernt habe, hat mir das Selbstbewusstsein gegeben, die Sprache zu sprechen, was eine der größten Herausforderungen beim Erlernen einer neuen Sprache ist. Besonders wenn dein Kind schüchtern und zurückhaltend ist (wie ich es war), kann das Sprechen das Selbstvertrauen erheblich stärken.
Warum du deinem Kind zwei Sprachen beibringen solltest
Die Tatsache, dass ich bereits in jungen Jahren zwei Sprachen erlernte, war ein Geschenk, für das ich zutiefst dankbar bin. Die Mehrsprachigkeit half mir dabei, mit Menschen in Kontakt zu treten, mit denen ich sonst nie die Gelegenheit gehabt hätte, und trug entscheidend zu meiner Identitätsbildung bei. Deinem Kind die Fähigkeit mitzugeben, von dem es sein Leben lang profitiert, kann ihm dabei helfen, besser und leichter mit der Welt in Kontakt zu treten. Es mag keine leichte Aufgabe sein, aber wenn du sicherstellst, dass es Unterstützung erhält und du es zum Lernen ermutigst, wird es später mit wertvollen Erinnerungen zurückschauen können.
Dein Kind muss die Grammatik oder Aussprache nicht perfekt beherrschen, lass es Fehler machen! Bitte denk daran, dass es ein Kind ist. Kinder sollten Spaß beim Lernen haben. Vielleicht motiviert sie das sogar dazu, noch weitere Sprachen lernen zu wollen.
Ich möchte diesen Artikel gerne meinen Großeltern und der Familie Massey-Garido-Cacheur widmen.