Sprachen lernen im Schlaf – Realität oder Träumerei?

Einfach die Augen zumachen und am nächsten Morgen klüger aufwachen – ein lang gehegter Menschheitstraum. Aber ist Sprachenlernen im Schlaf wirklich möglich? Oder ist es vielleicht sogar schädlich?
Sprachen lernen im Schlaf

Laut dem Statistischen Jahrbuch von 2015 schläft der durchschnittliche Deutsche 8 Stunden und 29 Minuten pro Nacht – also etwa 130 volle Tage im Jahr. Wenn dir das wie Zeitverschwendung vorkommt, bist du nicht allein: Benjamin Franklin sagte schon, dass man im Grab noch genug schlafen kann – und es wird gemunkelt, dass Thomas Edison die Glühlampe vor allem darum erfand, um länger wach bleiben zu können. Auch Leonardo da Vinci hielt Schlafen für Zeitverschwendung – so sehr sogar, dass er am Tag nur kurze anderthalb Stunden geschlafen haben soll, und diese nicht einmal am Stück, sondern in 15-Minuten-Häppchen. Bevor wir uns weiter mit den Genies der Weltgeschichte messen, sollte vielleicht erwähnt werden, dass nur etwa 5 Prozent der Menschen mit weniger als 6 Stunden am Tag auskommen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehörst du also zu den Menschen, die ohne genug Schlaf einfach nicht gut funktionieren. Wie wäre es dann, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen? Oder anders gesagt: Was wäre, wenn du jede Nacht genug schlafen, die Zeit aber trotzdem mit etwas Produktivem füllen könntest – Sprachen lernen im Schlaf zum Beispiel?

Sprachen lernen im Schlaf: Ist das überhaupt möglich?

Methoden zum Lernen im Schlaf werden als Hypnopädie bezeichnet. Die Möglichkeit, Wissen ohne Anstrengung im Schlaf zu erwerben, hat Menschen seit jeher fasziniert. Berichten zufolge flüsterten bereits im antiken Griechenland Privatlehrer ihren Schülern Texte im Schlaf zu, die sich die Schüler tagsüber schlecht einprägen konnten. Auch heutzutage wird das Lernen im Schlaf (und dabei geht es natürlich von der Mathe-Formel bis hin zum Sprachen lernen im Schlaf) ebenso eifrig von Wissenschaftlern untersucht, wie es schamlos in der Werbung ausgenutzt wird.

Alles Humbug?

Besonders letztere Praxis lässt das Lernen im Schlaf eher unsinnig erscheinen. Und tatsächlich: Wie Jennifer Ackerman in ihrem Buch 24 Stunden: Ein Tag im Leben deines Körpers (2007 erschienen) erklärt, ist das Lernen im Schlaf – soll heißen: das Erlernen von neuen Dingen – wahrscheinlich nicht möglich. Viele Versuche, Testpersonen im Schlaf unbekannte Vokabeln einzupauken, blieben erfolglos.

Etwas Altes, etwas Neues…

Trotzdem sollten wir die Idee der Hypnopädie vielleicht nicht ganz so schnell verwerfen: Neuere Studien weisen darauf hin, dass es von Vorteil sein kann, Informationen, die im Wachzustand aufgenommen wurden, im Schlaf noch einmal zu wiederholen. 2012 brachten Forscher der Northwestern University Studienteilnehmern zwei Lieder bei. Eins der Lieder wurde den Probanden noch einmal in einer Tiefschlafphase vorgespielt. Die Studienteilnehmer konnten sich an das Lied, dem sie im Schlaf gelauscht hatten, deutlich besser erinnern als an das, welches sie nur im Wachzustand gehört hatten. 2014 wurden ähnliche Resultate in einer Studie von Thomas Schreiner und Björn Rasch von der Universität Freiburg nachgewiesen: An kürzlich gelerntes Vokabular konnten sich die Testpersonen besser erinnern, wenn es ihnen in Nicht-REM-Phasen noch einmal vorgespielt wurde. Es wurden außerdem die gleichen Gehirnschwingungen festgestellt, die normalweise auftreten, wenn das Gedächtnis im Wachszustand erfolgreich kodiert.

Ist Lernen im Schlaf schädlich für die Gesundheit?

Untersuchungen wie diese sind zwar interessant, aber immer noch weit vom Traum des mühelosen Turbolernens im Schlaf entfernt. Tatsächlich betont Florence Cardinal von der Canada’s National Sleep Foundation, dass Vokabelübungen vom Gehirn eher als Störung wahrgenommen werden – sie zwingen das Gehirn dazu, während des Schlafs immer wachsam zu bleiben und zuzuhören. Hypnopädische Übungen könnten uns also genau den Schlaf rauben, der für uns so wichtig ist. Paradox heißt das also, dass wenn wir Sprachen lernen im Schlaf ermöglich wollen, wir einfach nur … schlafen müssen.

Ungestörte Schlafphasen sind nicht nur für unseren Körper von Bedeutung, sondern auch für unseren Geist: Damit vorher gelerntes Wissen im Kopf bleibt, ist der richtige Schlaf vonnöten. Das wurde unter anderem von den Psychologen und Schlafforschern Ines Wilhelm, Susanne Diekelmann und Jan Born in einem Experiment im Jahr 2010 nachgewiesen. Bei dem Experiment sollten Probanden Wortpaare lernen, die am nächsten Tag abgefragt wurden. Eine Gruppe der Versuchspersonen durfte die folgende Nacht schlafen, die andere nicht. Wer sich nach einer durchbüffelten und schlaflosen Nacht schon mal durch eine Prüfung gequält hat, wird vom Ergebnis des Experiments kaum überrascht sein: Am nächsten Tag konnten sich die ausgeschlafenen Studenten wesentlich besser an die Wortkombinationen erinnern als die, die wach geblieben waren. Es scheint also so, dass während des Schlafs unser Erinnerungsvermögen gestärkt wird. Die Theorie ist, dass das Gehirn während des Schlafs Zeit hat, sich zu ordnen: Wir treffen von den Eindrücken des Tages eine Auswahl, bei der nur wichtige Informationen ins Langzeitgedächtnis übertragen werden.

Wie du trotzdem (fast) ohne Aufwand im Schlaf Sprachen lernen kannst

Das Fazit scheint also zu sein: Aufwandsloses Lernen im Schlaf (wenn man das Einsprechen von Vokabeln und Bespielen deines MP3-Players oder Handys als „aufwandslos“ bezeichnet) mag möglich sein, ist aber wahrscheinlich nicht empfehlenswert. Trotzdem lernt das Gehirn im Schlaf – zwar nichts Neues, aber immerhin wird das Alte im Langzeitgedächtnis verankert.

Einen Lichtblick am Horizont gibt es trotzdem für unseren Durchschnittsdeutschen, der 8 Stunden und 29 Minuten pro Nacht schläft und diese Zeit damit nicht mit Sprachenlernen verbringen kann: Er sieht nämlich auch 2 Stunden und 4 Minuten am Tag fern, liest 32 Minuten und verbringt 23 Minuten am PC und dem Smartphone – das sind auf jeden Fall Aktivitäten, die du auf das Sprachenlernen anwenden kannst. Und dabei musst du sie nicht einmal aufgeben: Versuche einfach, deinen Alltag Schritt für Schritt auf deine Lernsprache umzustellen. So kannst du – fast ohne Aufwand – trotzdem Sprachen lernen!

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Katrin Sperling

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.

Katrin Sperling ist in Potsdam geboren und aufgewachsen und hat nach dem Abitur ein Jahr in Toronto, Kanada verbracht. Weil ihr Hogwarts-Brief zu ihrem 20. Geburtstag im Jahr 2011 immer noch nicht angekommen war, musste sie schließlich die Realität akzeptieren und studierte Englische und Deutsche Linguistik in Berlin. Zum Glück erwies sich die Linguistik als genauso magisch, weswegen Katrin sehr glücklich ist, jetzt für das Babbel Magazin über Sprachen zu schreiben.