Ob bewusst oder nicht – die Art und Weise wie du auftrittst, beeinflusst auch, wie dein Gegenüber dich versteht. Körpersprache kann ein recht locker definierter Begriff sein, tatsächlich steckt aber ein ganzes Forschungsgebiet dahinter. Also lass uns ins Detail gehen und herausfinden: Was genau ist Körpersprache?
Was ist Körpersprache – und was nicht?
In der Popkultur geht man mit dem Begriff „Körpersprache” recht locker um. Man könnte sagen, jemandem zuwinken gehört zur Körpersprache und selbst Gebärdensprache ist technisch gesehen „ein Gebrauch des Körpers”. Um eine Verallgemeinerung zu vermeiden, ist in der Wissenschaft häufig von Kinesik die Rede (auch wenn Körpersprache dennoch der geläufigere Begriff ist).
Kinesik als Wissenschaft wurde im Wesentlichen von Ray Birdwhistell geprägt, einem US-amerikanischen Anthropologen. Seit den 1950er Jahren befasste er sich mit der Frage, welchen Einfluss Körperhaltung und Gestik auf die Kommunikation haben. Obwohl Kinesik genau genommen nicht als Teil der Linguistik betrachtet wird, stützte sich seine Forschung auf das Gebiet der deskriptiven Linguistik. Während gesprochene Sprache aus Phonemen besteht (Klangeinheiten), wird Körpersprache Birdwhistell zufolge aus sogenannten Kinemen gebildet (Bewegungseinheiten).
Um die zentrale Frage dieses Artikels direkt zu beantworten: Körpersprache wird in der Wissenschaft nicht als vollständig eigenständige Sprache betrachtet. Sie kann aber Bedeutung ergänzen. Vergleichbar damit, wie du bestimmte Wörter in einem Satz betonst, um seine Bedeutung zu verändern (Ich möchte das vs. Ich möchte das), kannst du auch Bewegungen deines Körpers einsetzen, um etwas Bestimmtes zu betonen.
Die Anzahl an Faktoren, die in der Kinesik berücksichtigt werden können, ist wahrscheinlich deutlich größer, als du dir vorstellen kannst. Naheliegende Bestandteile der Kinesik sind Bewegungen wie das Augenrollen, verschränkte Arme oder der Mittelfinger. Doch da steckt noch mehr dahinter. Man kann zum Beispiel die Proxemik betrachten, also wie nah Menschen beieinander sind, oder die Haptik, also die Frage, wie genau Berührungen eingesetzt werden. Das klingt vielleicht ein bisschen mysteriös, doch schon die kleinsten Unterschiede können eine bemerkenswerte Wirkung haben.
Wie viel unserer Sprache ist nonverbal?
Kennst du die Statistik darüber, wie viel Prozent unserer Kommunikation nonverbal ist? Die Antwort: Ungefähr 80 Prozent. Oder nein, warte, eigentlich sind es eher 93 Prozent. Obwohl, vielleicht sind es auch 55 Prozent? Oh, und Ray Birdwhistell, er sagte Körpersprache würde 60 bis 75 Prozent des Gesprächs ausmachen. Mit diesen Zahlen wird gerne um sich geworfen, doch tatsächlich ist es etwas komplizierter, als ein Prozentsatz ausdrücken kann.
Die genannten Statistiken beruhen auf einer Reihe von Studien, die in den 60er und 70er Jahren von Albert Mehrabian durchgeführt wurden. In der Studie wurden Teilnehmende darum gebeten, basierend auf der Art und Weise, wie eine Person spricht, die Gefühle und Emotionen einer Aussage zu bewerten. Für unterschiedliche Merkmale vergaben sie einen Prozentsatz. Das Ergebnis der Studie: Wir bewerten Botschaften zu 55 Prozent anhand der Körpersprache unseres Gegenübers, zu 38 Prozent anhand der Tonlage und gerade mal zu 7 Prozent anhand der Worte, die tatsächlich ausgesprochen werden.
Eine beliebte Interpretation dieser Studienergebnisse ist, dass 93 Prozent unserer Kommunikation nonverbal sei. Das ist so allerdings nicht ganz richtig. Stell dir doch mal vor, die Wörter einer Aussage werden entfernt: Zu verstehen, was genau dein Gesprächspartner oder deine Gesprächspartnerin sagen möchte, wird ziemlich schwer. Wir nennen das auch Scharade, ein beliebtes Gesellschaftsspiel.
Das heißt jetzt aber nicht, Körpersprache sollte vollständig abgeschrieben werden. Zwar ist es nicht möglich, eine genaue Zahl zu nennen, doch gewiss ist Körpersprache ein wichtiger Bestandteil unserer Kommunikation.
Körpersprache und ihre Kontroverse
Kurz nach Birdwhistells Forschung auf dem Gebiet der Kinesik wurde Körpersprache zu einem beliebten Thema bei Buchautor:innen. Schließlich hat es etwas besonders Anziehendes, zu glauben, eine Person „lesen“ und so ihre intimsten Gedanken und Sehnsüchte ergründen zu können. Dieser Gedankengang kann allerdings zu Missverständnissen darüber führen, wie Körpersprache eigentlich funktioniert.
Im Grunde ist Körpersprache eine etwas subjektive Kategorie, da so viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören unter anderem: die bewussten und unbewussten Bewegungen der Sprechenden; Informationen, die sie weitergeben möchten und Informationen, die ihr Gegenüber wahrnimmt. Selbst wenn du die Bewegungen einer Person aufs Genaueste beobachtest, du wirst nicht immer genau dasselbe erkennen. Das heißt nicht, es würde sich nicht lohnen, auf die Körpersprache anderer zu achten. In bestimmten Situationen solltest du allerdings auch etwas skeptisch sein.
Die wohl größte Kontroverse gründet in einem der bekanntesten TED-Talks. 2012 hielt Amy Cuddy den TED-Talk „Your Body Language May Shape Who You Are” („Deine Körpersprache kann beeinflussen, wer du bist”), in dem sie Studien beschreibt, die von ihr und ihren Mitforschenden erhoben wurden. Sie behauptet, ihre Untersuchungen haben ergeben, dass Körpersprache nicht nur durch Gedanken und Stimmungslage einer Person beeinflusst werden, sondern auch umgekehrt, die Körpersprache selbst Einfluss auf die Gedanken und Stimmung einer Person habe. Die wichtigste These dreht sich um das „Power Posing“. Sie besagt, man könne das eigene Selbstvertrauen steigern, wenn man eine selbstbewusste Körperhaltung einnimmt (zum Beispiel mit in den Hüften gestemmten Armen).
Das „Power Posing“, im Deutschen auch bekannt als Machtposition, stand einige Jahre später in der Kritik, da Replikationsversuche erfolglos waren – man nennt dies auch Replikationskrise, also wenn Folgestudien das ursprüngliche Ergebnis nicht bestätigen können. Dies führte dazu, dass eine von Cuddys Mitforschenden von der These abrückte, während Cuddy selbst weiterhin davon überzeugt ist, dass weitere Forschungen das „Power Posing“ bestätigen werden. Eine eindeutige Antwort gibt es allerdings noch nicht.
Ist Körpersprache universell?
Wenn es um Forschung rund um Körpersprache geht, ist eine besonders wichtige Frage die, ob sie allgemeingültig ist. Gewiss gibt es Gesten, die kulturspezifisch sind, das US-amerikanische Peace-Zeichen zum Beispiel ist in Großbritannien eine Beleidigung. Bei der Frage nach der Allgemeingültigkeit geht es aber viel mehr um die Frage, ob es subtilere Gesten gibt, die in unterschiedlichen Kulturen verstanden werden.
Ray Birdwhistell war der Ansicht, dass Körpersprache nicht allgemein gültig ist. Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat aber ergeben, dass es durchaus auch einige kulturübergreifende Bestätigungen gibt. Der US-amerikanische Wissenschaftler Paul Ekman zum Beispiel führte 1971 eine bekannte Studie durch: Er fand heraus, dass in Papua-Neuguinea lebende Menschen, die kaum Kontakt zu Menschen anderer Länder hatten, die Gefühle von US-Amerikaner:innen problemlos alleine an ihrer Mimik erkennen konnten. Weitere Studien haben ergeben, dass es mindestens sieben Grundemotionen gibt, die alle Menschen von Natur aus in sich zu tragen scheinen.
Dennoch: Es gibt kulturelle Unterschiede und Körpersprache kann ein wichtiger Bestandteil des Sprachenlernens sein. Weil sie so viel zum gegenseitigen Verständnis beiträgt, muss eine sprachenlernende Person auch lernen, in welcher Form die Körpersprache berücksichtigt werden sollte. Wenn du bloß etwas in deinem Kopf übersetzen möchtest, kann das Verstehen der Körpersprache natürlich eine zusätzliche Schwierigkeitsstufe darstellen, es kann aber auch eine wirklich große Hilfe sein. Ist dein Wortschatz begrenzt, kannst du zum Beispiel auf Körpersprache zurückgreifen, um etwas zu verdeutlichen.
Körpersprache ist in vielen Fällen also ein zentraler Bestandteil der Kommunikation, den Menschen erkennen, ohne großartig darüber nachzudenken. (Es sei denn du flirtest gerade, dann ist Körpersprache vermutlich das Einzige, woran du denkst.) Nichtsdestotrotz lohnt es sich hin und wieder auch mal, einen Schritt zurück zu gehen und darüber nachzudenken, wie die eigenen Bewegungen auf andere wirken können. Es ist keine akkurate Wissenschaft, aber: Mimiken und Gesten können dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zu verbessern und Menschen einander näherbringen.