Was für viele Europäer nach einer überflüssigen Frage klingt, sorgt kontinentübergreifend doch regelmäßig für Verwirrung, besonders im internationalen Sprachgebrauch. Denn in England heißt es „football“, in den USA aber „soccer“. Und manchmal ist beides richtig – oder falsch.
In diesem Artikel gehen wir darauf ein, warum es zwei Namen für ein und denselben Sport gibt, was dahinter steckt und wie Sprache unser Sportverständnis prägt.
Die Herkunft der Begriffe
Football: Das Original aus England
England gilt als das Mutterland des Fußballs. Aber auch andere Kulturen zelebrierten schon zuvor mit dem Fußball artverwandte Ballspiele: Im alten China war etwa der Fußball-Vorläufer Cuju schon vor mehr als 2000 Jahren populär, in den Hochkulturen Mesoamerikas hatten Ballspiele etwa bei Azteken und Maya und anderen Völkern teils sogar kultischen Ritual-Charakter.
Der Ursprung des modernen Fußballs liegt jedoch in der Tat im England des 19. Jahrhunderts. Dort entwickelten sich an Universitäten verschiedene Varianten von „football games“, Ballspiele mit dem Fuß. 1863 wurde in London die „Football Association“ gegründet, die das Regelwerk für das heutige Spiel mit dem runden Ball definierte. Diese Variante setzte sich als „Association Football“ durch, um sie von anderen Spielen wie „Rugby Football“ zu unterschieden.
Schon früh sprach man also einfach von „football“, wenn man „Association Football“ meinte. So entwickelte sich ein Begriff, der sich in vielen Ländern durchsetzte, teils dann einfach in direkt übersetzter Form: In Deutschland etwa wurde daraus schlicht „Fußball“
Soccer: Ein englischer Spitzname
Überraschung: Der Begriff „soccer“ stammt tatsächlich ebenfalls aus England und eben nicht aus den USA. Es ist eine Verkürzung von „Association“: Wer an der Uni Oxford in den 1880ern „Association Football“ spielte, sagte dazu lässig „assoccer“, was später zu „soccer“ verkürzt wurde.
Klingt schräg, war damals aber kein Einzelfall. Denn in derselben Zeit nannte man „Rugby Football“ übrigens „rugger“. Es war einfach ganz normaler Uni-Slang.
Die Ironie ist also, dass die heute amerikanische Bezeichnung „soccer“ zuerst in Großbritannien etabliert war, bevor sie dann dort von der Bildfläche verschwand. Heute verwenden sie fast nur noch Länder, in denen „football“ bereits anderweitig besetzt ist.
Kulturelle Unterschiede und regionale Bezeichnungen
Warum ist die amerikanische Bezeichnung „Soccer“?
In den USA hat „football“ seit dem 20. Jahrhundert eine ganz andere Bedeutung: Dort meint „football“ das, was wir als American Football kennen, also das körperbetonte Spiel mit Helm, Schulterpolstern und dem ovalen Ball.
Um Verwechslungen zu vermeiden, behielten die Amerikaner den alten britischen Slang-Ausdruck „soccer“ bei. So konnte man klar unterscheiden: Football = American Football, Soccer = der Sport mit dem runden Ball.
Das Gleiche gilt übrigens für Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika – alles Länder, in denen Rugby oder American Football populär sind. Auch dort heißt das Spiel mit dem runden Ball meist „soccer“. Das australische Nationalteam trägt zum Beispiel den Spitznamen „Socceroos“.
Und über den angelsächsischen Kulturkreis hinaus?
In Europa, Lateinamerika, Afrika und weiten Teilen Asiens ist „football“ bzw. eine lokale Variante davon Standard:
- Spanien: fútbol
- Frankreich: football (oder abgekürzt „foot“)
- Niederlande: voetbal
- Dänemark: fodbold
- Brasilien: futebol
Die Rolle von Sprache und Kultur im Sportverständnis
Sprache ist nie neutral, besonders nicht im Sport. Wer welches Wort benutzt, verrät viel über Herkunft, Kultur und Medienprägung. In den USA etwa war „soccer“ lange ein Nischensport für Kinder, während „football“ die großen Stadionmassen zog. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich „soccer“ in den USA als ernstzunehmender Profisport etabliert, besonders durch internationale Turniere wie die Fußballweltmeisterschaft.
Umgekehrt wirkt „soccer“ in Europa oft befremdlich. Wer in Deutschland oder England „soccer“ sagt, gilt schnell als „amerikanisiert“ oder wenig fußballaffin. Das zeigt: Sprache transportiert Haltung. Und manchmal auch eine Portion Nationalstolz.
Beispiele für lokale Bezeichnungen und ihre Wirkung
Einige Länder geben dem Sport ganz eigene Namen, teils mit historischen, teils mit kulturellen Bezügen:
- Italien: „Calcio“ kommt vom historischen „Calcio storico fiorentino“, einem recht rabiaten Straßenballspiel aus dem 16. Jahrhundert (zum Glück hat der moderne Sport damit eher wenig mehr gemein).
- Japan: Verwendet das Wort „サッカー“ (sakkā), eine direkte Übernahme von „soccer“ mit japanischem Touch in der Aussprache.
- Ägypten: Hier sagt man „kurat al-qadam“ (كرة القدم), wörtlich „Ball des Fußes“.
- Afrikanische Länder: Nutzen tendenziell je nach Kolonialgeschichte französische (football), englische (football oder soccer) oder portugiesische Begriffe (futebol).
Das zeigt: Die Bezeichnung hängt oft davon ab, welcher kulturelle Einfluss historisch am stärksten war – sei es durch Kolonialmächte, Medien oder Migration.
Soccer vs. Football: Gibt es eigentlich inhaltliche Unterschiede?
Im Grunde: Nein. Beide Begriffe bezeichnen denselben Sport mit denselben Regeln und das Spiel mit 11 Spieler:innen pro Team, 90 Minuten, einem runden Ball und zwei Toren. Unterschiede gibt es nur in der sprachlichen Benennung. Verwechseln darf man es eben nur nicht mit diesen mit ovalem Ball ausgetragenen Varianten:
- American Football (USA)
- Canadian Football (Kanada)
- Rugby Football (UK, Australien)
- Australian Rules Football (Australien)
Diese Sportarten unterscheiden sich massiv in Spielweise, Ballform und Regeln. Wer also „football“ sagt, sollte immer auch den Kontext im Blick haben.
Fazit: Zwei Wörter, ein Spiel, viele Bedeutungen
Ob du Fußball nun „soccer“ oder „football“ nennst, hängt davon ab, wo du bist, was du gewohnt bist und mit wem du sprichst.
Beide Begriffe haben ihre Geschichte, ihre Fans und ihre Berechtigung.
Gerade im Sport zeigt sich: Sprache schafft Zugehörigkeit. Wer „football“ oder „Fußball“ sagt, denkt vielleicht an den Geruch von Rasen und Stadionwurst. Wer „soccer“ sagt, womöglich noch an Highschool-Turniere oder eben schon an Weltmeisterschaften im US-TV. Und wer vom „calcio“ spricht, an leidenschaftliche Stadtderbys in Rom oder Mailand und hitzige Diskussionen beim Espresso.
Am Ende sprechen wir vielleicht unterschiedliche Sprachen, aber wir spielen dasselbe Spiel. Und das ist doch das eigentlich Verbindende.
