Geoff hat sich auf dem Gebiet der Nutzung mobiler Endgeräte und anderer neuer Technologien zur Verbesserung verschiedener Bereiche wie Lernen, Kommunikation und Kooperation schon vor Jahren einen ausgezeichneten Ruf erworben. Vor seiner jetzigen Position war er in Großbritannien und den USA als Teamleiter in der Entwicklung von innovativen digitalen Lernprodukten tätig. Als anerkannter Experte auf seinem Gebiet wird Geoff oft zu Vorträgen über Trends der Bildungstechnologie eingeladen. Nun hat er sich die Zeit genommen, um auf meine Fragen zu seiner weitreichenden Erfahrung in diesem Industriezweig und zu seinen Prinzipien, die seinen beruflichen Werdegang bestimmt haben, zu antworten.
ZS: Fangen wir direkt an: Warum war die Möglichkeit, das Didactics-Team von Babbel zu leiten, so interessant für dich?
GS: Einer der Gründe warum ich EdTech, also Bildungstechnologie, liebe, ist der große Einfluss, den EdTech hat. Es ist nicht einfach, das ultimative digitale Lerntool zu konstruieren, aber wenn du es richtig anstellst, kannst du einen bedeutenden Unterschied bei einer fast unbegrenzten Anzahl an Lernenden rund um den Globus bewirken. Babbel hat bereits über eine Million Nutzer, die daran arbeiten, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Um uns auf dem bisher gelegten Fundament weiter zu verbessern und zu vergrößern, müssen wir auch in Zukunft von unseren Nutzenden lernen.
ZS: Wo wir gerade beim Thema sind – für welche Zielgruppen, abgesehen von Sprachlernenden, hast du sonst noch Lerntools und digitale Lösungen entwickelt?
GS: Zu einem frühen Zeitpunkt meiner Ausbildungsphase arbeitete ich mit Lernenden, die im regulären Schulsystem durch das Raster gefallen waren. Während dieser Zeit leitete ich Projekte zur Erwachsenenbildung in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen und integrierte auch neue Technologien in den Präsenzunterricht. Ich arbeitete dabei mit einer großen Bandbreite an unterschiedlichen Lernergruppen, wie jüngeren und älteren Straftätern, Geflüchteten und vielen anderen Gruppen, die nicht unter den traditionellen Rahmenbedingungen lernten.
Das Spannende an der Entwicklung von Lerntools für diese Gruppen ist, dass man nicht auf die herkömmliche Unterrichtspraxis und zentral festgelegten Lehrpläne beschränkt ist – stattdessen kann man sich darauf fokussieren, was die wirkungsvollsten Ergebnisse bringt, und neue Technologien da einsetzen, wo sie den größten Unterschied machen. Das bedeutet im Klartext: Lernenden und Lehrenden wird geholfen, Technologie als Lernwerkzeug einzusetzen statt nur als Mechanismus zur Bereitstellung von Kursen. Das ist wirklich ein gewaltiger Unterschied, der seither meine berufliche Sichtweise prägt.
Zuletzt habe ich viel mit Mobiltechnologien gearbeitet und größeren Organisationen dabei geholfen, einen Schlüssel zu ihrer inneren Motivation zu finden. Ein Leitmotiv, das dabei immer wieder auftauchte, war, dass personalisiertes digitales Lernen zur Selbstbefähigung des Einzelnen führt.
ZS: Erzähl mir ein bisschen über die bahnbrechenden Projekte, an denen du mitgearbeitet hast. Wie haben diese Projekte deine Vorstellungen darüber, was in der Bildungstechnologie möglich ist, verändert?
GS: Ich hatte das Glück, dass ich sowohl in Europa als auch in Kalifornien Traumjobs hatte, in denen ich Innovationsteams aufbauen und mit ihnen die bisherigen Grenzen von digitalem Lernen sprengen konnte: Dazu gehörten Dinge wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR), Sprachsimulatoren, gamifiziertes Lernen (der guten Sorte), KI-basierte Systeme zur Bewertung längerer geschriebener Texte, zusammen mit einer Menge cooler Apps.
Ein skurriles Projekt, auf das ich echt stolz bin, ist ein riesiges Wandbild, das wir gestaltet haben, während ich bei der Telekommunikationsfirma Qualcomm in San Diego war. Es war das größte Augmented-Reality-Kunstwerk der Welt. Während des Entstehungsprozesses haben wir in technischer Hinsicht viel gelernt, weil ein Wandbild im Gegensatz zu den meisten anderen ARs, die man vielleicht schon mal gesehen hat, viel größer als die Kameraansicht ist. Es ist zudem ein großartiges Vorzeigeprojekt dafür, wie Smartphone-Nutzer mobil sein können und sollten. Denn Apps können so viel mehr sein als nur ein Mini-PC.
Eine neuere App, die heraussticht und ein großes Suchtpotenzial hat, ist Quiz Your English. Sie wurde während meiner Zeit bei Cambridge English entwickelt. Wir haben diese App vor allem deswegen eingeführt, weil wir die Kunst der Motivation durch Interaktion beherrschen wollten, in diesem Fall in Form eines Wettstreits mit Freunden. Wir veröffentlichten mehrere Versionen, und jedes Mal verfeinerten und verbesserten wir die Art und Weise, den Lernenden möglichst lange ans Spiel zu fesseln – und es funktioniert: Die monatliche Bestenliste zeigt Nutzerstatistiken, die zum Teil ins Ungesunde gehen, wie zum Beispiel einige Leute, die über 10.000 Mal gespielt haben!
ZS: Wenn du auf deinen bisherigen beruflichen Werdegang zurückblickst, gibt es da irgendwelche Fehler, die du gemacht hast, oder falsche Annahmen, die du in Bezug auf Lerntechnologien getroffen hast? Wie hast du da deinen Kurs korrigiert und welche Auswirkungen hatte dies letztendlich?
GS: Haha, „Fehler“ ist so ein negatives Wort! Ich vermassel ständig irgendetwas, so ist das Leben nun mal. Der Trick besteht darin, zu erkennen, dass alle anderen das auch tun, ob sie es nun zugeben oder nicht – und zu lernen, Fehler als Chancen zu sehen, um dazuzulernen und sich zu verbessern.
Genau aus diesem Grund basieren die meisten Projekte, an denen ich gearbeitet habe, auf einem agilen, iterativen Ansatz. Dieser beinhaltet, sich selbst einzugestehen, dass man im Vorhinein nicht alle Antworten hat. Es geht vielmehr darum, kleine, vorsichtige Schritte zu gehen und bei Fehltritten auch Kursänderungen zuzulassen.
ZS: Was sind grundlegende Prinzipien für das Designen von Apps und anderen Lerntools, die du in der Vergangenheit erfolgreich angewendet hast?
GS: Das erste Prinzip ist: Höre immer auf deine Lernenden. Nur so kannst du sicherstellen, dass du dein Lerndesign an die Bedürfnisse und Prioritäten der Lernenden anpasst. Das zweite ist: Zusammenarbeit wirkt Wunder. Ich habe festgestellt, dass die besten Ergebnisse dann herauskommen, wenn man Pädagogen mit Designern, Entwicklern und Lernenden von Anfang an zusammenbringt. Kreativität entsteht dadurch, dass verschiedene Fachgebiete kombiniert werden und man beständig aus Erfahrung und Feedback lernt.
Zu guter Letzt sind die besten Erfahrungen die, bei denen Lernende selbst etwas tun und nicht einfach passiv bleiben. Die beste Art von EdTech ist Selbstbefähigung, nicht die Verbreitung von Inhalten. Die Vision von Babbel für unser Produkt ist ein gutes Beispiel dafür: Wir wollen nicht, dass Lernende ihre neu erworbenen Fähigkeiten einfach für sich selbst behalten. Wir hoffen, dass wir sie dazu inspirieren können, hinaus in die weite Welt zu gehen und mit Menschen zu reden – damit sie die Sprachkenntnisse, die sie mit uns erworben haben, mithilfe von Alltagserfahrungen vertiefen und erweitern können.
ZS: In diesem Sinne habe ich eine letzte Frage an dich: Welche aufkommenden Technologien oder pädagogische Ansätze sind deiner Ansicht nach am bedeutsamsten für die Zukunft des Sprachenlernens?
GS: Das ist eine einfache Frage! Beim Sprachenlernen geht es zwar teilweise darum, grundlegende Kenntnisse zu erwerben, aber noch viel mehr, Selbstvertrauen aufzubauen, indem man ganz in eine neue Sprache und Kultur eintaucht und mit anderen Menschen interagiert. Bei ein paar spannenden neuen Technologien geht es genau um diesen Aspekt. Einige Schlagworte in diesem Kontext sind Spracherkennung und die automatische Generierung von Dialogen, beides großartige Tools, um seine kommunikativen Fähigkeiten zu üben und zu verbessern. Andere Technologien sind VR und 360°-Videos, die es dem Lernenden erlauben, in eine neue Kultur und andere Umgebung einzutauchen. Und es stehen noch viele andere coole Sachen an.
ZS: Vielen Dank für deine interessanten Einblicke, Geoff – und herzlich willkommen bei Babbel!