Sprichst du eine Sprache besser, wenn du betrunken bist?

Sprichst du eine Fremdsprache besser, wenn du betrunken bist? Oder überschätzt du in diesem Zustand einfach nur deine Fähigkeiten? Wir haben Antworten.
betrunken sprechen

Beinahe jeder Erwachsene, der eine Fremdsprache gelernt hat, kennt das Phänomen: Nach ein paar Drinks werden die Sprachfertigkeiten magisch besser (oder es scheint zumindest so). Betrunken sprechen geht scheinbar besser. Irgendwie fallen dir die Wörter schneller ein, die Sätze entstehen wie von selbst und du führst Gespräche, denen du im nüchternen Zustand niemals gewachsen wärst. Wie ist das zu erklären?

Wissenschaftler in den Niederlanden und Großbritannien stellten sich dieselbe Frage – wenn auch akademischer formuliert – und kamen zu dem Ergebnis, dass du eine Sprache tatsächlich besser sprichst, wenn du angeheitert bist. In diesem Artikel verraten wir dir mehr über die ursprüngliche Studie und die Ergebnisse, die wir von Babbel erzielten, als wir uns an unsere eigene Fallstudie zu dem Thema wagten.

Dein Gehirn unter Alkoholeinfluss

Wenn man davon ausgeht, was wir über die Wirkung von Alkohol auf das Gehirn wissen, würde man erwarten, dass das Abschneiden in einer Fremdsprache nach Alkoholgenuss schlechter wird, nicht besser. Wissenschaftler sind aus zwei Gründen zu dieser Erwartungshaltung gelangt: Erstens hat Alkohol einen negativen Effekt auf unsere Fähigkeit, uns in unserer Muttersprache auszudrücken. Mit steigendem Alkoholpegel sprechen wir immer unzusammenhängender und unverständlicher. Zweitens wirkt sich Alkohol negativ auf die Handlungsfunktionen aus und damit auf die Gehirnfunktion, mit der Zweisprachige entscheiden, welches von mehreren konkurrierenden Wörtern für einen bestimmten Begriff gewählt werden sollte. Dieser Entscheidungsmechanismus wird wie alle anderen Handlungsfunktionen unter Alkoholeinfluss beeinträchtigt.

Diese kalten, harten wissenschaftlichen Fakten stehen im krassen Gegensatz zu den von erwachsenen Sprachschülern gemachten Erfahrungen: Wir haben oft das Gefühl, dass betrunken sprechen besser funktioniert als im nüchternen Zustand. Das Schlüsselwort könnte hier allerdings Gefühl sein. Wenn wir angetrunken sind, sind unsere Wahrnehmung und Erinnerung beeinträchtigt; wir könnten also unsere Fähigkeiten einfach überbewerten, ohne in Wahrheit besser zu sprechen. Die Wissenschaftler waren sich dieses Verzerrungspotenzials bewusst und testeten daher auch, ob Alkohol den Probanden ein übersteigertes Selbstbewusstsein vermittelte.

 

Die harten Fakten

Die Studienteilnehmenden setzten sich aus einer Gruppe deutscher Studierender zusammen, die an der Universität Maastricht Niederländisch als Fremdsprache studierten. Das Forschungsteam verabreichte der Hälfte der Teilnehmenden die gleiche Menge eines alkoholischen Getränks, die Kontrollgruppe erhielt Wasser. Beide Gruppen wurden gebeten, zwei Minuten lang über ein bestimmtes Thema zu sprechen. Ihre Antworten wurden aufgezeichnet und von niederländischen Muttersprachlern im Hinblick auf ihr Sprachniveau bewertet.

Was geschah? Die Ergebnisse dürften Sprachschüler in aller Welt bestätigen. Die Gruppe, die Alkohol genossen hatte, stellte die Kontrollgruppe in allen Kategorien in den Schatten: Aussprache, Grammatik, Vokabular und Argumentation. Noch besser: Die Aussprache in der angeheiterten Gruppe wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe als statistisch signifikant besser bewertet, was bedeutet, dass die Verbesserung nicht auf einen Zufall zurückgeführt werden kann. Fremdsprachen betrunken sprechen funktioniert also wirklich besser als nüchtern, jedenfalls nach einem oder zwei Drinks.

Außerdem schätzten die Teilnehmenden der Gruppe, die Alkohol getrunken hatte, ihre Sprachfertigkeiten nicht höher ein als die Kontrollgruppe, es war also nicht nur eine Frage des Selbstvertrauens. Wenn das stimmt, weshalb wirkt sich dann Alkoholkonsum positiv auf die Leistung aus? Die Autoren der Studie stellten die Theorie auf, dass der Schlüssel in der Verringerung der Angst vor der Fremdsprache liegen könnte, auch wenn sie diesen Parameter nicht getestet hatten. Dies wäre durchaus denkbar, da Alkohol ja bekanntlich Ängste und Hemmungen vorübergehend in den Hintergrund treten lässt.

 

Unsere Fallstudie: Solltest du Fremdsprachen nüchtern oder betrunken sprechen?

Eine Untersuchung zu den Auswirkungen von Alkoholgenuss in einer kontrollierten Umgebung ist gut und schön, was aber geschieht im echten Leben? Wir von Babbel wollten genau das mit unserer eigenen (sehr unwissenschaftlichen) Fallstudie testen. In unserem Video unten siehst du, wie es unseren drei Teilnehmenden erging:

Alle drei bewerteten ihre Deutschkenntnisse zu Beginn ganz klar als durchschnittlich. (Wenn du es genau wissen willst: Colin ordnete sich bei 5,5 ein, Grace bei 5 und Craig ebenfalls bei 5.) Im nüchternen Zustand können alle Teilnehmenden sich ausdrücken, haben aber mit kleineren Schwierigkeiten zu kämpfen. Sobald die Runde „angeheitert“ ist, wirst du vermutlich bemerken, dass sich die Aussprache durch die Bank verbessert, aber auch mehr Fehler gemacht werden. (Vielleicht ist dir auch aufgefallen, dass unsere „angeschickerte“ Runde mehr als die Studienteilnehmenden getrunken hat.) Besonders Grace hatte Schwierigkeiten, durchgehend deutsche Wörter zu wählen, und spricht fast die Hälfte der Zeit Englisch. Dies passt zu der Erkenntnis, dass Alkohol die Handlungsfunktionen des Gehirns – und damit die korrekte Wortauswahl – behindert. Craig wiederum ist überzeugt, dass er fließender spricht, und alle Teilnehmenden schätzen ihre Fertigkeiten höher ein (Colin bei 6, Grace bei 5,5 und Craig bei 7,2).

In der letzten Runde im Zustand „betrunken“ (selbstverständlich im Dienste der Wissenschaft) machen unsere drei Probanden noch mehr Fehler als zuvor – anscheinend hat die positive Beziehung zwischen Fremdsprache und Alkohol ihre Grenzen. Auch wenn Craig ganz wunderbar und mit großer Sicherheit die Backstreet Boys auf Deutsch rezitiert, erinnert sich Colin nicht an das deutsche Wort links und muss obendrein zugeben, dass er keine Ahnung mehr von Grammatik hat. Die Ergebnisse der letzten Selbsteinschätzung sind weit weniger eindeutig: Colin bewertet sich mit 5, Grace bleibt bei 5,5 und Craig zeichnet anstelle einer Antwort ein Diagramm, das seine Fortschritte darstellen soll.

Fazit

Alkohol wirkt sich eindeutig auf die Beherrschung einer Fremdsprache aus, betrunken sprechen hat jedoch nur begrenzt positive Effekte. Auch wenn es dir hin und wieder Spaß macht, deine Sprachfertigkeiten in einer Kneipe zu üben (schließlich führst du echte Gespräche mit echten Menschen, oder etwa nicht?), erweiterst du auf diese Weise nicht dein Vokabular oder entwickelst eine gesunde Einschätzung deiner Sprachkenntnisse. Eine bessere Methode, das Unbehagen beim Sprechen in einer Fremdsprache zu überwinden, sind regelmäßiges Sprechen – und das Anerkennen der Tatsache, dass Fehler einfach dazugehören! Mit dieser Einstellung erwirbst du eine Sicherheit, die länger anhält als ein Schwips.

Worauf wartest du also noch? Beginne noch heute, in einer neuen Sprache sicherer zu werden!
Hier loslegen!
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